Vorliebe für gewisse Speisen, Entlehnung von Charakterzügen etc. oder bei stärker hervortretendem Trotz gegenteilige Ausdrucksformen. Festgehaltene Kinderfehler wie Enuresis, Nägelbeissen, Lutschen, Stottern, Augenzwinkern, Masturbation usw., lassen sich regelmässig auf diese trotzige Einstellung zurückführen. Sie sind das Mittel des Schwachen, um das Pathos der Distanz zu verringern, dadurch aber das Gefühl der eigenen Minderwertigkeit aufzuheben, und zielen in letzter Linie auf die Überwindung einer Autorität, gleichzeitig aber auf Gewinnung eines Vorwandes, um der Entscheidung auszuweichen, sie hinauszuschieben.
Alle erheblichen Erscheinungen dieser Art sind selbst schon Charakterzüge oder zeigen sich durchflossen vom neurotischen Charakter, sind wie dieser selbst eine Ausdrucksform der Sicherungstendenz, Vorbereitungen und Bereitschaften der kompensierenden Kraft, die durch das Gefühl der Minderwertigkeit ausgelöst wird.
Alfred Adler: Über den nervösen Charakter. J.F. Bergmann, Wiesbaden 1912, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AdlerNervoes1912.djvu/37&oldid=- (Version vom 31.7.2018)