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Seite:AndrejanoffLettischeVolkslieder.pdf/35

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Niemand weiß, wann sie geboren,
Aber jeder, daß sie wandern.
Meine Arbeit sieht der größre,
Meinen Schlaf der kleinre Bruder.

Schweige, schweige, Windesmutter!
Rüttle, schüttle nicht die Hausthür!
Mütterchen hält in der Kammer
Ihr gewohntes Mittagsschläfchen.

Aus des Bächleins Wellen stiegen
Lustig auf zwei gelbe Rößlein;
Eines hatte goldnen Sattel,
Goldnes Zaumzeug trug das andre.
Rößlein mit dem goldnen Sattel
Will ich frohgemut besteigen,
Rößlein mit dem goldnen Zaume
Will an meiner Hand ich tummeln!

Vater, Vater, bau ein Schiff mir!
Web dazu ein Segel, Mutter!
Fahren will ich weit ins Weltmeer,
Suchen Nordwinds Töchterlein. –
Fuhr viel Tage, fuhr viel Nächte,
Fand nicht Nordwinds Töchterlein;
Kam zu einem Inselberge,
Wo drei Riesen mahlten Schnee.
„Gott zum Gruß, Schneemahler! Saht ihr
Nicht des Nordwinds Töchterlein?“
„Schönen Dank, Seefahrer! Segle
Nur noch weiter gegen Nord!“ –
Fuhr viel Tage, fuhr viel Nächte,
Fand nicht Nordwinds Töchterlein;
Kam zu einem Inselberge,
Wo drei Riesen schmied’ten Eis.
„Gott zum Gruß, Eisschmiede! Saht ihr
Nicht des Nordwinds Töchterlein?“
„Schönen Dank, Seefahrer! Segle
Nur noch weiter gegen Nord!“

Empfohlene Zitierweise:
Victor von Andrejanoff: Lettische Volkslieder und Mythen. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1896, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AndrejanoffLettischeVolkslieder.pdf/35&oldid=- (Version vom 11.1.2019)