Schreiben aus dem Hohenlohischen im März 1791
Bereits im vorigen Jahre erhielt ich aus einer, ich darf sagen, elenden Auction in der Nachbarschaft (denn man wendete nicht einmahl die Druckerkosten auf den Katalog) ohne mein Verlangen einen geschriebenen ziemlich starken Quartanten als Anhang. Der Inhalt bestand aus Abschriften:
1) von ausgesuchten Rescripten des Bayreutischen Ministeriums an das Consistorium;
2) dergleichen von diesem an die Superintenduren dieses Fürstenthums;
3) von Circularen einiger Superintendenten an ihre subordinirten Geistlichen,
| sämmtlich von denen Jahren 1740–70. das ist größtentheils aus der Regierungszeit des Markgrafen Friedrich 5. Den unbegreiflichen Unwehrt dieser schätzbaren Sammlung bestimmte wohl vorzüglich die äussere Signatur Nr. IV. als welche sie bey den gewöhnlichen Käufern zu einem unbrauchbaren Defecte erklärte. Genug, ich war mit meinem wohlfeilen Anhange sehr zufrieden, verlangte gar nicht zu wissen, ob die 3 vorhergehenden Bände von ähnlichem oder verschiedenem Inhalte waren, (denn sie können eben so leicht Regierung, Kammer und Landschaft aus derselben Zeit, als das Consistorium unter den vorhergehenden Regierungen betroffen haben) und legte ihn zur baldigen Durchsehung bey Seite. Allein diese erfolgte, bey nothwendigern Beschäfftigungen, erst zu Anfang dieses Monats. Und da ich unmittelbar darauf des II Bds. 2tes Heft von Ihrem Journale erhielt; so konnte es wohl nicht anders seyn, als daß mich der Inhalt der obengedachten 3ten Numer der Miscell. angenehm überraschen mußte, weil ich eben vieles gelesen hatte, das vor beynahe 40 Jahren in eben derselben Angelegenheit war verhandelt worden. Was mich aber um diese Zeit noch weit mehr und angenehmer überraschte, das war der Besuch| meines besten akademischen Freundes N. aus dem Bayreutischen, der mir zu Liebe einen Umweg von 4 Meilen nahm und mich in den 48 Stunden, die er meiner Freundschaft opferte, mit der neuesten Verfassung in Bayreut bekannt macht. Und damit kein anderer vor mir die Bemerkung mache, so thue ichs selbst und bekenne aufrichtig, daß mir der kurze mündliche Unterricht meines Freundes ungleich mehr reellen Stoff zu meinem Commentar verschafft hat, als mein weitläuftiges Manuscript. Doch nun zu meinen Belegen. Um diese in einiger Ordnung zu produciren und das Urtheil darüber zu erleichtern, muß ich aus der oft erwähnten 3ten Numer, so kurz sie schon ist, einige noch kürzere Abtheilungen machen.
„An alle Geistlichen des Fürstenthums Bayreut sind auf höchsten Befehl gedruckte Tabellen geschickt worden, in welchen sie anzeigen sollen: Wie hoch sich ihre Einnahme belaufe? Worin sie bestehe? Mit welchen Unkosten Felder und dergleichen bestritten werden müssen? Was jeder etwan auf seiner Stelle sonst abzugeben habe? –
| Zu einem in der Hauptsache gleichen Befehle hatte der im Jahre 1753. erfolgte und bereits S. 120. des II. Bandes Ihres Journals erwähnte unglückliche Schloßbrand zu Bayreut die Gelegenheit gegeben, wobey eine Kopfsteuer nach der Proportion der Diensterträge die Absicht war. Das Consistorialrescript, durch welches die Superintendenten des Fürstenthum Bayreut hievon benachrichtigt wurden, war folgenden Inhalts:
Unsere freundliche Dienste zuvor,
Wohlwürdig und hochgelehrter,
besonders lieber Herr und Freund!
Des Hochfürstl. Consistorii und Ehe-Gerichts
verordnete Präsident und Räthe.
- Hochwohlehrwürdiger, Wohlehrwürdige, Hochwohlgelehrte und Wohlgelehrte, Vielgelehrte Herren Senior, Pastores, Diaconi und Adjuncte, Sonders wehrtgeschätzteste Herren Confratres und Capitulares!
1 | Mäßlein | Waitz | zu | 48 | Kreuzer | Fränkisch |
1 | – | Korn | – | 36 | – | – |
1 | – | Gerste | – | 27 | – | – |
1 | – | Haber | – | 15 | – | – |
1 | – | Erbsen u. Linsen | – | 36 | – | – |
1 | – | Wicken | – | 30 | – | – |
[1]anschlagen werden. Wo hingegen das Mäßlein differirt, z. E. Holfelder, Ebermannstädter u. d. g. da wird ein jeder nach dieser Proportion den Ausschlag leicht zu machen wissen.
