Pulver steigt einem ganz sonderbar zu Kopfe. Eigentlich beginnt der Rausch oder das Fieber – das kriegerische Feuer mit einem Wort – schon beim Abmarsch. Zwar ist der Abschied vom Liebchen schwer gefallen – es war das eine Stunde, welche das Herz mit weichem Weh erfüllte – aber wenn man einmal draußen ist, mit den Kameraden, dann heißt es: jetzt wird an die höchste Aufgabe gegangen, welche das Leben an den Mann stellen kann, nämlich das geliebte Vaterland verteidigen … Als dann die Spielleute den Radetzky-Marsch intonierten und die seidenen Falten der Fahnen im Winde flatterten: ich muß gestehen, in diesem Augenblick hätt’ ich nicht umkehren mögen – auch in den Arm der Liebe nicht … Da fühlte ich, daß ich dieser Liebe nur dann würdig wäre, wenn ich da draußen an der Seite der Brüder meine Pflicht gethan … Daß wir zum Siege marschierten, bezweifelten wir nicht. Was wußten wir von den abscheulichen Spitzkugeln? Die allein waren an den Niederlagen schuld – ich sag’ euch, die schlugen in unsere Reihen ein wie Hagel … Und auch schlechte Führung hatten wir – der Benedek, ihr werdet sehen, wird noch vor ein Kriegsgericht gestellt … Attakieren hätten wir sollen … Wenn ich jemals Feldherr würde – meine Taktik wäre: angreifen, immer angreifen, „das Präveniere spielen“, ins feindliche Land einfallen … Das ist ja auch nur eine Art, und zwar die schwerere, der Verteidigung:
Muß es sein – komm zuvor, komm zuvor,
Im rücksichtslosen Angriff liegt der Sieg.“
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/131&oldid=- (Version vom 31.7.2018)