Die Mysterien haben großes Aufsehen in der Welt gemacht, und schon drängen sich die Nachahmungen in Masse. Man will den verborgenen Grund, die „unterste Schicht“ der Gesellschaft kennen lernen, und neugierig blickt man sich in den finsteren, grauenvollen Winkeln um. Aber mit welchen Augen schaut man hinein? Mit dem Auge der gesicherten Sittsamkeit, des tugendhaften Schauders. „Welch’ ein Abgrund des Verderbens, welche Greuel, welche Tiefe des Lasters! Herr Gott, wie darf es in deiner Welt so ruchlos zugehen!“ Aber bald erwacht die christliche Liebe und rüstet sich zu allen Werken des Mitleids und der thätigen Hülfe. „Hier muss gerettet, hier muss der List des Satans entgegengearbeitet werden; o gewiss, hier ist viel zu retten, und dem Reiche des Guten manche Seele zu gewinnen.
Nun beginnt die Rührigkeit der Gedanken, und auf tausend Mittel und Wege wird gesonnen, wie dem Uebel abzuhelfen, der grenzenlosen Verderbtheit zu steuern sei. Kerker mit abgesonderten Zellen, Leihhäuser für heruntergekommene Arbeiter, Stifter für gefallene und reuige Mädchen, und unzähliges Andere wird nicht nur vorgeschlagen, sondern auch zugleich unternommen. Es werden auch ganze Wohltätigkeits-Gesellschaften zusammentreten, wie man sie nie zuvor in solcher Ausdehnung gesehen hat und an Aufopferung und Mildthätigkeit wird kein Mangel sein. Rudolph, der Großherzog von Gerolstein, ist von Eugene
Max Stirner: Die Mysterien von Paris aus Max Stirner's Kleinere Schriften und Entgegnungen. , Berlin 1914, Seite 278. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Stirner_Schriften_278.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)