Ruhmesexpedition betrachtet. Er ging mit Begeisterung, ich blieb ohne Murren. Noch haftete etwas von der Kriegsbewunderung an mir, die ich in meiner Jugenderziehung eingesogen; noch fühlte ich dem Hinausstürmenden etwas von dem Stolze nach, welchen er Angesichts der großen Unternehmung empfand. Aber jetzt wußte ich, daß der Scheidende eher mit Abscheu, denn mit Jubel an die Mordarbeit ging; ich wußte, daß er das Leben liebte, welches er auf’s Spiel setzen mußte; daß ihm über alles – ja, alles, auch über die Rechtsansprüche des Augustenburgers – sein Weib teuer war, sein Weib, das in wenigen Tagen Mutter werden sollte. Während ich bei Arno die Überzeugung gehabt, daß er mit Gefühlen schied, um die er immerhin zu beneiden war, erkannte ich, daß bei dieser zweiten Trennung wir beide gleiches Mitleid verdienten. Ja, wir litten in gleichem Maße und wir sagten und klagten es einander. Keine Heucheleien, keine leeren Trostphrasen, keine Prahlworte. Wir waren ja eins und keines suchte das andere zu betrügen. Es war noch unser bester Trost, daß jedes seine Trostlosigkeit vom andern voll verstanden wußte. Die Größe des über uns hereingebrochenen Unglückes suchten wir durch keine konventionellen, patriotischen und heroischen Mäntelchen und Lärvchen zu verhüllen. Nein – die Aussicht, auf Dänen schießen und hauen zu dürfen, war ihm keine, gar keine Wettmachung des Leides, mich verlassen zu müssen; im Gegenteile – eher eine Verschärfung: denn Töten und Zerstören widert jeden „Edelmenschen“ an. Und mir war es kein, gar kein Ersatz für mein Leid,
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. Dresden/Leipzig: E. Pierson’s Verlag, 1899, Band 1, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/217&oldid=- (Version vom 31.7.2018)