Schafara
Im erstürmten Feindeslager
Sitzt der greise Held Schafara,
Yemen’s hochgepries’ner Sänger,
Sinnend mit gesenkter Stirne.
Auf die wilden Siegesweisen,
Die er sang in stolzer Jugend;
Allzusehnig ward die Rechte
Für der Saiten zarte Regung,
Pochet sie mit eh’rnem Finger.
Denn der greise Held Schafara
Sinnt auf Rache, sinnt auf Strafe,
Da den einz’gen Sohn des Todfeinds
Finster winkt er seinen Kriegern,
Und sie bringen einen Jüngling,
Nackt, mit rückgeschnürten Armen,
Aber hold wie junger Frühling.
Ruft der Held und springt vom Sitze,
„Ha, dein Anblick brennt mein Auge
Schmerzlicher als Sand der Wüste,
Glühender als Stich der Sonne!
Da er unsern Stamm bestohlen
Um die Ehre meiner Schwester.
Flehe nicht mit feuchtem Blicke,
Denn für solchen Blick empfieng er
Da er kam, ein nackter Flüchtling.
Willst du Gnade bei mir finden,
Reiße selbst aus deinem Antlitz
Diese reizend falschen Züge
Die wollüstig glatten Glieder!
Ferne liegt die Zeit des Frevels,
Lange Jahre blut’ger Fehde;
Herbstlich färbt sich meine Locke,
Greis ist dein verhaßter Vater,
Greis und müde wie ich selber,
Und sein tauber Rest von Leben
Karge Speisung meiner Rache, –
Schickt sie ganz so schön wie damals,
Als die meine er vergiftet,
Daß der That die Strafe gleiche! –
Bebst du, lächelnder Verführer,
Brechen aus den Rippen will ich
Dir das Herz, das feige, blasse,
Rothe Sühneopfer schütten
Auf das Grab der armen Schwester,
Aber deinem Vater send’ ich
Deines Hauptes blut’ge Locke!“
Also rief der Held Schafara,
Und aus dem gestickten Gürtel
Da fliegt auf des Zeltes Vorhang,
Und gefolgt von wilden Kriegern
Stürzt herein ein junges Mädchen
Mit zerrissenen Gewanden.
Schließt sie zärtlich ihre Arme,
Küßt sein todesscheues Antlitz,
Deckt sein Herz mit ihrem Herzen.
Doch es reißen sie die Krieger
Der betroffen stockt und staunet.
„Allah mit dir! Held Schafara!“
Spricht ein Mann mit blut’gem Turban,
„Sieh’, wir kommen, dieses Tages
Ein gazellenflüchtig Mädchen.
Wir ergriffen sie im Walfeld,
Wo sie im Gewühl der Leichen
Suchte des Geliebten Antlitz,
Dir allein, o Held Schafara,
Ziemt es, nach des Kampfes Dunkel
Dich an diesem Glanz zu sonnen,
Dieses Leibes Wonnebecher
Und der Emir steckt das Messer
Langsam in den breiten Gürtel,
Glüht sie an mit dunklem Auge,
Und dann spricht er dumpf und ruhig:
Doch das Mädchen schweigt und zittert,
Und ihr feuchtes Auge flüchtet
Schüchtern zu dem nackten Jüngling,
Der von holder Scham verwirret
Und erröthend schweigen Beide.
Lange schaut der Held Schafara
In ihr rosenzartes Antlitz,
Und sein Herz erfüllt Begierde.
Also spricht er zu den Kriegern,
„Habet Dank, ich will sie nützen,
Denn sie frommet meiner Rache.
Führt ihn weg in sein Gefängniß,
Daß ihm noch sein keusches Liebchen
Kann erzählen ihre Schande.“ –
So geschah’s; doch als der Jüngling
An des Zeltes Thür verschwunden,
In des Zeltes inn’rem Raume
Ließ der Held sein Bett bereiten,
Sklaven sprengten duft’ge Wasser,
Ließen qualmen süßen Weihrauch,
Rosen, Myrthen, Hyacinthen,
Gold und Perlen auf den Teppich,
Aber auf des Lagers Polster
Legten sie den weichen Scharlach
Hängten dann hoch an die Decke
Eine blaucrystallne Lampe,
Neigten sich dem Herrn und giengen.
Stille war’s im Zelt und draußen.
Lieder, glühend weich und sehnend,
Seinem Liebchen in der Heimath,
Und es blies der Wind der Wüste. –
Langsam trat der Held Schafara
Zog hinweg die letzte Hülle,
Die des Leibes Wunder deckte,
Und erschrak in sel’gem Staunen.
