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Rosenkreuzer und Illuminaten

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Textdaten
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Autor: Max Ring
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Titel: Rosenkreuzer und Illuminaten
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 43, S. 681-683
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[681]
Rosenkreuzer und Illuminaten.
Eine culturhistorische Skizze.
Von Max Ring.

Zu allen Zeiten hat es Männer gegeben, welche sich mit der Kunst beschäftigten, unedle Metalle in edle und besonders in Gold zu verwandeln, sowie das Leben künstlich zu verlängern. Es waren dies nicht immer Betrüger und Charlatane, sondern oft aufrichtige Schwärmer von tieferem Wissen, Naturphilosophen und Chemiker, wie Jakob Böhme und der geniale Paracelsus. Der dem Menschen angeborene Hang zum Wunderbaren, die Sehnsucht nach der verborgenen Geisterwelt offenbarte sich in ihren oft tiefsinnigen Schriften, in ihren mystischen Werken, die freilich nicht unsere heutige Kritik aushalten. Es fehlte sogar nicht an fast glaubwürdig lautenden Berichten, daß es hier und da Einem wirklich geglückt sei, den „Stein der Weisen“ zu entdecken, mit dem räthselhaften Jenseits in nähere Berührung zu treten. So erzählte man von dem berühmten Raymundius Bullius, daß er dem Könige Eduard dem Dritten von England in der Katharinenkirche von London so viel Gold machte, daß dieser sechs Millionen Rosenobel daraus schlagen ließ, um sie für einen Kreuzzug gegen die Ungläubigen zu verwenden. Als die Johanniterritter auf der Insel Rhodus in Gefahr waren, von den Türken unter Mohammed dem Zweiten angegriffen und aus ihrem Besitzthum getrieben zu werden, soll der fromme und gelehrte Benedictiner Georg Stigläus ihnen zur Ausrüstung hunderttausend Pfund Gold geschenkt haben, die der Mönch auf chemischem Wege gewonnen hatte. Derartige Geschichten fanden in einer wundersüchtigen Zeit allgemeinen Glauben und wurden wesentlich durch den niedrigen Stand der Naturwissenschaften unterstützt.

Weit öfter aber erwiesen sich alle derartigen Angaben als absichtliche Täuschungen elender Betrüger, die ihre vorgebliche Kunst oft mit dem Tode büßten, wie jener unglückliche italienische Charlatan, den Friedrich der Erste von Preußen wegen seiner Betrügereien an einen vergoldeten Galgen hängen ließ. Nichtsdestoweniger tauchten von Zeit zu Zeit immer wieder derartige Adepten auf, die sogar unter sich eine geheime Brüderschaft der sogenannten „Rosenkreuzer“ bildeten. Der Name selbst stammte aus dem Anfange des siebzehnten Jahrhunderts und von dem verdienstvollen Johann Valentin Andreä her, der unter dem Titel: „Christian Rosenkreuz’ chymische Hochzeit“ einen satirischen Roman schrieb, worin er gerade das Treiben der falschen Goldmacher geißeln wollte. So entstand mit der Zeit die Brüderschaft der „Rosenkreuzer“, welche sich vorzugsweise mit dem Stein der Weisen und dem Lebenselixir beschäftigte und bald mit den schon vorhandenen Freimaurern in nähere Verbindung trat. Gewinnsucht und der Reiz des Geheimnißvollen führte dem Orden Mitglieder und Gläubige aus den höchsten Ständen zu, aber noch weit mehr Abenteurer und unreine Elemente, welche die Leichtgläubigkeit der Andern für ihre verschiedenen Zwecke ausbeuteten.

