hatte keinen Urlaub erhalten, und mich von ihm zu trennen, war ein Leidwesen, das ich mir ohne Notwendigkeit nicht auferlegen mochte. Ein zweiter Grund, mich nicht auf längere Zeit zu meinem Vater zu begeben, war der, daß ich meinen kleinen Rudolf nicht gern dem großväterlichen Einfluß überließ, denn dieser war dazu angethan, dem Kinde militärische Neigungen einzuflößen. Die Lust zu diesem Berufe, zu welchem ich meinen Sohn durchaus nicht bestimmen wollte, war ohnehin schon in ihm geweckt. Vermutlich lag’s im Blute. Der Sproß einer langen Reihe von Kriegern muß naturgemäß kriegerische Anlagen zur Welt bringen. In den naturwissenschaftlichen Werken, deren Studium wir jetzt eifriger denn je betrieben, hatte ich von der Macht der Vererbung gelernt, von dem Wesen der sogenannten „angeborenen Anlagen“, welche weiter nichts sind, als der Drang, die von den Ahnen angenommenen Gewohnheiten zu bethätigen.
Zu des Kleinen Geburtstag brachte ihm sein Großvater diesmal richtig wieder einen Säbel.
„Du weißt doch, Vater,“ sagte ich ärgerlich, „daß mein Rudolf durchaus nicht Soldat werden soll; ich muß Dich schon ernstlich bitten –“
„Also ein Muttersöhnchen willst Du aus ihm machen? Das wird Dir hoffentlich nicht gelingen. Gutes Soldatenblut lügt nicht: … Ist der Bursch einmal erwachsen, so wird er seinen Beruf schon selber wählen – und einen schöneren gibt es nicht, als den, welchen Du ihm verbieten willst.“
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 1, Seite 283. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/288&oldid=- (Version vom 31.7.2018)