insbesondere in der Geschichte Kyrene’s, der Pflanzstadt von Thera, ihre Erklärung finden. Pindar hat in dem vierten pythischen Gesange, der den Arkesilas von Kyrene, den Nachkommen des Argonauten Euphemos, verherrlicht, die prophetische Bedeutung dieser Erdscholle als eines Pfandes künftigen Besitzes dargelegt, und zwar in Form einer seherischen Verkündigung der Medeia, deren Sprüche sich nachher erfüllt haben. Er sagt (IV. v. 29 u. ff.):
„Jenes Pfand erfüllt sich euch, dass
Mächtigen Städten dereinst
Thera zur Mutterstadt erwählt sei, jenes Pfand,
Das bei des Tritonischen Sees
Ausflusse der Gott in des Menschen Gestalt
Euphemos darbot, der die Scholl’ als Gastgeschenk
Nahm, als er am Bug
Niederstieg. Heilkündend erdröhnte von Zeus
Ueber ihm der Ruf des Donners.“
Triton erbot sich auch, wenn die Argofahrer etwa die Ausmündung des Sees in das Meer suchen sollten, sie ihnen zu zeigen, und Euphemos, der die heilige Scholle empfangen hatte, bat ihn um Auskunft,
„Wo sich die Fahrt hinzieht, nach Pelops Landen zu kommen.
Sprach’s; gleich wies mit der Rechten der Andere ferne bedeutend
Hin auf das Meer und den Ort, wo die Mündung des Sees zu finden.“
(Apollonios. IV. v. 1570.)
Carstens hat diese Hinweisung auf den Weg mit jener Uebergabe der geheimnissvollen Erdscholle verbunden und so die ganze Lage in den einen dargestellten Augenblick zusammengefasst. Auch der heilige Dreifuss des Apollon am Uferrande fehlt nicht.
Tafel 23. Begegnung mit dem Riesen Talos auf Kreta.
Den Weisungen Triton’s folgend, gelangten die Helden nun glücklich vor die Küste von Kreta. Hier wollten sie anlegen, um Wasser einzunehmen, aber der eherne Riese Talos, der von alten Zeiten her dort als schirmender Hüter der Insel hauste, widersetzte sich der Landung, indem er mächtige Steinblöcke gegen die Argo schleuderte. Die Seefahrer trieben darauf vom Lande
„Schleunig das Schiff angstvoll in dem sausenden Schwunge der Ruder.“
Schon wollten sie der Noth weichend von der Insel hinwegsteuern, als Medeia zu ihrer Hülfe sich erhob.
Der Riese Talos war nämlich ein eigenthümliches Wundergeschöpf. Apollonios (IV. v. 1645) beschreibt ihn so:
„Ihm war der Leib und die Glieder des Leibs allsämmtlich gebauet
Fest aus gediegenem Erz; nur barg sich ihm unter der Sehne
Blutvoll, nah’ an dem Knöchel, ein Aederchen; einzig ein dünnes
Häutchen befand sich allda, wo grenzete Sterben an Leben.“
Medeia schleuderte nun, auf hohem Borde stehend, mit Zaubersprüchen furchtbare Verwünschungen gegen den Riesen.
„In der grausen Begeisterung zaubert sie wuthvoll
Tödtende Blick’ auf die Augen des ehernen Talos hinüber,
Fürchterlich drohte sie ihm in Erbitterung; Schreckengebilde
Warf sie ihm vor, zahllos, in des grässlichen Zornes Entflammung.“
(v. 1669–1672.)
Voller Wuth raffte nun Talos hastig Stein um Stein auf, um dieselben nach dem Schiffe zu schleudern, welches jedoch ausser Wurfweite lag. In seinem Eifer
Herman Riegel (Hrsg.): Carstens Werke. Dritter Band: Der Argonautenzug. Alphons Dürr, Leipzig 1884, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Carstens_Werke_3._Band_Argonautenzug.pdf/31&oldid=- (Version vom 14.2.2021)