Einer meiner Correspondenten versichert mir, dass eine Katze in seinem Hause ihre Pfoten in den Hals einer Milchkanne zu stecken pflegte, die eine für ihren Kopf zu enge Oeffung hatte. Ein Junges dieser Katze lernte sehr bald denselben Streich ausführen und benutzte sie dies später stets, so oft sich nur eine Gelegenheit dazu darbot.
Man kann wohl sagen, dass die Eltern vieler Thiere im Vertrauen auf das in ihren Jungen thätig werdende Princip der Nachahmung und noch besonders auf ihre instinctiven oder erblichen Anlagen dieselben erziehen. Wir sehen dies, wenn eine Katze ihrem Kätzchen eine lebendige Maus bringt; und Dureau de la Malle hat (in dem oben citirten Aufsatze) eine merkwürdige Schilderung seiner Beobachtungen an Habichten gegeben, welche ihre Jungen Geschicklichkeit ebenso wie Beurtheilung der Entfernung lehrten, dadurch, dass sie erst todte Mäuse und Sperlinge durch die Luft fallen, welche die Jungen meist nicht fangen konnten, und dann lebendige Vögel fliegen liessen.
Kaum irgend eine Fähigkeit ist für den intellectuellen Fortschritt des Menschen von grösserer Bedeutung als die Fähigkeit der Aufmerksamkeit. Thiere zeigen diese Fähigkeit offenbar, so wenn eine Katze vor einer Höhle wartet und sich vorbereitet, auf ihre Beute zu springen. Wilde Thiere werden zuweilen hierdurch so befangen, dass man sich ihnen leicht annähern kann. Mr. Bartlett hat mir ein merkwürdiges Beispiel mitgetheilt, wie variabel diese Fähigkeit bei den Affen ist. Ein Mann, welcher Affen abrichtete, pflegte die gewöhnlichen Arten von der zoologischen Gesellschaft zum Preise von 5 Pfund (Sterling) das Stück zu kaufen; er erbot sich aber, die doppelte Summe zu zahlen, wenn ihm erlaubt sei, drei oder vier derselben ein paar Tage lang bei sich zu halten, um einen auszuwählen. Als er gefragt wurde, wie es möglich sei, dass er so bald schon sehe, ob ein besonderer Affe sich als ein guter Schauspieler herausstellen würde, antwortete er, dass Alles von ihrer Fähigkeit, aufzumerken, abhänge. Würde die Aufmerksamkeit des Affen, während er mit ihm spräche und ihm irgend etwas erklärte, leicht abgezogen, sei es durch eine Fliege an der Wand oder irgend einen anderen unbedeutenden Gegenstand, so sei der Fall hoffnungslos. Versuche er einen unaufmerksamen Affen durch Strafe zum Agiren zu bringen, so werde er böse. Andererseits meinte er, dass ein Affe, welcher aufmerksam auf ihn merkte, immer abgerichtet werden könne.
Es ist fast überflüssig, noch zu erwähnen, dass Thiere ein ausgezeichnetes
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/109&oldid=- (Version vom 31.7.2018)