alte Kirche, nebst Schule, geistlichen Gebäuden und andern 15 Häusern, am 6. November 1704 des Nachts völlig eingeäschert worden ist.
Das Feuer wurde von dem damaligen Amtsrichter Hänsel Degenkolb, vulgo Raizen Hansel, in der sogenannten „Gasse“ zu Bobenneukirchen wohnhaft, veranlasst, indem derselbe vom Amte Voigtsberg trunken nach Hause gekommen und in diesem Zustande mit einer Schleise in den Stall gegangen sein soll.
Degenkolb musste zum Wiederaufbau der Kirche als Strafe 195 Gulden 11 Groschen ans Kirchenärar bezahlen.
Der Thurm, welcher vor dem Brande auf der Morgenseite der Kirche stand, wurde nach dem Brande auf der Mittagsseite der Kirche angebaut, und zwar nur bis zum Glockenstuhle, und wurde erst im Jahre 1737 vollendet. Er ist 101/2 Elle weit, 105 Ellen hoch und hat zwei Glocken.
Das Pfarrhaus ist in gutem Zustande. Auf dem Pfarrhause befindet sich, ausser einem Stall und Schuppengebäude und Scheune noch die Pachterswohnung mit angebautem Stalle. Dieses Gebäude ist in früheren Zeiten als Brauerei benutzt worden, indem die früheren Pfarrer ihren Tischtrunk selbst zu brauen berechtigt waren. Die Diaconat-Wohnung ist zwar kleiner als die Pfarr-Wohnung, liegt aber sehr freundlich und hat unmittelbar vor den Fenstern nach Morgen ein Gemüsegärtchen, welches dem Inhaber desselben manchen Genuss gewährt.
An die Entstehung dieses Gärtchens knüpft sich folgende Sage:
Das Gärtchen war in frühester Zeit ein abschüssiger wüster Fleck. Ein Diaconus nun fasst den Entschluss, diesen Fleck in ein Gärtchen zu verwandeln, und wendet sich deshalb an die jungen Bursche des Dorfes, welche sogleich zusammentreten, die Arbeit mit vereinter Kraft beginnen und in kurzer Zeit den wüsten Fleck in Gartenland umschaffen.
Nach vollbrachtem Werke soll sie der Diaconus, um sich erkenntlich zu beweisen, mit einem Gerichte Rüben regalirt und ihnen überhaupt ein kleines Fest gegeben haben, und soll daraus die hier gebräuchliche Vor- oder Rübenkirmess, wie sie gewöhnlich genannt wird, entstanden sein. Diese sogenannte Kirmess wird hier acht Wochen vor der eigentlichen Kirchweih gefeiert.
Ausserdem existirt noch eine merkwürdige Sage: Es soll nämlich ein früherer Rittergutsbesitzer von Posseck in Bobenneukirchen selbst sich zum Pfarrer in Bobenneukirchen bestellt haben. Es ist dies aber wohl ein Irrthum. Vielleicht ist derselbe vor seiner Anstellung Besitzer von Posseck gewesen oder es nach seiner Anstellung erst geworden. Anders lässt sich die Sache nicht leicht erklären.
Bobenneukirchen hat beim Einfalle der Franzosen im Herbste 1806 viel gelitten durch Plünderung und Spanndienste, was auf den überdies nicht ganz wohlhabenden Ort lang anhaltend nachwirken musste. Uebrigens sind die hiesigen Einwohner sehr betriebsam und fleissig und auf der andern Seite genügsam und mit Wenigem zufrieden.
Hier in Bobenneukirchen giebt es für das Plauische Weisswaarengeschäft die besten und fleissigsten Stickerinnen, und der Klöppelsack ist dem Nährahmen allenthalben gewichen.
Ausserdem werden hier silberne und messingene Klappen zu musikalischen Blasinstrumenten gefertigt, wenn auch dieser Industriezweig in jüngster Zeit durch die jetzt so misslich gestalteten merkantilischen Verhältnisse Amerikas, wohin sehr bedeutender Instrumentenhandel von Markneukirchen aus getrieben ward, sehr verloren hat.
Ausser mehreren Webermeistern finden sich hier auch zwei Schmiede-, drei Fleischer-, drei Schuhmacher-, drei Schneider-, ein Tischler-, ein Bäcker-, ein Zimmer-, ein Böttcher- und ein Töpfermeister. Die übrigen Einwohner leben vom Landbau.
Im Dorfe selbst sind zwei Wirthshäuser und ein hiesiger Einwohner hat Concession zum Materialhandel erlangt.
An den Bobenneukirchner Bach, welcher durch das Dorf läuft (wie oben schon erwähnt worden), liegen drei Mahl- und eine Schneidemühle mit ausreichendem Wasser.
Der Ort selbst hat in jeder Beziehung das Ansehen eines kleinen Marktfleckens, das derselbe auch der Sage nach früher gewesen sein soll. Dafür spricht zum Theil, dass früher die gewöhnliche Landstrasse von Oelsnitz nach Hof durch hiesigen Ort sich zog und dass der letzre sonst drei Jahrmärkte hatte, den ersten am Dienstag vor Ostern, den zweiten vor Johanni und den dritten vor Martini. Der Sage nach soll der Ort seine Jahrmarktsgerechtigkeit dadurch verloren haben, weil an einem dieser Jahrmärkte unter zwei Schuhmachern zwischen ihren Ständen Streit entstanden sei und der Eine den Andern erschlagen habe.
Vor der neuen Gerichtsorganisation gehörte ein Theil von Bobenneukirchen unter das Voigtsberger Amt, ein anderer Theil unter Possecker, ein dritter Theil unter Pirker, und ein vierter Theil unter Drödaer Jurisdiction.
Jetzt gehört Bobenneukirchen mit seinen 158 Gebäuden und seinen 953 Bewohnern zum Gerichtsamte Oelsnitz und steht sonach unter dem Bezirksgericht zu Plauen, unter der Amtshauptmannschaft des letztern Ortes und unter der Kreisdirection von Zwickau.
Bei der Berechnung von 158 Gebäuden sind natürlich die ausserhalb des Dorfes gelegenen einzelnen Höfe und Häuser, als die sogenannte Zech, das Höfel, das Wiesenhaus, Einsiedel und der Pfaffenberg, das Weidig und der weisse Stein mit eingezählt.
Unerwähnt ist nicht zu lassen, dass um Bobenneukirchen herum auch Eisenstein gefunden wird.
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen V. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1859, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_V.djvu/239&oldid=- (Version vom 7.1.2017)