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Schwänke und Streiche aus Westpreussen II

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Textdaten
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Autor: Alexander Treichel
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Titel: Schwänke und Streiche aus Westpreussen II
Untertitel:
aus: Zeitschrift für Volkskunde, 1. Jahrgang, S. 473–476
Herausgeber: Edmund Veckenstedt
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Alfred Dörffel
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Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: Edmund Veckenstedt
Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
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[473]
Schwänke und Streiche aus Westpreussen.
Von
A. Treichel.
1. Die Katze als Kind.

In einem gewissen Dorfe in Westpreussen lebte ein kinderloses Ehepaar, welches sich dringend ein Kind wünschte. Nun geschah es einmal, dass die Frau krank wurde. Darüber freute sich der Mann sehr, weil er glaubte, seine Frau werde niederkommen. Voller Freude eilte er zu den Leuten, welche mit ihm in demselben Hause in einer Stube jenseits des Flures wohnten, und erzählte ihnen, dass jetzt das ersehnte Kind ankommen werde. Die Leute hörten das mit an und stellten sich, als ob sie es glaubten, aber es kam ihnen denn doch die Lust an, dem Manne für seine Einfalt einen Possen zu spielen. Deshalb ging die Frau hinaus und sagte, sie wollte nachsehen, ob das Kind schon da wäre. Allein auf dem Flur nahm sie einen Sack, steckte die Katze hinein, sodass nur der Kopf derselben aus dem Sack hervorsah, dann kehrte sie in die Stube zurück und rief: „Seht, Nachbar, das Kind ist glücklich angekommen.“

Der Mann sah sich den also gestalteten Kopf des Kindes an und meinte ganz erfreut: „Wie mir das Kind doch ähnlich sieht; das ist ja ganz und gar mein Gesicht, das sind meine Wunzen, das ist alles ganz so wie ich es habe.“


2. Die dumme Wirtin.

Ein durchtriebener Bengel, Namens Wuptig, kam eines Tages mit seinem Hunde, Namens Wups, in ein Wirtshaus und erzählte, sein Hund könne keine Kartoffeln fressen. Das wollte die Wirtin nicht glauben. Da schlug ihr der Bengel eine Wette vor und sagte: „Wenn der Hund keine Kartoffeln fressen kann, so gebe ich ein ordentliches Stück Geld; wenn er aber Kartoffeln fressen kann, so erhalte ich ein Quart Schnaps.“

Die Wirtin ging die Wette ein und dem Hunde wurden Kartoffeln vorgesetzt, welche sich derselbe denn auch gutschmecken liess.

Der durchtriebene Bengel erhielt seinen Schnaps und hätte nun auch gern dazu einen guten Imbiss gehabt. Deshalb legte er ein Geldstück auf den Tisch und sagte der Wirtin, dieselbe solle ihm dafür Schinken geben.

Die Wirtin war dazu bereit und meinte, ein Pfund könne sie ihm für das Geld wohl geben, aber mehr nicht; sie wolle nur erst das Pfundstück holen und dann abwiegen. Aber der durchtriebene Bengel meinte, das sei [474] gar nicht nötig; seine Hand sei gerade ein Pfund schwer; er wolle dieselbe statt des Gewichtes auf die Wage legen. Die Wirtin war damit einverstanden. Als sie nun aber nach der Schwere der Hand ein Pfund abwiegen wollte, drückte der Bengel mit der Hand so stark zu, dass er ein Stück Schinken bekam, welches sicher einige Pfund schwer war. So hatte die dumme Wirtin erst den Hund für umsonst gefüttert, dann ebenso Schnaps gegeben und endlich für ein geringes Geld einige Pfund Schinken verkauft.


3. Der dwatsche Hans.

Es war einmal ein Bauer, bei dem kein Knecht längere Zeit auszuhalten pflegte; das aber ging so zu: bei dem Vermieten machte der Bauer aus, wenn sich der Knecht in seinem Dienst ärgern würde, so durfte er demselben Nase und Ohren abschneiden; wenn er, der Bauer, sich aber über den Knecht ärgern würde, so durfte der Knecht dem Bauer Nase und Ohren abschneiden, erhielt aber ausserdem noch eine Tonne mit Gold. Als Frist für diese Abrechnung war der Marientag angesetzt, wenn an demselben der Kuckuck schrie.

