dasselbe Bild: ärger noch. Königinhof war ein Ort, der mit diesen Unglücklichen überfüllt war; es gab im ganzen Ort keinen unbelegten Raum, und nun hatte man die Kranken scharenweise zur Eisenbahn gebracht, wo sie, ganz notdürftig verbunden, überall umherlagen, auf der Erde, auf den Steinen …
Es war eine finstere, mondlose Nacht; der Schauplatz war nur durch drei oder vier an Pfählen befindliche Laternen beleuchtet. Erschöpft und schlaf-, beinahe todesschlafbedürftig, sank ich auf die freie Ecke einer Bank und legte mein Gepäck vor mir auf den Boden.
Ich hatte vorerst nicht den Mut, mich umzusehen, ob unter den vielen Menschen, die hier geschäftig hin und her schossen, auch Doktor Bresser sei. Fast war ich überzeugt, daß ich ihn nicht finden würde. Es gab ja zehn Chancen gegen eine, daß er verhindert worden zu kommen, oder daß er zu einer anderen als zur bezeichneten Stunde hier einträfe; einen regelmäßigen Verkehr gab es ja überhaupt nicht mehr: mein Zug war gewiß viel später eingetroffen, als in der Fahrordnung verzeichnet stand. Ordnung: auch ein Kulturbegriff – mit dem war ja ringsum gleichfalls gebrochen …
Mein Unternehmen erschien mir jetzt als ein wahnwitziges. Dieses vermeintliche Rufen Friedrichs – glaubte ich denn sonst an derlei mystische Dinge? – es entbehrte sicher aller Begründung. Wer weiß – vielleicht war Friedrich auf dem Weg nach Hause – vielleicht auch tot – warum suchte ich ihn hier? Eine
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/077&oldid=- (Version vom 31.7.2018)