3. Die Menschheit würde sich ohne diese gelegentliche Dezimierung zu stark vermehren.
4. Der dauernde Friede erschlafft, verweichlicht, hat – wie stehendes Sumpfwasser – Fäulnis, nämlich den Verfall der Sitten zur Folge.
5. Zur Bethätigung der Selbstaufopferung, des Heldenmuts, kurz zur Charakterstählung sind Kriege das beste Mittel.
6. Die Menschen werden immer streiten, volle Übereinstimmung in allen Ansprüchen ist unmöglich – verschiedene Interessen müssen stets aneinanderstoßen, folglich ewiger Friede ein Widersinn.
Keiner dieser Sätze, namentlich keins der darin enthaltenen „folglich“ läßt sich stichhaltig behaupten, wenn man ihm zu Leibe rückt. Aber jeder dient dem Verteidiger als Verschanzung, wenn er die anderen fallen lassen mußte. Und während die neue Verschanzung fällt, hat sich die alte wieder aufgerichtet.
Zum Beispiel wenn der Kriegskämpe, in die Enge getrieben, nicht mehr im stande ist, Nr. 4 aufrecht zu erhalten und zugeben muß, daß der Friedenszustand menschenwürdiger, beglückender, kulturfördernder sei als der Krieg, so sagt er:
Nun ja, ein Übel ist der Krieg schon, aber unvermeidlich, denn: Nr. 1 und 2.
Zeigt man nun, daß er vermieden werden könnte, durch Staatenbund, Schiedsgerichte u. s. w., so heißt es:
Nun ja, man könnte wohl, aber soll nicht, denn: Nr. 5.
Jetzt wirft der Friedensanwalt diesen Einwand um und beweist, daß im Gegenteile, der Krieg den Menschen verroht und entmenschlicht –
Nun ja, das schon, aber – Nr. 3.
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 1, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/290&oldid=- (Version vom 31.7.2018)