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Seite:AndrejanoffLettischeVolkslieder.pdf/50

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          Ein Zweites.
Schöner Marger, hat ein Hexlein
Dir vielleicht was angethan,
Daß du wie ein faules Dächslein
Dich vergräbst im eignen Wahn?


          Maija.
Laßt ihn, Schwestern, laßt ihn, Brüder,
Kennt ja alle sein Geschick!
Säng’ er, wären’s Trauerlieder,
Tanzt’ er, wär’s ein Trauerreigen,
Viel beredter ist sein Schweigen
Und sein hoffnungsloser Blick.
Graunvoll ist’s, so jung erleiden,
Was den Mann zum Wahnsinn triebe.
Was den Greis erstarren ließe, –
Grauenvoll, seit Kindertagen
Immerdar den Tod vor Augen,
Ja, den Todestag zu haben!


          Ein Mädchen.
Ist’s denn wirklich so? sprich, Schwester!
Was ich nur verworren hörte,
Ist’s kein Märchen, ist’s kein Trug?
Weißt, nicht lang erst weilen Vater,
Mutter hier in dieser Gegend,
Unbekannt noch sind wir; niemand
Sagte Sichres uns darüber.


          Maija.
Still! er darf’s nicht hören. Leise
Will ich dir sein seltnes Schicksal,
Seines Lebens Unheil künden.
     (Sie zieht das Mädchen ganz nach rechts vorn.)
Als, ein frischer derber Junge,
Unser Marger in der Wiege
Lag, trat nachts die Göttin Laima.
Unsres Volkes treue Hütrin,
Schirmerin der Wöchnerinnen
Und der Neugeborenen, Spendrin

Empfohlene Zitierweise:
Victor von Andrejanoff: Lettische Volkslieder und Mythen. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1896, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AndrejanoffLettischeVolkslieder.pdf/50&oldid=- (Version vom 26.12.2019)