das wir den großen Fragen unserer staatlichen Finanzgebarung entgegenbringen, und doch besteht durchaus kein wesentlicher Unterschied zwischen der Einzelwirtschaft und der Volkswirtschaft.
Die Hauptposten der Staatseinkünfte sind: erstens die Reinerträgnisse der Posten und Eisenbahnen, zweitens die aus Bergwerken, Forstverwaltungen und sonstigen Staatsbetrieben, drittens die Zölle und indirekten Steuern, und viertens die direkten Steuern.
Wie sieht es in Bayern aus? Ich will, um bei derart eminent praktischen Fragen nicht nur theoretische Erörterungen zu pflegen, an Hand des bayerischen Staatshaushaltes[1] des Jahres 1911 die einzelnen Posten nach ihrer Größenordnung kurz erläutern. – Post, Telegraph und Eisenbahnen[2] brachten 120 Millionen, Forsten, Bergwerke usw. rund 40 Millionen, die indirekten Steuern 53 Millionen, die direkten Steuern 60 Millionen. Weitere 67 Millionen flossen aus Stempelabgaben, Gebühren, Erbschaftssteuern, Grundgefällen, Uberweisungen [sic! Überweisungen] seitens des Reiches usw.
Wie steht es nun mit den Ausgaben. Wir finden hier an erster Stelle die Aufwendungen für die Verzinsung der Staatsschuld einschließlich der Eisenbahnanleihen mit 85 Millionen. Für das Königliche Haus 5 Millionen, Justizverwaltung 27 Millionen, innere Verwaltung 40 Millionen, Kirchen und Schulen 51 Millionen, Finanzverwaltung 13 Millionen, Ausgaben für Reichszwecke 50 Millionen, Pensionen 36 Millionen. Diverse Ausgaben 5 Millionen. Ein Einnahmeüberschuß von 27 Millionen glich damals in diesem glücklichen Jahr der bayerischen Finanzen das Jahresbudget ab.
Es interessieren uns im Rahmen unseres Gedankens indes nur die Ausgaben, die durch Brechung der Zinsknechtschaft entfallen können. Hier steht naturgemäß an erster Linie die Aufwendung für Verzinsung der Staatsschuld mit 85 Millionen, dazu der größte Teil unserer Aufwendung für die Finanzverwaltung mit etwa 10 Millionen,
- ↑ Die folgenden Angaben über den bayerischen Staatshaushalt sind in abgerundeten Beträgen dem bayerischen statistischen Jahrbuch vom Jahre 1913 entnommen. Es ist dies das letzte vor dem Krieg erschienene statistische Jahrbuch, das über die bayerischen Finanzen erschöpfende Auskunft gibt. Während des Krieges sind keine neueren Ausgaben erschienen. –
- ↑ Das unaufhörliche Steigen der Lohnsätze und Materialpreise hat dazu geführt, daß das Reinerträgnis der bayerischen Staatseisenbahnen im Jahre 1918 auf 3 Millionen Mark heruntergesunken ist, gegenüber im Mittel 80 Millionen vorangehender Jahre. In Preußen ist nach den Mitteilungen des Finanzministers Simon sogar an Stelle der bisher üblichen Erträgnisse in Höhe von i.M. 700 Millionen Mark ein Defizit von 1.300 000 000 Mark getreten. Wir werden daher weniger denn je an eine sofortige Aufhebung der direkten und indirekten Steuern denken können; wir müssen mehr denn je daran denken, die durch die katastrophale Finanzwirtschaft erwachsenen neuen Schulden durch ganz kräftige Heranziehung der Vermögen, insbesondere der ganz großen Vermögen, sofort abzubauen.
Gottfried Feder: An Alle, Alle! 1. Heft. Huber, München 1919, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:An_Alle,_Alle!_Heft_1,_1919.djvu/27&oldid=- (Version vom 21.5.2017)