herzuleitenden grossen Wohlthat. Wir müssen daher die ganz zweifellos schlechte Wirkung des Lebenbleibens und der Vermehrung der Schwachen ertragen; doch scheint wenigstens ein Hinderniss für die beständige Wirksamkeit dieses Moments zu existiren, in dem Umstände nämlich, dass die schwächeren und untergeordneteren Glieder der Gesellschaft nicht so häufig als die Gesunden heirathen; und dies Hemmniss könnte noch ganz ausserordentlich verstärkt werden, trotzdem man es mehr hoffen als erwarten kann, wenn die an Körper und Geist Schwachen sich des Heirathens enthielten.
In jedem Lande, in dem ein grosses stehendes Heer gehalten wird, werden die hübschesten jungen Leute bei der Conscription genommen oder ausgehoben. Sie sind damit frühzeitigem Tode während eines Krieges ausgesetzt, werden oft zu Lastern verführt und sind verhindert, in der Blüthe ihres Lebens zu heirathen. Es werden andrerseits die kleineren und schwächeren Männer von bedenklicher Constitution zu Hause gelassen; folglich haben diese eine bessere Chance, heirathen und ihre Art fortpflanzen zu können.[1]
Der Mensch häuft Besitzthum an und hinterlässt es seinen Kindern, so dass die Kinder der Reichen in dem Wettlauf nach Erfolg vor denen der Armen einen Vortheil voraus haben, unabhängig von körperlicher oder geistiger Ueberlegenheit. Andrerseits treten die Kinder kurzlebiger Eltern, welche daher im Durchschnitt selbst von schwacher Gesundheit und geringer Lebenskraft sind, ihr Besitzthum früher an als andre Kinder, heirathen daher wahrscheinlich auch früher und hinterlassen eine grössere Zahl von Nachkommen, welche ihre minder gute Constitution erben. Es ist indessen das Erben von Besitz und Eigenthum durchaus kein Uebel. Denn ohne die Anhäufung von Capital könnten die Künste keine Fortschritte machen und es ist hauptsächlich durch die Kraft dieser geschehen, dass die civilisirten Rassen sich verbreitet haben und jetzt noch immer ihren Bezirk erweitern, so dass sie die Stelle der niedrigeren Rassen einnehmen. Auch stört die mässige Anhäufung von Wohlstand den Process der Zuchtwahl durchaus nicht. Wenn ein armer Mensch reich wird, so beginnen seine Kinder den Handel oder ein Gewerbe, in welchem es des Kampfes genug gibt, so dass der an Körper und Geist Fähigere am besten fortkommt. Das Vorhandensein einer Menge gut unterrichteter Leute,
- ↑ Prof. H. Fick gibt (Einfluss der Naturwissenschaft auf das Recht, Juni 1872) mehrere gute Bemerkungen hierüber und über andere derartige Punkte.
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/189&oldid=- (Version vom 31.7.2018)