Dieses Unwesen erreichte seinen Höhepunkt im achtzehnten Jahrhunderte, das mit seiner gepriesenen Aufklärung einen hohen Grad von Aberglauben verband. Beide Extreme berührten sich in den Menschen jener Periode; die höheren Lebenskreise, von Genüssen aller Art erschöpft, geistig und moralisch vollkommen unterhöhlt, sehnten sich nach neuen Reizmitteln, um sich aufzustacheln. Der scharfe, ätzende Geist, wie er vorzugsweise in den Schriften der französischen Encyklopädisten zum Vorschein kam, hatte alle bestehenden Verhältnisse angegriffen und zum Theil aufgelöst. Die Religion mit ihren Priestern und Gebräuchen war ein Gegenstand des Spottes geworden, das Familienleben durch die überhand genommene Unsittlichkeit in seinen Grundfesten erschüttert. Es gab nichts Heiliges auf Erden, keine Stütze mehr, die nicht untergraben war. Gegen diese allgemeine Auflösung machte sich nach und nach eine gewisse Reaction bemerkbar. Das auf Kosten des Verstandes unterdrückte Gemüth und die Phantasie behaupteten ihr Recht. Das Streben nach dem Höheren und die Sehnsucht nach dem Ueberirdischen tauchten um so gewaltiger empor, je mehr sie sich bedroht fanden. Aber das vorhandene Geschlecht vermochte nicht, die reinen Elemente von den unreinen zu sondern, die wirklich bessere Richtung ohne beklagenswerthe Verirrungen und traurige Umwege zu verfolgen. Der neu erwachte Glaube führte zum Aberglauben, zum Pietismus und zur mystischen Schwärmerei. Ueberall entstanden geheime Verbindungen, pietistische Conventikel und Gesellschaften, welche von schlauen Betrügern für ihre besondern Zwecke benutzt wurden. Verwegene Abenteurer, wie der berüchtigte Cagliostro, rühmten sich im Besitze großer Geheimnisse zu sein; sie speculirten auf die Leichtgläubigkeit der Menge, auf die Habsucht und Lebenslust der vornehmen Stände, denen sie unerschöpfliche Goldquellen und Verjüngung ihrer vergeudeten Lebenskraft vorspiegelten. Mit ihnen verbanden sich religiöse und politische Intriganten, die ihre verschiedenen Zwecke unter diesem mystischen Deckmantel verfolgten und oft den größten Einfluß auf die ebenfalls leicht zu berückenden Fürsten ausübten. Geschickt wußten diese überall auftauchenden Aventuriers sich auf den einflußreichen und mächtigen Freimaurerorden zu stützen, indem sie den Brüdern durch ihre vorgeblich höheren Grade und tieferes Wissen imponirten. Häufig gelang es ihnen bei dem vorhandenen Dunkel über die eigentlichen Zwecke des Ordens, selbst die Eingeweihten zu täuschen, durch Stiftung neuer Systeme und Einführung von Reformen sich großes Ansehn zu verschaffen und eine oft unerklärliche Bedeutung zu gewinnen.

Meist standen diese Betrüger unter sich in Verbindung und unterstützten sich gegenseitig, zuweilen verfolgten sie entgegengesetzte Zwecke und bekämpften sich dann bis zur Vernichtung. Ohne es zu wissen, waren sie ebenso oft nur Werkzeuge in einer verborgenen Hand und dienten höheren Oberen, meist verkappten Jesuiten, von denen sie nach Gutdünken benutzt wurden. Bald fanden sie geheime Beschützer, bald eben solche Feinde und Verfolger, sodaß sie hier im größten Glanze, dort im tiefsten Elende erschienen. Ihre Geschichte ist ein wunderbares Gewirre überraschender Abenteuer und Wechselfälle, wunderbarer Begebenheiten, häufig mit den großen Weltereignissen verknüpft, aber leider noch immer nicht genügend aufgehellt. Wäre dies der Fall, so würde nicht nur manches psychologische, sondern auch politische Räthsel gelöst und der Schleier von mancher noch dunklen historischen Begebenheit gehoben sein.

Auch am preußischen Hofe und selbst schon unter der Regierung Friedrich’s des Großen zeigten sich die Spuren einer solchen Reaction, die vorzugsweise von den „Rosenkreuzern“ eifrig betrieben wurde. An ihrer Spitze standen der Major von Bischofswerder und der Lehrer der Staatswissenschaften, der bekannte Wöllner. Beide berüchtigte Männer gehörten zu den sogenannten „Erleuchteten“ und benutzten ihren Einfluß auf das Gemüth des Thronfolgers, um ihn für den damaligen Pietismus zu gewinnen. Sein von Natur nur zu gutes und weiches Herz wurde vielfach von seiner Umgebung gemißbraucht, bei deren Auswahl er nicht mit der nöthigen Vorsicht verfuhr. Wie bei den meisten sinnlichen Naturen folgten auch bei ihm auf den höchsten Genuß Stunden der tiefsten Reue und moralischen Niedergeschlagenheit, wo er nur zu sehr der Stütze bedurfte. Diese glaubte er in jenem Pietismus zu finden, der zu allen Zeiten für blasirte Lebemänner einen besondern Reiz bietet. Aus den Armen des Vergnügens stürzte er in die des überirdischen Glaubens, bei dem er Trost und Vergebung zu finden hoffte; nach einer durchschwelgten Nacht empfand er um so lebhafter das Bedürfniß, sich wieder geistig zu erheben. So schwankte er fortwährend zwischen Genuß und Reue, zwischen Himmel und Erde, bald in feierlichem Rausche, bald in übersinnlichem Taumel schwelgend.

