Noch nie hat sich eine Idee widerspruchslos durchsetzen können, am wenigsten eine Idee, die so radikal mit den althervorgebrachten Anschauungen von der Heiligkeit und Unantastbarkeit des Zinses bricht. Bei den erhobenen und zu erwartenden Einwendungen ist immer ein Zweifaches zu beobachten: Zuerst ist zu untersuchen: Was ist absichtliche Entstellung des Gedankens der Brechung der Zinsknechtschaft bei den gemachten Einwendungen, und zum Zweiten, was ist auf alle ehrlichen und sachlichen Bedenken zu antworten.
Der häufigste Einwand ist die Behauptung: ohne Zinsgenuß wird niemand sein Geld ausleihen.
Wir wollen ja gar nicht mehr, daß jemand sein Geld herleiht. Kredit war die List, war die Falle, in die unsere Wirtschaft gegangen ist, und in die sie nun hilflos verstrickt ist. — Braucht das Volk wirklich dringend größeres Kapital, so nimmt es zinslos nur gegen Rückzahlung bei der Zentralstaatskasse die benötigten Gelder auf, eventuell gibt es neue Banknoten aus, — warum soll es denn verzinsliche Scheine ausgeben?! — ob verzinsliches oder unverzinsliches Papier, ganz gleich! — dahinter steht einzig und allein die Arbeitskraft, die Steuerkraft des Volkes. Warum von vornherein jede staatliche Aufwendung mit dem Bleigewicht des ewigen Zinses belasten?!!
Ja, aber wie soll der Staat seine Kulturarbeiten der Allgemeinheit gegenüber erfüllen? Er muß doch Geld haben und kann dieser Aufgabe doch nur auf dem Anleihewege gegen Zinsvergütung gerecht werden.
Diese Behauptung beruht auf einem ausschließlich mammonistischen Gedankengang. Sie ist nach gründlicher Lektüre des Manifestes bewußt auf Irreführung berechnet, denn wir haben erstens nachgewiesen, daß alle kulturellen und sozialen Aufgaben des Staates aus den werbenden Staatsbetrieben, aus den Erträgnissen von Post, Eisenbahn,
Gottfried Feder: An Alle, Alle! 1. Heft. Huber, München 1919, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:An_Alle,_Alle!_Heft_1,_1919.djvu/48&oldid=- (Version vom 29.10.2017)