Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus | |
|
dem aberglaubigen Götzenbild der Vorurtheile noch immer Kränze, und streuen Blumen und Weihrauche davor nieder, da sie die Gespenstergeschichten für Wahrheit ansehen. Ich werde es nicht wagen diese starken Geister von der Höhe ihrer Einbildung herabzubringen. Sie sind ihrer Meinung nach weit über die menschlichen Schwachheiten hinauf gestiegen, und schmeicheln sich tiefere Einsicht als andere Leute zu besitzen. Wurde ich mich erdreisten, ihre Vorurtheile aufzudecken, so weis ich schon zum voraus ihre Gedanken; sie wurden sagen:
Ich werde auch nicht begehren, daß sie den Vorzug ihrer rechthaberischen Weisheit fahren lassen. Noch weniger werde ich durch Lobeserhebungen ihres unsterblichen Nachruhms von ihnen den Beifall erbetteln. Nur bitte ich, sie möchten mich den Saddutzäern b)[1] nicht beizählen, oder unter
- ↑ b) Die Saddutzäer läugneten alle Geister, und glaubten, daß die Seele mit dem Körper zu grund gehe. Diese Sekte hat im 12ten Jahrhunderte Abaalphrag ein Jude in Spanien aufs neue aufwärmen wollen; er fand aber wenig Beifall. Einige wollen wissen, daß es noch heute zu Tage unter den Christen Saddutzäer gebe, da einige Witzlinge behaupten sollen, daß unsere Seele nach dem Tode wie ein Gewölk zerstreuet werde. Sie sagen:
Wie dort ein dick Gewölk, das ihr noch jetzo sehet,
Ein mitternächtiger Sturm zerstreuet und verwehet;
So wird auch unser Geist, der uns beherrscht, vergehen,
So werden wir den Tod, und nach ihm nichts mehr sehen.
Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus, Augsburg 1768, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Abhandlung_des_Daseyns_der_Gespenster.djvu/005&oldid=- (Version vom 12.4.2020)