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Seite:Bemerkungen auf einer Reise an der Nordgrenze von Schwaben.pdf/2

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in Meusels Gelehrten Teutschland. Die jetzigen Zeitläufte lassen die Sekularisirung dieses geistlichen Staats besorgen. Wenigstens ist derselbe eher schon auf der Proskriptionsliste gestanden; indem er im J. 1796 dem Herzoge von Wirtemberg von dem französischen Direktorium, als Entschädigung für die Grafschaft Mömpelgard, zugesichert wurde. Diese Aussicht halten aber die sämmtlichen Bewohner des Landes für nichts weniger, als tröstlich. Eines Theils befürchten sie unter einen protestantischen Landesherrn zu kommen, und das halten sie für ein großes Unglück. Dabey schätzen sie die Vorzüge ihrer bisherigen milden Regierung dankbar, und fürchten, daß sie es sonst nirgends so bekommen werden. In der That ist auch der gute Clemens Wenzeslaus ein wohlmeynender, wohlthätiger Vater seiner Unterthanen, und hat dieß besonders während dieses Kriegs, wo doch seine Kurlande beynahe immer unter dem Joche des Feindes waren, durch die reichlichsten Unterstützungen bewiesen, die er ihnen zufließen ließ.

Von Ellwangen führte mich mein Weg in die kleine Reichsstadt Aalen, welche, von ungefähr 3000 Menschen bewohnt, in einer fruchtbaren Gegend des Kocherthals liegt. Man sieht hier die segensvollen Wirkungen einer vernünftigern Religion, im Gegensatze gegen den Wahn, der aus Unthätigkeit und Armuth ein Verdienst macht, und die Schwingen des Geistes lähmt. Die Einwohner, dieses Städtchens sind sehr betriebsam, thätig, unternehmend, und was eine nothwendige Folge davon ist, wohlhabend. Der Handel mit Baumwolle setzt unter ihnen große Summen in Umlauf; und die Industrie beschäftigt sich vorzüglich mit Verfertigung feiner und grober wollener Zeuge, die meistens in den Rheinlanden und in der Schweiz verkauft werden. Da der Luxus nicht in gleichem Verhältnisse mit dem wachsenden Handelsverkehr gestiegen ist, und die meisten Bürger neben ihren Gewerben auch den Feldbau treiben: so stehen die letztern im Durchschnitte solid, und Aalen hat auf den größern Handelsplätzen Augsburg, Nürnberg, Triest etc. einen sehr guten Nahmen. Man hat hier in vielen Jahren kein Beyspiel eines beträchtlichen Banqueruts erlebt. Der leidige Krieg hat aber auch auf den Wohlstand dieses Städtchens einen sehr verheerenden Einfluß gehabt. Glücklich bey seiner demokratischen Verfassung, regiert von einem Ausschusse seiner eigenen Bürger, und frey im Genusse seiner Unabhängigkeit – befand es sich vor dem Kriege in einem beneidenswürdigen Zustande. Eine lange Sparsamkeit hatte die öffentlichen Kassen gefüllt, es herrschte Friede zwischen dem Magistrate und der Bürgerschaft, die Repräsentanten der letztern wachten eifersüchtig für ihre Rechte, der gesunde Menschenverstand endigte alle Prozesse, die Abgaben waren sehr unbedeutend, manche gute Verordnung, im Geiste der Zeit aufgefaßt, bewieß, daß die Strahlen der Aufklärung auch in dieses einsame Thal gefallen waren, und Handlung und Gewerbe blüthen. Aber mit dem 2ten Aug. 1796 – wo die Stadt von den Franzosen im Sturm erobert wurde – begannen ihre schweren Leiden, und dauern bis auf diesen Augenblick fort. Eine ansehnliche Schuldenlast drückt das gemeine Wesen, die Stadtdomänen sind verkauft, die Gewerbe stocken, der Muth der Bürger ist niedergeschlagen, und die frühere glückliche Zeit ist – auf ewig dahin. Noch einen Verlust höherer Art, der auch weit schwerer wieder gut zu machen ist, hat der Charakter der Inwohner, durch den langen Aufenthalt fremder Kriegsvölker in ihrer Stadt erlitten. Man wurde mit vielen neuen Bedürfnissen bekommt, das Beyspiel von moralischen Leichtsinn steckte an; und besonders waren die Franzosen sehr geschäftig, das weibliche Geschlecht nach ihrer Weise aufzuklären, und nach dem Tone der großen Welt zu bilden. Doch konnte das sittliche Verderben Vergleichungsweise nur geringe Fortschritte in einem Orte machen, in dem zuvor die Moralität noch so fest auf Religion, auf nationelle Begriffe von Ehrbarkeit und Rechtlichkeit, und auf strenge, gegenseitige Beobachtung gegründet war.

Auch hier besorgen die Patrioten eine baldige Umwälzung der bisherigen Ordnung der Dinge, als Resultat der unglücklichen Zeichen unsrer Zeit. Es erregt in ihnen ein sehr schmerzhaftes Gefühl, nun, nachdem sie um