„Nein, nach Hause – ich bin gestern sehr spät zu Bett gegangen –“
„Und da bist Du schläfrig? Tilling, das ist kein Kompliment für Sie.“
„Nein, nein,“ protestierte ich lächelnd, „den Baron trifft keine Schuld … wir haben uns sehr lebhaft unterhalten.“
Ich verabschiedete mich von meinem Vater und dem Doktor; Tilling bat sich die Erlaubnis aus, mich bis zu meinem Wagen zu geleiten. Er war’s, der mir im Vorzimmer den Mantel umhing und der mir über die Treppe hinab den Arm reichte. Beim Hinuntergehen blieb er einen Moment stehen und fragte mich ernsthaft:
„Nochmals, Gräfin, habe ich Sie etwa erzürnt?“
„Nein – auf Ehre.“
„Dann bin ich beruhigt.“
Indem er mich in den Wagen hob, drückte er fest meine Hand und führte sie an die Lippen.“
„Wann darf ich Ihnen meine Aufwartung machen?“
„An Samstagen bin ich –“
Er verneigte sich und trat zurück.
Ich wollte ihm noch etwas zurufen, aber der Bediente schloß den Wagenschlag.
Ich warf mich in die Ecke zurück und hätte am liebsten geweint – Thränen des Trotzes, wie ein erbostes Kind. Ich war auf mich selber wütend: wie konnte ich nur so kalt, so unhöflich, so beinahe grob mit einem Menschen sein, der mir so warme Sympathie einflößte … Daran war diese Prinzessin schuld –
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. Dresden/Leipzig: E. Pierson’s Verlag, 1899, Band 1, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/116&oldid=- (Version vom 31.7.2018)