So falle dir aus meinem ernsten Kranz
Ein Opfer auf das Grab: die weiße Rose!
Getrennet lebte fern ich von den Meinen[1]
In strenger und unmütterlicher Zucht.
Die Tage in des Lebens Blumenflucht,
Wie kleine Gärten zwischen steilen Mauern,
Die nie ein Sonnenstrahl hat heimgesucht,
Wo kalte Marmorkinder einsam trauern,
Ihr kennet wohl des Knaben einsam Trauern!
Ich fühlte elend mich und tief verwaist.
Du, Schwester, die die trüben Tage teilte,
Du fühltest auch, was fremde Pflege heißt.
Den sah ich dort zuerst, als unerkannt
Er mir das junge Herz begeisternd heilte.
Da schmückt ich mich mit einem blauen Band,
Und fesselt mich mit goldpapiernen Ketten,
Und auf der Brust geweihte Amuletten.
Ein alter Scherbenhügel war mein Thron;
Ich sprach: „Wer will den armen Sklaven retten?“
Fürst, Schäfer war ich, und verlorner Sohn,
Die durch den Himmel überm Haupt mir flohn.
So war ich einst begeistert dort entschlafen.
Schon stiegen die Gestirne aus dem Blau,
Die gütig mich mit ihrem Segen trafen;
Der meine Stirne kühlend schon benetzte;
Anmerkungen des Herausgebers
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_009.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)