z. B. steigt die Zahl der Geburten und so wird der Verlust wieder ersetzt; nach langem Frieden und bei Wohlstande fällt diese Zahl – und so tritt die Übervölkerung – dieses Wahngespenst – überhaupt nicht ein. Das alles aber hat man nicht klar vor Augen; man fühlt nur instinktiv, daß das berühmte Nr. 3 nicht richtig sein kann und keinesfalls vom anderen ehrlich gemeint ist. Da begnügt man sich, das alte Sprichwort anzuführen: „Es ist schon dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen“ und dann – nicht jenes Resultat haben die Machthaber im Auge …
– Zugegeben – aber Nr. 1.
Und so nimmt der Streit kein Ende. Der Kriegerische behält immer recht; sein Räsonnement bewegt sich in einem Kreise, wo man ihm stets nachlaufen, ihn aber nie erreichen kann. Der Krieg ist ein schreckliches Übel, aber er muß sein. – Er muß zwar nicht sein, aber er ist ein hohes Gut. Diesen Mangel an Folgerichtigkeit, an logischer Ehrlichkeit, lassen sich alle jene zu schulden kommen, welche aus uneingestandenen Gründen – oder auch ohne Gründe, bloß instinktiv – eine Sache vertreten und hier alle ihnen je zu Ohren gekommenen Phrasen und Gemeinplätze benutzen, welche zur Verteidigung der betreffenden Sache in Umlauf gesetzt worden sind. Daß diese Argumente von den verschiedensten Standpunkten ausgehen, daß sie daher einander nicht nur nicht unterstützen, sondern mitunter geradezu aufheben, das ist jenen einerlei. Nicht weil diese oder jene Schlüsse dem eigenen Nachdenken
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 1, Seite 287. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/292&oldid=- (Version vom 31.7.2018)