Das Brennholz muß gleichfalls ein jeder nach Beschaffenheit seines Orts und Lage, wie es von der Herrschaft verlassen und verkauft wird, und nach Abzug des Hauer- und Fuhrlohns in und von dem Wald, bis es zur Stelle gebracht wird, selbst gewissenhaft anschlagen, weil solches nach Beschaffenheit des Orts und der Lage sehr von einander unterschieden ist. Der Zehnden ist bekannter Massen nach den Jahren gleichfalls sehr unterschieden und kein anders Mittel übrig, als daß ein jeder von einem 10 jährigen Zusammentrag das Mittel herausnehme und den Anschlag nach den Körnern mache. Das Geströh hingegen wird für die Zehendner, Zehendfuhren und Drescherlohnskosten gerechnet und nicht in Anschlag gebracht: Gleichwie auch das Getraid,so ein jeder auf seinen Feldern einsammlet, dann der lebendige Zehnden nach dem Mittel eines 10. jährigen Zusammentrags von Körnern und Geld anzuschlagen ist.
Die Wiesen aber nach dem Werth, wie jedes Orts das Tagwerk nach seiner Beschaffenheit und Lage pflegt um einen jährlichen Bestandzins verlassen zu werden, welches mir das kürzeste Auskunftmittel zu seyn scheint. Doch schreib ich keinem Hrn. Capitulari. Schul- und Kirchendiener positive Gesetze vor, sondern lasse einem jeden sein bestes Wissen und Gewissen sein Gesetzbuch seyn; und wer diesem folget, wird lieber mehr, als weniger thun: wohin auch die Schulbedienten und Kirchner ratione der Läut-Laibe und Garben anzuweisen sind. Die Specification selbst ist dergestalt zu verfertigen, daß allemal der Wehrt der Einkünfte zu Geld angeschlagen und nach dem Rechnungsstyl in der Designation zur Seiten hinaus und ordentlich unter einander geschrieben werde, damit sich die Geldsumma distinguire. Am Ende aber wird der Calculus gezogen und die ganze Summa deutlich exprimirt. Die Dienstboten, dann die sich etwan jedes Orts befindenden Candidati Theologiae werden am Ende nach ihrer Zahl angemerkt. Ein jeder treuer Diener aber wird für seinen theuersten Landesfürsten so viel Devotion an den Tag legen, daß er sich willig finden lasse, bey diesen betrübten Umständen, auch das Seinige beyzutragen. Gott aber wende größere Noth und Elend von uns und dem armen seufzenden Lande in Gnaden ab. Dessen Erbarmung und Obhut Dieselben empfehle und verharre etc.
Diesen theils gnädigen, theils in ernstlichen terminis abgefaßten Befehl communicirte das Consistorium sofort an sämmtliche Superintendenten und zwar unter beygefügter Erinnerung, „die auf ihren anvertrauten Superintenduren fallende Ratas, nach den in Extract beygelegenen Ausschlägen, jedesmahl zu gesetzter Zeit ohnfehlbar und ohne Erwartung weiterer mißliebigster Verordnung gegen Quittung einzubringen, und wienach dieses Einbringen zur gnädigst constituirten General-Einnahme geschehen, allezeit zu des Consistorii Legitimation und Wissenschaft sofort ohnnachlässig einzuberichten.“
Auch die Superintendenten unterließen nicht, sowohl den fürstl. Befehl, als das Consistorialrescript an ihre subordinirten Geistlichen zu communiciren.
Aber weder die einen, noch die andern konnten nunmehr ihre Unzufriedenheit bergen.| Den meisten war wohl der[2] Anschlag zu hoch. Auch war es ihnen lästig, daß nicht der erste März oder Februar zum terminus a quo der Kopfsteuer bestimmt wurde, sondern der 1ste Januar. Denn als sie endlich das 1ste Quartal abgetragen hatten, so war schon wieder das 2te zu entrichten.Dazu kam noch, daß wider alles Erwarten gleich von Execution geredet ward, eine Sprache, an die in den damahligen unaufgeklärten Zeiten der geistliche Stand gar nicht gewohnt war. Den meisten Lärm machten unterdessen die Superintendenten, aber nicht über den ihnen abgeforderten Beytrag, sondern darüber, daß man sie zu Cassirern dieser Steuer ernennet hatte.
