Und von den anderen antworten viele dieses „Gern!“, weil es nach allgemeinen Begriffen als männlich und tapfer erscheint, das aufrichtige „Nicht gern“ aber gar zu leicht als Furcht gedeutet werden könnte.“
„Ach,“ sagte Lilli mit einem kleinen Schauder, „ich würde mich auch fürchten … Das muß ja entsetzlich sein, wenn so von allen Seiten die Kugeln fliegen, wenn jeden Augenblick der Tod droht –“
„So etwas klingt aus Ihrem Mädchenmunde ganz natürlich,“ entgegnete Tilling, „aber wir müssen den Selbsterhaltungstrieb verleugnen … Soldaten müssen auch das Mitleid, den Mitschmerz für den auf Freund und Feind hereinbrechenden Riesenjammer verleugnen, denn nächst der Furcht wird uns jede Sentimentalität, jede Rührseligkeit am meisten verübelt.“
„Nur im Krieg, lieber Tilling,“ sagte mein Vater, „nur im Krieg; im Privatleben haben wir, Gott sei Dank, auch weiche Herzen.“
„Ja, ich weiß: das ist so eine Art Verzauberung. Nach der Kriegserklärung heißt es plötzlich von allen Schrecknissen: „Es gilt nicht“. Kinder lassen manchmal diese Konvention in ihren Spielen walten. „Wenn ich dies oder jenes thue, so gilt es nicht,“ hört man sie sagen. Und im Kriegsspiel herrschen auch solche unausgesprochene Übereinkommen: Totschlag gilt nicht mehr als Totschlag, Raub ist nicht Raub – sondern Requisition, brennende Dörfer stellen keine Brandunglücke, sondern „genommene Positionen“ vor. Von allen Satzungen des Gesetzbuches, des Katechismus, der Sittlichkeit heißt es da – solange die Partie dauert
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. Dresden/Leipzig: E. Pierson’s Verlag, 1899, Band 1, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/151&oldid=- (Version vom 31.7.2018)