Sammaël
Als Gott den Menschen aus Staube geschaffen und den verweslichen Staub gekrönet hatte mit seines Ebenbildes Krone, stellete er ihn den Engeln dar und allen Geschöpfen. Die Schaar der Engel neigete sich vor ihm als ihrem jüngern Bruder; sie dienten ihm frölich bei seiner paradiesischen Hochzeitfreude.
Nur einer derselben, der stolze Sammael, spottete sein und wollte ihm nicht dienen. „Bin ich nicht, sprach er, aus Licht geschaffen worden und nicht aus Staube? Der Feuerstrom, der vom Throne fließt, gab mir das Wesen und nicht die zerfallende Erde.“ –
Siehe, da wich von ihm der Strom des Lichtes, der sein Wesen erhielt; wie Schnee zerschmolz die glänzende Gestalt des Kleides, das [218] ihn schmückte. Der stolzeste erschien jetzt als der geringste unter den Engeln, da ihn die Kraft verließ, die ja nicht sein war.
Voll Zorn entwich er der Schaar der Himmlischen und drohete Rache den unschuldigen Menschen. „Da ich durch Euch, sprach er, unglücklich worden bin, so sollet auch Ihr durch mich unglücklich werden.“ Er hatte das Verbot gehört, das ihnen die Frucht des schädlichen Baums untersagte und wollte sie jetzt in leuchtender Engelgestalt verführen. Aber der Schnee zerschmolz, den er zu seinem Kleide bilden wollte, und weil er den Weg des Verführers ging, so konnte er ihnen nicht anders als in Schlangengestalt erscheinen. Vom glänzenden Seraph blieben ihm nichts als schimmernde Farben.
Eva sah und bewunderte ihn und ließ sich verführen: Sie aß vom Baume den Tod und gab ihrem Manne denselben: Krankheit und Elend [219] verbreiteren sich auf alle Geschlechter der Erde. Der Vater der Menschen erschien und richtete die Verführten mit Erbarmen; aber die verführende Schlange strafte er hart und verfluchte sie zum verabscheueten Wurm der Erde. „Weil deine Freude es war, sprach er zu Sammael, Unglückliche zu machen, so sei auch künftig die Schadenfreude allein dein unglückseliges Theil.“ Er verbannete ihn aus der Schaar der Seligen und statt des vorigen segnenden Geschäfts, das er im Himmel geführet hatte, ward Sammael jetzt – der verabscheuete Engel des Todes.