„Keines von diesen 3 letztern (Beylagen die Capitation betreffend) schreibt ein Superintendent an seine Geistlichen, wird| Ihnen angenehm seyn. Mir auch nicht. Wir sind, wie alle Menschen, der Obrigkeit unterthan. Mir ist so zu Muthe, als ob diese Sache von keiner langen Dauer seyn werde: doch ich kann irren. Die Last, welche dabey auf mich und andere Superintendenten fällt, daß wir nun auch Cassirer seyn sollen und müssen, ist mir fürchterlich. Wo will am Ende ein wohlgeplagter Superintendens noch Zeit genug hernehmen, um das obtrudirte Einnehmeramt mit den vielen Collecturen und dieser betrübten Kopfsteuer bestreiten zu können.“In diesen bedrängten Umständen blieb dem Bayreutischen Zion nichts übrig, als mit vereinigten Kräften um baldigste Aufhebung der verhaßten Kopfsteuer zu flehen. Und wer hätte es so bald vermuthet? es half!
Denn schon unterm 31sten Jan. 1754 ertheilte das Consistorium den Superintendenten diese freudige und erwünschte Nachricht; und in so fern half es also, wenn man will, wenigstens den Superintendenten, welchen die Einnehmers-Last der geistlichen Kopfsteuer gänzlich abgenommen wurde. Allein, wenn man will, so half es auch nicht, oder die Sache wurde| vielleicht noch weit schlimmer. Denn eben dasselbe Rescript, welches die nur gedachte erfreuliche Nachricht brachte, kündigte zugleich die Hiobspost an, daß statt der Kopfsteuer die geistliche Dienerschaft pro futuro (so wie die weltliche) die bisher genossene Bier-Ungeldsbefreyung entbehren, und noch ausserdem das bisherige Ungeld auf jede Maas Bier mit einem Pfenning erhöhet seyn solle. Doch dieß Rescript ist zu wichtig, als daß ich es nicht in Abschrift vorlegen sollte. Hier ist es:
Bey dieser getroffenen Veränderung, welche dem Fürsten zur Ehre gereichet, ist vor allen Dingen die Absicht zu bemerken, 1) „sie soll den getreuen Dienern und Unterthanen die Last des Schloßbaues erleichtern;“ sodann die ausdrückliche fürstliche Erklärung:
2) „die resp. Erhöhung des Ungelds und Entziehung der bisher genossenen Befreyung davon soll nur ein etwelches Surrogat für die Brandkopfsteuer seyn.“
Es fehlte zwar nicht an Männern, die bey dieser Veränderung litten, als welches besonders die fürstlichen Beamten trifft. Denn da diese gar geringe Substantialbesoldungen genießen; so mußte mancher, der vorher 10–15 fl. Kopfsteuer zu bezahlen hatte, nun jährlich 20, 30, ja wohl 40 fl. Bier- und Weinungeld erlegen. Wenn also gleich derjenige Theil der fürstlichen Dienerschaft, welcher mehr Substantialbesoldungen, als Accidenzen bezieht, durch die Abänderung erleichtert wurde; so wurde der andere dafür desto empfindlicher beschweret. Bey einem großen Theil derselben betrug Kopfsteuer und Bierungeld eine gleiche| Summe. Allein kein Diener erlaubte sich ein lautes Murren, und noch weniger eine Vorstellung dagegen. Nur das fiel ihnen und andern Leuten von Einsicht aufs Herz, daß bey dieser neuen Abgabe nicht so, wie bey der Kopfsteuer, die fürstliche Versicherung ertheilet ward, daß sie nur kurze Zeit, nur bis zur Vollendung des neuen Schloßbaues dauern solle. Freylich sagt eine alte juristische Regel: Surrogatum sapit naturam ejus, cui surrogatur. Aber just darum war sie vielleicht nicht nach dem Geschmack des damahligen Cabinets, wie denn ohnehin einer unsrer größten Teutschen Rechtsgelehrten vom Abfall dieser Regel geschrieben haben soll. Genug, die Besorgniß wegen der längern Dauer der neuen Contribution bestättigte sich nicht nur; sondern dieses Surrogat der Kopfsteuer zum Schloßbau soll, wie mein Freund aufs positiveste versichert, (denn jedem andern würde ich diese unglaubliche Behauptung ins Angesicht widersprochen haben) nun unter der dritten Regierung, nach fast 40 Jahren, da das Schloß wieder baufällig wird, wenigstens seit 20 Jahren leer stehet und in so fern dem Fürsten und Lande zur Last ist, nicht nur von Bürgern und Bauern, sondern auch von der geistlichen Dienerschaft, und zwar in der| erhöhten Art, fortgezahlet werden. Wie gesagt, die Sache wäre unglaublich, wenn sie nicht wirklich wäre. Aber ich verbitte alle Mißdeutung! Als der beste Ausleger meiner Worte und Intention erkläre ich für mich und meinen Freund, daß es Blödsinn seyn würde, es dem weisen Regenten dieses Landes zur Last legen zu wollen. Es ist tausend gegen eins zu wetten, daß dieser gute Fürst nichts von dieser Entziehung einer alten, wohlhergebrachten und an Besoldungs Statt genossenen Befreyung weiß. Und wie sollte er es, da sie fast schon vor 40 Jahren geschehen ist? Ja hundert gegen eins wette selbst ich, der ich Alexandern nur in der Entfernung verehre, der ich nie das Glück gehabt, Ihn zu sehen, aber gleichwohl Ihn als einen höchst wohlthätigen Landesvater kenne, ich wette, sage ich, daß, wenn Ihm je diese Sache vorgestellt würde, die Dienerschaft auf der Stelle ihr altes Beneficium der Ungeldsbefreyung wieder erhalten würde. Und damit niemand diese meine Behauptung für ein fades Compliment halte, so belege ich sie mit unwiderleglichen Gründen:1) Alexander liebt und schätzt einen treuen Diener.
