„Oh, Jeanne d’Arc – du himmelsbegnadete Heldenjungfrau, könnt’ ich sein wie du! Die Oriflamme schwingen, meinen König krönen und dann sterben – für das Vaterland, das teure.“
Zur Verwirklichung dieser bescheidenen Lebensansprüche bot sich mir keine Gelegenheit. Auch im Cirkus von einem Löwen als christliche Märtyrerin zerrissen zu werden – ein anderer (laut Eintragung vom 19. September 1853) von mir beneideter Beruf – war mir nicht zugänglich, und so hatte ich offenbar unter dem Bewußtsein zu leiden, daß die großen Thaten, nach welchen meine Seele dürstete, ewig ungeschehen bleiben müßten, daß mein Leben – im Grunde genommen – ein verfehltes war. Ach, warum war ich nicht als Knabe zur Welt gekommen! (auch ein in dem roten Heft gegen das Schicksal oft vorgebrachter, fruchtloser Vorwurf) – da hätte ich doch Erhabenes erstreben und leisten können. Vom weiblichen Heldentum bietet die Geschichte nur wenig Beispiele. Wie selten kommen wir dazu, die Gracchen zu Söhnen zu haben, oder unsere Männer zu den Weinsberger Thoren hinauszutragen, oder uns von säbelschwingenden Magyaren zuschreien zu lassen: „Es lebe Maria Theresia, unser König!“ Aber wenn man ein Mann ist, da braucht man ja nur das Schwert umzugürten und hinauszustürzen, um Ruhm und Lorbeer zu erringen – sich einen Thron erobern – wie Cromwell, ein Weltreich – wie Bonaparte! Ich erinnere mich, daß der höchste Begriff menschlicher Größe mir in kriegerischem Heldentum verkörpert schien. Für Gelehrte, Dichter, Länderentdecker
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. Dresden/Leipzig: E. Pierson’s Verlag, 1899, Band 1, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/009&oldid=- (Version vom 31.7.2018)