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Schloss Laxenburg bei Wien

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CCCCXXXVIII. Der Lago d’Averno bei Neapel Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zehnter Band (1843) von Joseph Meyer
CCCCXXXIX. Schloss Laxenburg bei Wien
CCCCXXXX. Schloss Friedrichsburg bei Kopenhagen
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LAXENBURG

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CCCCXXXIX. Schloss Laxenburg bei Wien.




Paris hat sein Versailles, London sein Richmond und Greenwich, Berlin sein Potsdam; Wien aber hat mehr als alle diese Städte, denn in einem Umkreise von wenigen Stunden besitzt es die schönsten Szenerien, von den lieblichsten an bis zu jenen, die durch ihre Wildheit und Romantik Auge und Seele fesseln. Wien liegt gleichsam im Mittelpunkte des großartigsten Parks, und jeder Ausflug von diesem Mittelpunkte führt zur Entdeckung neuer Schönheiten und Reize.

Ein Ausflug nach Laxenburg füllt einen Tag auf das Angenehmste aus. Das Schloß ist der gewöhnliche Aufenthalt des Kaisers in der schönsten Jahreszeit. Es liegt 3 Stunden von der Hauptstadt entfernt und ist durch Alleen mit dem nahen, noch größern Lustschlosse Schönbrunn verbunden. Schon 1377 bewohnte Herzog Albert hier eine Burg, von welcher der Rittersaal und einige Gemächer erhalten sind. Der Hauptbau des jetzigen Schlosses wurde um das Jahr 1600 aufgeführt und jeder Fürst der spätern Zeiten schmückte daran, oder verschönerte und erweiterte die Parkanlagen, welche, über eine Quadratstunde groß, Berg und Thal bedecken. Die reizendste Zuthat ward ihm aber von dem verstorbenen Kaiser in seiner Franzensburg, die er auf einer Insel inmitten einer krystallhellen Wasserfläche, sich erbauen ließ.

Von allen Nachahmungen der Burgen des Mittelalters, welche in unserer Zeit versucht worden sind, ist Laxenburg ohne Widerrede die gelungenste. Mittelst eines kleinen Kahns, der an Seilen sich fortbewegt, gelangt man über den mit Schwänen besetzten Schloßgraben hinüber zum Burgthor, das in den großen Hof führt. Von da macht ein Diener des Kastellans den Wegweiser.

Die ganze innere Ausschmückung ist mit Pracht und Geschmack im Style des 15ten Jahrhunderts gehalten. Im Rittersaale sieht man eine reiche Sammlung von Rüstungen und Waffen ausgestellt, worunter Vieles, das Helden und Fürsten angehörte, deren Degen und Thaten die Blätter der Geschichte schrieben. Trophäen vergegenwärtigen jene Kämpfe Oesterreichs, durch welche es der Türken Macht erst einen Damm entgegensetzte und dann sie brach. In einer Halle stehen die Marmorstatuen der Kaiser aus Habsburg’s Stamm, seit [50] Rudolf. Alle Wände und Decken der Zimmer sind mit kunstvoller Schnitzarbeit bedeckt, und Oesterreichs Klöster, Schlösser und Kunstsammlungen steuerten ihr Bestes, um die Liebhaberei des alten Franz an solchen Dingen zu erfreuen. Damit jedoch nichts fehle, dem monumentalen Konterfei der Feudalzeit Kraft und Wahrheit zu geben, so ist auch eine unterirdische Folterkammer zu schauen und ein Burgverlies. In letzterem liegt, mit Ketten schwer beladen, die Gestalt eines Templers, und tritt man näher, so erhebt der Automat die Hände und ringt sie, mit den Ketten rasselnd. Neben der Burg ist der Turnierplatz mit den Schranken und den Sitzen der Preisrichter und den Söllern der Damen. Für die ritterlichen Spiele fehlen bloß – die Spieler: man hätte Automaten hinstellen sollen, wie dort, im Verlies.


Keine größere Tücke kann das Schicksal gegen große Menschen üben, als wenn es sie am Schlusse einer alten Zeit erscheinen läßt. Sie sind dann nur die Leichensteine begrabener Geschlechter und ihr Ruhm dient der altermüden Zeit zum Schemel. Wenn sie aber, von den Verhältnissen begünstigt, Menschen hoch auf die Zinne einer neuen Zeit stellt, welche die Fähigkeit nicht haben, sie zu leiten und zu beherrschen, dann wachsen sie schüchtern in die gestorbene hinein und sie suchen Behaglichkeit in den Formen einer Vergangenheit, die ihrem Sinne und ihrem Trachten befreundeter scheint, als die Gegenwart. Wundern wir uns darum nicht, wenn die Burgen wieder wachsen auf den Bergen und an unserm Rheine die bunten Flaggen mit den fürstlichen Wappen von den Mauern wehen, auf welchen wir Männer als Knaben Käuzchen jagten und Himbeeren pflückten! Mancher thut’s wohl nur dem Andern nach, eben weil’s ein Anderer vor ihm gethan hat: aber das Wohlgefallen daran verräth den geheimen Zug des Herzens und ich wette darauf, so lange man neue Dächer auf die alten Burgen setzt, so lange wird auch der Schutt des Mittelalters und seiner Institutionen nicht weggeräumt werden, der einer zeitgemäßen bürgerlichen Ordnung den Platz wegnimmt. –