zusammen, sie haben das gleiche Ziel, die Arbeit, die Produktion, denn ohne Produktion, ohne Arbeit kein Leben, keine Kultur, kein Vorwärts und kein Aufwärts. Die selbstverständlichen, weil unter Menschen — eben weil sie Menschen sind — unvermeidlichen Gegensätze sind viel weniger wichtig als das gemeinsame große Interesse von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Diese Gegensätze können und konnten im Wege des Tarifvertrages und der Betriebsorganisation zur beiderseitigen Befriedigung gelöst werden.
Doch diese im Rahmen unserer Betrachtung der ganz großen politischen Kraftlinien nebensächlichen Fragen wollen wir nicht weiter verfolgen und nur nochmals feststellen, daß das Interesse der gesamten Arbeiterschaft ganz genau gleich gerichtet ist mit unserer nationalen Industrie, mit unserer nationalen Volkswirtschaft.
Wer anders lehrt und die Gegensätze zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer als wichtiger in den Vordergrund stellt, der versündigt sich in unverantwortlicher Weise gerade an den Arbeitern, denn er legt damit die Axt an die Wurzeln des Baumes, der die Arbeiterschaft nährt und trägt.
Das aber hat die Sozialdemokratie getan, und damit hat sie ewige Schuld gegenüber der deutschen Arbeiterschaft auf sich geladen, damit hat sie namenloses Elend über unser Volk gebracht, weil sie alle ihre Versprechungen nicht halten kann, weil sie uns den Frieden der Verständigung nicht bringen kann, weil sie uns keine Arbeit schaffen kann, weil sie doch wieder eine bewaffnete Macht aufrichten muß, weil sie ohne das Beamtentum nicht auskommen kann, weil sie die Arbeitspflicht verlangen muß, weil vom allgemeinen gleichen und direkten Wahlrecht für Männer und Frauen über 20 Jahre kein Mensch leben kann, weil ohne die staatliche garantierte Sicherheit von Person und Eigentum chaotische Zustände eintreten müssen, weil ohne Ein- und Unterordnung des Einzelnen in die Gesellschaft kein staatliches Leben möglich ist.
So geht eine tiefe, verzweiflungsvolle Welle der Enttäuschung durch das ganze Volk, wenn sich die Einzelnen auch noch so lange nicht darüber klar sind, so lügen sich sogar Minister, Abgeordnete und Volksbeauftragte gegenseitig lustig weiter vor, man müsse die „Errungenschaften der Revolution“ schützen vor der „Reaktion“; beides Begriffe, über die kein ehrlicher Staatsmann dem Volke klar sagen könnte, was er darunter überhaupt meint.
Die negativen Betätigungen der Revolution, die Absetzung einer
Gottfried Feder: An Alle, Alle! 1. Heft. Huber, München 1919, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:An_Alle,_Alle!_Heft_1,_1919.djvu/58&oldid=- (Version vom 29.10.2017)