Tastend glitten seine Blicke
Und sie wußten nicht, wo ruhen.
„Groß ist Allah, sprach er endlich,
Daß er hat das Weib geschaffen,
Sich zur Ehre, uns zur Wonne!“
Und auf seinem braunen Antlitz
Schmolz des Grimmes eh’rne Falte,
Und der nächt’ge Blitz der Augen
Ward ein träum’risch Morgenleuchten.
Glückberauschter Jugendnächte,
Dachte, wie er ebenbürtig
Solcher Schönheit lag zur Seite;
Und in tiefer Brust erwachen
Und ihm summt das Lied im Ohre,
Das er sang in trunk’nem Schauen,
Als er so zum ersten Male
Mit wollüstig bangem Beben
Und er sprach in sich versunken:
„Laß mich schau’n, vergeh’n im Schauen!
Ich war blind, nun werd’ ich sehend,
Und ich taumle wie ein Blinder,
Meines Himmels Pforte öffn’ ich,
Und mir ist, als schauten alle
Seligen aus Allah’s Himmel
Neidisch über meine Schulter.
Ist das Schmachten deiner Augen
Und der Wangen Schamerglühen!
Schön sind deines Busens Hügel,
Schön wie klare Marmorkuppeln
Deren Knauf der Morgen röthet;
Schön die Wölbungen der Hüften,
Schwere, reife Wunderfrüchte;
In der Dämm’rung deines Schooßes
Und auf deiner Glieder Wellen
Schwankt das Schifflein meines Lebens
Hier und dort, und schon versinkt es
In ein seliges Verderben!“ –
Und in seinem Herzen rauscht es
Wie das Sprudeln frischer Bronnen,
Da des alten Lied’s er dachte;
Und entzückt von der Erinn’rung
Beugt er sich verlangend nieder
Zu dem regungslosen Bilde.
Doch da fällt von seinem Barte
Eine eisig graue Welle
Und der Held erhebt sich langsam,
Blicket starr hinweg und nicket
Mit dem Haupt in tiefem Ernste:
„Jene Zeit ist lang’ vorüber,
Und ich bin ein Thor im Alter! –
Friede mit dir, Stern von Chaibar!
Deines Leibes Frühlingsblume
Mag ein Frühlingssturm entblättern,
Hab’ ich nicht mein rüstig Leben
Durchgekämpft für Ehr’ und Schönheit?
Und ich sollte nun im Alter
Meiner Jugend Werk beschimpfen,
Eben noch mein Herz erwärmte? –
Jugend blühet nur für Jugend,
Und das Grab blüht für das Alter.
Ausgetrunken hab’ ich längst schon
Soll ich schlürfen an der Hefe?
Ich war glücklich, mögen Andre
Glücklich sein, in kurzen Tagen
Sagen sie gleich mir: Ich war es.
Plötzlich wird sein Auge finster,
Und mit dumpfer Stimme spricht er:
„Spott’ ich dieses Wunschs nicht selber?
Fallen wird ihr Glück mit meines
Und erzählen wird man einstens,
Daß der greise Held Schafara
Einen Knaben hingemordet,
Um des Knaben Braut zu freien; –
Um den Knaben und das Mädchen
Und ein Spottlied sich ersinnen
Auf den greisen Narr’n Schafara!“ –
Und auf’s Neue blitzt sein Auge,
Und von seinem Finger zieht er
Einen Ring von Gold und Demant,
Legt ihn auf die Brust des Mädchens,
Und nach einem langen Blicke
„Lebe wohl, du junges Leben,
Süße Last des prächt’gen Lagers!
Schlummerst du in deiner Brautnacht?
Wahrlich dir, o Lust der Augen,
Friede mit dir, Stern von Chaibar!“ –
Vor die Zeltthür trat der Emir,
Und er rief den flinken Sklaven:
„Bringt die köstlichsten Gefässe,
Bringt die herrlichsten Gewande,
Perlenschnüre, Ohrgehänge,
Bringet Gold, soviel ihr traget,
Bringet Wein im schweren Schlauche
Stellt mir Alles vor das Lager!
Holt dann leise den Gefangnen,
Legt des Jünglings stramme Glieder
Zu des Mädchens weichem Leibe,
Und dann wacht bei eurem Leben,
Daß kein Menschentritt sie störe!“ –
Also sprach der Held Schafara,
Nahm den Bogen, nahm die Lanze,
Ungesattelt, ungezäumet,
Und wie Sturmgewölk verschwand er
In der stummen Nacht der Wüste.