Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle Romanze XII: Jacopone und Rosarosa | |
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Wäre nicht so fromm sein Wesen;
Doch ihm fehlen Pfeil und Bogen,
Aus zwei jungen Weidensprossen.
Einen Rosenstrauß am Herzen,
Schlummert still sein Lamm am Boden;
Niedersinket auch zur Stelle
Ihr Gesang sich so erhebet:
„Heilge Jungfrau! Mutter Gottes,[1]
Denke, wie du fandst im Tempel
Jesum, den du glaubst verloren,
Mit den Ärzten, Philosophen,
Wie er als ein Kindlein redet
Wunderbare, hohe Worte.
Als er fragt: ‚Ihr Männer, wessen
Alle kecklich zu ihm sprachen:
‚Davids Sohn wird er geboren!’ –
‚Warum dann,’ dein Kind versetzte,
‚Nennt ihn David seinen Obern?
Du sollst mir zur Rechten thronen,
Daß ich dir zu Füßen werfe
Deine Feinde an den Boden!’ –
‚Hast die Bücher du gelesen?’
Und dein Kind sprach: ‚Ja, gelesen
Und auch das, was drin verborgen.’
Anmerkungen des Herausgebers
- ↑ [402] Morris teilt als Quelle, aus welcher Brentano die in Strophe 61 bis 70 erzählte „Legende“ geschöpft, die betreffende Stelle aus dem sog. „Evangelium infantiae“ mit. Brentano hat dieses sicher gekannt und auch, wie aus der folgenden Anmerkung hervorgeht, benutzt; aber was das „Evangelium infantiae“ hier bringt, ist nicht Legende, sondern nur der etwas legendär erweiterte Bericht des Evangelisten Lukas 2, 42–50.
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 174. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_174.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)