| 2) Cammer und Landschaft zu Bayreut, und ich darf sagen auch die Unterthanen, sind in so guten Umständen, daß die Wittwen, Waisen und Capitalisten bey der heutigen kostbaren Lebenssart wegen der Heimzahlung oder geringen Verzinsung der Capitalien anfangen zu leiden, besonders weil man sie nicht wieder sicher unterzubringen weiß.3) Die Unterthanen des Bayreuter Fürstenthums haben unter der jetzigen löblichen Regierung solche Remisse erhalten, welche allein jenen Wohlstand bewirkten.
4) Ich habe es aus dem Munde eines angesehenen Mannes zu Bayreut, zu welchem der Markgraf bey Seiner Anwesenheit daselbst (vor ungefähr 12 Jahren) mit ausdrücklichen Worten sagte: daß, wenn nur erst die lästigsten Schulden weggezahlet wären, er sodann seine treue Dienerschaft in gute Umstände setzen wolle. Nun ist jenes geschehen, der Unterthan, der sich ohnehin durch theurere Preise seiner Producte erhohlet, ist erleichtert, andere weise Regenten haben ihren Dienern auch schon Zulagen gemacht: also schließe ich, Alexander würde| dieß vor andern gethan haben, wenn ihm die Sache gehörig wäre vorgetragen worden. Diejenigen also, deren Sache dieses ist und es nicht thun, haben es zu verantworten: denn sie verkennen ihren wirklich edeldenkenden Fürsten und die Dienerschaft leidet durch ihre Schuld. –Nach dieser Digression kehre ich zur Hauptsache zurück. Also im Jahr 1753 wurden zu Bayreut die Diensterträge zur Regulirung der Kopfsteuer zum Behuf des neu zu erbauenden Residenzschlosses abgefordet, jedoch nur in Ansehung der Substantialbesoldungen. Allein schon unterm 8ten May des folgenden Jahrs rescribirte das Consistorium:
Ausserdem sollen (nach der Versicherung meines Freundes) auch vor 10 bis 11 Jahren zu Herstellung eines Wittwenfonds die Diensterträge aufs neue eingeschickt worden, die Sache aber nicht zum Vollzug gebracht worden seyn.
Folglich wurden im Bayreutischen Fürstenthum in nicht vollen 40 Jahren die Diensterträge viermahl eingeschickt. Da nun bey deren in diesem Jahr erfolgten Abforderung die bewegende Ursache, so wie im Jahre 1754, nicht angegeben worden ist; so wird dadurch ein weites Feld zu Vermuthungen eröffnet.
- ↑ Alle vorstehende Getraidsorten gelten jetzt NB. auch nur nach dem Mittelpreis gerechnet wenigstens das Doppelte: und doch war in vielen Jahren kein Mißwachs im Bayreutischen.
- ↑ Den Maaßstab dazu finde ich nirgends angegeben. Ich vermuthe aber, daß er wenigstens 5 vom 100 gewesen seyn müsse, weil die geringsten Caplaneyen und Schuldienste (und bey diesen beträgt die Substantialbesoldung das wenigste) 8, 10 bis 12 fl. mittelmäßige Pfarreyen 20, 30 bis 40 fl. die guten 50 bis 60 fl., folglich die Superintendenten und Constitorialräthe wahrscheinlich noch mehr contribuiren mußten.