Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus | |
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Ich weis, daß unsere Gottesgelehrten, die mit Nachdrucke und Gründlichkeit ihre Sätze verfechten, den katholischen Glaubensatz von dem Fegfeuer nicht aus dergleichen historischen Quellen herleiten, noch durch Erscheinungen, oder Gespenstermährchen beweisen. Ich schmeichle mir also, daß der Leser die Anfangs gefaßte Vorurtheile bei Durchgehung dieser Blätter überwinden, und die Ungerechtigkeit seines voreiligen Urtheils erkennen werde. Ich läugne zwar, daß es Gespenster gebe; ich verneine aber nicht, daß Geister erschienen sind. Wie kann man aber Gespenster läugnen, und zugleich Erscheinungen der Geister behaupten? Ich antworte, wie man verneinen kann, daß der Mensch über das Meer gehen, oder durch die Luft in entfernete Länder reisen kann, so kann man auch läugnen, daß Geister auf dieser Welt erscheinen, und sich sichtbarlich zeigen können, ob ich wohl dieses durch ein Wunderwerk zulasse, und die Erscheinungen, wenn sie hierzu die Kräften von der Allkraft GOttes erhalten haben, sowenig zu läugnen gedenke, als ich läugnen kann, daß Menschen durch Wunderwerke über das Meer gehen, oder durch die Luft in andere Länder übersetzt werden können. Sind übrigens, werthester Leser! meine Gedanken hie und da nicht deine Gedanken; so weise mich, wenn du Recht zu haben, dich aus bündigen Gründen überredest, mit Sanftmuth, und einer holden Bescheidenheit auf eine bessere Straße.
Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus, Augsburg 1768, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Abhandlung_des_Daseyns_der_Gespenster.djvu/007&oldid=- (Version vom 31.7.2018)