Was das Fehlen fossiler Reste betrifft, welche den Menschen mit seinen affenähnlichen Urerzeugern zu verbinden dienen, so wird Niemand auf diese Thatsache viel Gewicht legen, welcher Sir C. Lyell’s Erörterung[1] gelesen hat, worin er zeigt, dass in sämmtlichen Classen der Wirbelthierreihe die Entdeckung fossiler Reste ein äusserst langsamer und vom Zufall abhängiger Vorgang gewesen ist. Auch darf man nicht vergessen, dass diejenigen Gegenden, welche am wahrscheinlichsten solche Reste darbieten, die den Menschen mit irgend einem ausgestorbenen affenähnlichen Geschöpfe verbinden, bis jetzt von Geologen noch nicht untersucht sind.
Die niederen Stufen in der Genealogie des Menschen. – Wir haben gesehen, dass der Mensch sich als von der Abtheilung der Catarhinen oder altweltlichen Formen der Simiaden abgezweigt darstellt, welche Abzweigung also eintrat, nachdem diese Abtheilung von der der neuweltlichen Formen verschieden geworden war. Wir wollen jetzt versuchen, den noch entfernteren Zügen seiner Genealogie zu folgen, wobei wir uns an erster Stelle auf die gegenseitigen Verwandtschaften zwischen den verschiedenen Classen und Ordnungen beziehen und auch, wenn schon in untergeordneter Weise, auf die Perioden Rücksicht nehmen, in welchen dieselben, soweit bis jetzt ermittelt ist, nach einander auf der Oberfläche der Erde erschienen sind. Die Lemuriden stehen unter und nahe bei den Simiaden, indem sie eine sehr verschiedene Familie der Primaten oder nach Häckel und Andern selbst eine besondere Ordnung bilden. Diese Gruppe ist in einem ganz ausserordentlichen Grade verschiedenartig geworden und auseinandergefallen und umfasst viele aberrante Formen. Sie hat daher wahrscheinlich viel von dem Aussterben einzelner Formen gelitten. Die meisten der Ueberbleibsel leben noch auf Inseln, namentlich auf Madagascar und auf den Inseln des malayischen Archipels, wo sie keiner so scharfen Concurrenz ausgesetzt gewesen sind, als dies auf gut bevölkerten Continenten der Fall gewesen sein würde. Diese Gruppe bietet auch viele gradweise Verschiedenheiten dar, welche, wie Huxley bemerkt,[2] „unmerklich von der Krone und Spitze der thierischen Schöpfung zu Geschöpfen herabführen, von denen scheinbar nur ein Schritt zu den
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/217&oldid=- (Version vom 31.7.2018)