Die Tonne Goldes hatte gar manchen Knecht angelockt, aber es war keinem gelungen, dieselbe zu erdienen; wohl aber wurde einer nach dem andern, welcher unter jenen Bedingungen in den Dienst getreten war, mit abgeschnittener Nase und weggeschnittenen Ohren heimgeschickt, dieweil sie sich gar bald geärgert hatten.

Nun aber geschah es eines Tages, dass zu dem Bauer so ein dwatscher Hans kam, welcher sich die Bedingungen sagen liess und sich dann bereit erklärte, in den Dienst zu treten, unter den bekannten Bedingungen.

Am ersten Tage seines Dienstes befahl ihm der Bauer, mit vier Ochsen auf das Feld zu ziehen zum Pflügen. Der Bauer hatte einen kleinen Hund, welcher den Namen Petersilie führte. Nach diesem Hunde, welchen der Bauer Hans mit auf das Feld nehmen hiess, sollte sich dieser beim Pflügen richten, und zwar in der Weise, dass er dem Hunde immer nachpflügte, wohin dieser sich wenden würde; wenn es Mittag sei, hatte der Bauer gesagt, werde der Hund schon von selbst nach Hause laufen, Hans solle ihm dann nur folgen.

Als nun Knecht und Hund auf dem Felde angelangt waren, machte sich Hans daran, dem Hunde alle Furchen nachzuziehen, wohin sich dieser auch wandte, kreuz und quer, bis er diese Art von Arbeit endlich satt hatte. Er hieb also dem Köter mit der Ochsenpeitsche eins tüchtig über, so dass dieser geradewegs nach Hause lief. Hans folgte dem Hunde mit seinen Ochsen, so rasch es nur gehen wollte.

Um das Gehöft des Bauers war ein Zaun, und als nun der Hund an denselben kam, suchte er erst nicht lange nach dem Eingang, sondern sprang über den Zaun in das Gehöft hinein. „Ei“, dachte der dwatsche Hans, „da musst Du mit Deinen Ochsen folgen.“ Da nun aber die Ochsen nicht über den Zaun steigen konnten, so schlug er dieselben einfach tot, dann warf er sie über den Zaun – denn der dwatsche Hans war von [475] ungeheurer Stärke –, darauf den Pflug, dann stieg er selbst über und kam zu dem Bauer in die Stube.

„Na, Hans“, fragte ihn dieser, „hast Du tüchtig gepflügt? Wo sind die Ochsen? Hast Du sie in den Stall gebracht?“ „Ja“, sagte der Hans, „das ist solche Geschichte. Als Petersilie nach Hause lief, bin ich ihm mit den Ochsen gefolgt. Der Hund sprang über den Zaun, die Ochsen konnten das nicht, da habe ich sie totgeschlagen und über den Zaun geworfen. Das ärgert Euch doch nicht?“

„I bewahre“, antwortete der Bauer, „was soll mich das wohl ärgern?“

Ein andermal hiess der Bauer unsern Hans zwölf Schweine in die Stadt auf den Markt treiben und dort verkaufen. Hans aber schnitt unterwegs den Schweinen den Schwanz ab, dann verkaufte er sie möglichst gut auf dem Markte und steckte das Geld ein. Auf dem Heimwege musste er an einer Torfkaule vorbei. Da steckte er die sämtlichen zwölf Schweineschwänze hinein, dann ging er nach Hause.

Als er in die Stube trat, war das erste Wort des Bauers an ihn: „Na, Hans, hast Du die Schweine gut verkauft? Wo hast Du das Geld?“ „I“, sagte Hans, „Geld habe ich überhaupt nicht; die Schweine sind mir davongelaufen, immer in die Torfkaule hinein; da sind sie drin stecken geblieben und gucken nur noch mit den Schwänzen heraus. Ich habe immerzu an den Schwänzen gezogen, kriege die Schweine aber nicht mehr aus dem Torfe heraus.“

Der Bauer machte sich sogleich auf nach der Torfkaule mit Hans, und als er die zwölf Schwänze aus dem Torfmoore hervorragen sah, hielt er die Geschichte für wahr und glaubte, es sei nichts zu machen.

