schweifen ließ, sah ich von weitem, die Allee in unserer Richtung herabgaloppierend, einen Offizier, in welchem ich sogleich – obschon mein kurzsichtiges Auge ihn nur undeutlich ausnahm – Tilling erkannte. Als er nun in die Nähe kam und, zu uns herübersalutierend, sich mit unserem Wagen kreuzte, da erwiderte ich seinen Gruß nicht nur mit einem Kopfnicken, sondern mit lebhaftem Winken. Im selben Augenblick war ich gewahr, daß ich da etwas Unpassendes und Ungerechtfertigtes gethan.
„Wem hast Du solche Zeichen gemacht?“ fragte meine Schwester Lilli: „War es etwa Papa? … Ah, ich sehe,“ fügte sie hinzu, „da spaziert ja eben der unvermeidliche Konrad – dem galt Deine Handverrenkung?“
Dieses rechtzeitige Erscheinen des „unvermeidlichen Konrad“ kam mir sehr gelegen. Ich war dem treuen Vetter dankbar dafür und bethätigte diese Dankbarkeit sofort:
„Schau, Lilli,“ sagte ich, „er ist doch ein lieber Mensch und gewiß nur wieder Deinetwegen hier – Du solltest Dich seiner erbarmen, Du solltest ihm gut sein … O, wenn Du wüßtest, wie süß es ist, Jemanden lieb zu haben, Du würdest Dein Herz nicht so verschließen. Geh, mach ihn glücklich, den guten Menschen.“
Lilli schaute mich erstaunt an.
„Wenn er mir aber gleichgültig ist, Martha?“
„So liebst Du vielleicht einen anderen?“
Sie schüttelte den Kopf: „Nein, niemand.“
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. Dresden/Leipzig: E. Pierson’s Verlag, 1899, Band 1, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/144&oldid=- (Version vom 31.7.2018)