Zum Inhalt springen

Seite:Über die Verfassung des deutschen Reiches.djvu/63

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Viertes Capitel.
Das Haupt des deutschen Reichs. Kaiser. Kaiserwahl.
§. 1. Das Kaiserthum bei den Karolingern und die Successionsordnung im deutschen Reich.

Obgleich nun das deutsche Reich sich aus so vielen Gliedern zusammensetzt, von denen manche als besondere mächtige Staaten gelten können, hat es doch seit der Zeit Karls des Großen – wenn man von der Zeit der Interregna absieht – immer unter einem Haupte gestanden, dem früher der einfache Titel König, später der stolzere Name Römischer Kaiser (Cäsar) beigelegt wurde. Um dieses einen Hauptes willen betrachten denn auch die meisten Deutschland als einen einheitlichen Staat. Wir werden also demnächst zu untersuchen haben, wie dies Haupt bestellt wird. Dabei wird es von Interesse sein, ein wenig weiter auszuholen, um die Unterschiede zwischen der früheren und der jetzigen Kaiserwahl klarzulegen und zugleich über die Entstehung der kurfürstlichen Würde ins Reine zu kommen.

Zur Zeit Karls des Großen und seiner nächsten Nachfolger muß man sorgfältig zwischen dem römischen Kaiser- und dem fränkischen Königthum unterscheiden. Jenes erwarb Karl unter Zustimmung des römischen Volkes und des Papstes, der als der vornehmste Römer galt und offenbar schon nach der Herrschaft in Rom strebte, und zwar erwarb er diese Würde, wie es scheint, als eine erbliche.[1] Daher hatte die Krönung seiner Nachfolger nicht die Bedeutung einer neuen und freien Wahl, sondern nur die einer feierlichen Weihe, denn wir hören, daß Karl seinen Sohn Ludwig, dieser seinen Sohn Lothar zum Kaiser ernannt hat, ohne daß die Einholung der Zustimmung der Römer oder des Papstes erwähnt wird. Das fränkische Königthum dagegen darf man weder als ein rein erbliches, noch als ein

  1. In dieser Auffassung des Kaiserthums als einer erblichen Würde steht P. vollkommen auf demselben Standpunkt, den auch die heutige Forschung einnimmt. Vgl. z. B. Giesebrecht, Gesch. der deutschen Kaiserzeit I, 145.
Empfohlene Zitierweise:
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/63&oldid=- (Version vom 1.8.2018)