„Vater, Ihr ärgert Euch doch nicht?“ fragte Hans den Bauer. „I, wo sollte ich mich wohl darüber ärgern!?“ antwortete der Bauer. Aber er ärgerte sich doch im stillen.

Der folgende Tag war ein Sonntag. Der Bauer und die Bäuerin wollten in die Kirche gehen. Da sagte der Bauer zu Hans: „Wenn wir gegangen sind, so kannst Du alles besorgen. Geh in den Stall und hole Dir dort dasjenige Schaf heraus, welches Dich zuerst anglotzt. Dann schlachtest Du das Schaf, holst Petersilie und machst damit das Schaffleisch zurecht, damit wir ein ordentliches Mittagsessen haben. Wenn Du das Essen angesetzt hast, machst Du das Kind rein. Was Du nicht angesetzt hast, hängst Du über den Zaun.“

„Na gut“, sagte Hans, „das wollen wir schon machen.“

Sobald nun der Bauer mit seiner Frau in der Kirche war, ging Hans in den Stall, in welchem sich die Schafe befanden. Als er zur Thüre hineinkam, glotzten ihn alle Schafe im Stalle an, mit Ausnahme eines alten Jahlings, welcher sich kaum noch auf den Beinen zu halten vermochte. Alsobald machte sich Hans über die Schafe her und schlachtete eins nach dem andern, mit Ausnahme jenes alten Tieres. Darauf holte er den Hund Petersilie, tötete auch den und that ihn an das Schaffleisch. Darauf ging er nach dem Kinde und als ihn dieses gross ansah, tötete er dasselbe gleichfalls, nachdem er mit ihm zu einem Bruch gegangen war; darauf machte er es rein, dann hing er die Leiche über den Zaun.

[476] Als die Bauersleute aus der Kirche kamen und das alles sahen, ärgerten sie sich furchtbar; aber sie liessen sich davon nichts merken, sondern sagten sogar das Gegenteil.

Nun berieten der Bauer und seine Frau aber doch, wie sie den Knecht los würden, obschon der Kuckuck noch nicht gerufen hatte. Deshalb beschloss die Frau, eine List zu ersinnen. Nachdem sie damit fertig war, zog sie ihre Kleidung aus, darauf beschmierte sie sich mit Teer, dann wälzte sie sich in Federn herum, sodass sie aussah wie ein Vogel. Darauf kletterte sie auf einen Baum, nistelte sich in die grünen Zweige ein und rief einmal über das andere: „Kuckuck, Kuckuck!“

Da sagte der Bauer zu dem Knecht: „Horch, der Kuckuck ruft, der Marientag ist da, Deine Zeit ist um, Du kannst gehen.“ „I na nu“, antwortete aber Hans, „so früh im Jahre schreit doch kein Kuckuck. Erst muss ich einmal sehen, was das für ein Vogel ist; ich werde nach ihm schiessen und sehen, dass ich ihn treffe.“

Der Bauer suchte ihm das Vorhaben zwar auszureden, allein vergebens. Hans holte sich eine Flinte, zielte und schoss nach dem vermeintlichen Vogel. Da fiel die Bäuerin tot vom Baume zur Erde nieder.

Als Hans sah, was er angerichtet hatte, fragte er den Bauer: „Na, Vater, ärgert Euch das?“

Das war dem Bauer denn aber doch zuviel; voll Wut schrie er ihn an: „Das muss ja den Teufel ärgern und soll mich nicht mal ärgern?“

Kaum hatte der Bauer das gesagt, so schnitt ihm der Knecht Nase und Ohren ab, liess sich ein Tönnchen mit Gold geben, sodass er nun ein steinreicher Mann wurde – und wenn er nicht gestorben ist, so lebt er noch heute.

Anmerkungen (Wikisource)

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Die Schwänke sind auch als Einzeltexte verfügbar unter:

  1. Die Katze als Kind
  2. Die dumme Wirtin
  3. Der dwatsche Hans