Antwort auf Deine Frage wird sich dann bei der Unterhaltung mit den anderen Parteien ergeben.
Und nun, Ihr Genossen der beiden sozialistischen Richtungen, Gemäßigte und Unabhängige!
Ich kann mir nicht denken, daß von Eurer Seite ernstlicher Widerspruch oder Einwände gegen die Brechung der Zinsknechtschaft erfolgt und doch muß ich mich grundsätzlich mit Euch auseinandersetzen, mit der ganzen sozialistischen Gedankenwelt, von Marx angefangen bis auf die derzeitigen Führer Ebert, Scheidemann, Kautzky u. s. f.
- Der sozialistische Wille: Hebung der Arbeiterklasse ist eine unbedingt sieghafte Idee; soweit sind wir einig.
- Die zur Erreichung dieses großen Zieles beschrittenen Wege sind fast durchaus falsch, weil sie
- auf falschen Voraussetzungen aufgebaut sind.
- Die sozialistische Staatsidee führt konsequenterweise zum Kommunismus, also zum Niedergang.
- Weil aber die Sozialdemokratie ein anderes Ziel hat, eine Hebung der Arbeiterklasse, überhaupt des gesamten arbeitenden Volkes, so steht sie jetzt vor einem furchtbaren inneren Zwiespalt, weil die logischen Konsequenzen aus dem Marxismus geradezu zum Gegenteil dessen führen, was das praktische Ziel der Arbeiterbewegung ist.
- Aus dieser inneren Zerrissenheit ergibt sich die öffentliche Unsicherheit in der Führung der Regierung.
- Gegen Spartakus und bolschewistischen Kommunismus muß wegen des großen praktischen Zieles (Hebung der Arbeiterklasse) ein scharfer Strich gezogen werden, und deren Methoden mit aller Macht bekämpft werden. Aber die gewerkschaftlich organisierte Sozialdemokratie fühlt sich heute gegenüber diesen radikalen Gruppen schwach, weil sie marxistische Denkweise als Erziehungsgrundsatz aufgenommen hat, und weil logischerweise alle marxistischen Gedankengänge zum Kommunismus führen.
Nun der Beweis: Punkt 2 sagt, daß die von der Sozialdemokratie beschrittenen Wege fast durchweg falsch sind.
Die ganz allgemein betriebene Verhetzung hat zu einer tiefen Spaltung der Bevölkerung innerhalb der eigenen Nation geführt, die immer wiederholten Beschimpfungen gegen die Arbeitgeber aller Art,
Gottfried Feder: An Alle, Alle! 1. Heft. Huber, München 1919, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:An_Alle,_Alle!_Heft_1,_1919.djvu/56&oldid=- (Version vom 6.10.2017)