Von Bischofswerder und Wöllner geleitet, ließ auch er sich in den Freimaurerorden aufnehmen, und bald gehörte er zu dem engern Verein der Rosenkreuzer, angelockt von dem geheimnißvollen Wesen und den Mysterien dieser Gesellschaft, von der er nicht nur die Lösung so mancher Räthsel des Daseins, sondern auch verschiedene materielle Vortheile erwartete. Hoffte er auch nicht, den Stein der Weisen mit ihrer Hülfe aufzufinden, so traute er ihnen wenigstens die Macht zu, das Leben zu verlängern und durch ihre geheimen Kräfte die verlorenen Körperkräfte zu ersetzen. Sie bestärkten ihn in seinem Glauben durch allerhand Reizmittel, die wenigstens für kurze Zeit ihn in eine künstliche Aufregung versetzten. Noch weit wirksamer auf den Geist des Kronprinzen erwiesen [682] sich jedoch die Geistererscheinungen, die ihm Wöllner und die übrigen Rosenkreuzer von Zeit zu Zeit sehen ließen. Hierbei unterstützte Bischofswerder seinen Freund in höchst schlauer Weise, indem er die Rolle des bescheidenen Zweiflers übernahm. Wenn der halb und halb nun überzeugte Thronfolger seinem Vertrauten die eben erlebten Wunder mittheilte, so äußerte sich dieser eben so vorsichtig als zurückhaltend darüber, indem er ihn vor Täuschung und Betrug mit anscheinender Ehrlichkeit warnte und zu einer genauen Untersuchung aufforderte. Durch dies treuherzige Wesen sicher gemacht, übertrug der Kronprinz gewöhnlich Bischofswerder die ganze Angelegenheit, der dann das nächste Mal an seiner Seite den Geisterbeschwörungen als ein scheinbar unparteiischer Zeuge beiwohnte und, schließlich selbst vollkommen bekehrt, dem doppelt betrogenen Fürsten beistimmte, daß es zwischen Himmel und Erde Dinge gibt, von denen unsere Schulphilosophie sich nichts träumen läßt.

Diese Geisterbeschwörungen selbst wurden durch geschickte Taschenspieler mit Hülfe von allerlei Maschinen, Beleuchtungsapparaten, Hohlspiegeln u. s. w. bewerkstelligt, wobei es hauptsächlich darauf an kam den Zuschauer schon vorher durch den Genuß betäubender Getränke und durch narkotisches Räucherwerk in einen Zustand berauschender Ekstase zu versetzen. Die Rosenkreuzer verstanden diese Mittel mit großer Geschicklichkeit zu gebrauchen; sie ließen den betrogenen Fürsten die Geister eines Leibnitz, Cäsar’s und seines eigenen früh verstorbenen Sohnes, des neunjährigen Grafen von der Mark, sehen. Ein gutes Portrait, Perrücke und Schminke genügten für sie, jede beliebige Erscheinung hervorzubringen und sich dadurch ihren Einfluß auf den leichtgläubigen Prinzen für immer zu sichern. Von seiner Seite lag aber selbst diesen Verirrungen gewissermaßen noch immer ein edleres Motiv zu Grunde, da er mit Hülfe der Geisterwelt sich für seinen hohen Beruf vorbereiten wollte. Er hielt Menschenkenntniß mit Recht für eine der nothwendigsten Eigenschaften eines Regenten und glaubte sich diese Eigenschaft mit Hülfe der Rosenkreuzer und ihrer geheimen Wissenschaft zu verschaffen. So wurde seine ursprünglich bessere Natur zugleich durch Sinnlichkeit und Herzensgüte, durch seine Tugenden nicht minder wie durch seine Schwächen verführt und verstrickt, ein Spielball in den Händen einer Partei, welche in Bezug auf Absicht und Mittel eine große Aehnlichkeit mit unseren heutigen Pietisten hatte. Jene Männer haßten nicht minder als ihre jetzigen Nachfolger die Freiheit auf politischem, die Duldung auf religiösem Gebiete, sie wollten herrschen um jeden Preis und das preußische Volk in seiner fortschreitenden Entwickelung mit Gewalt zurückhalten. Auch sie lehrten „die Umkehr der Wissenschaft“, auch sie griffen zum Gewissenszwang, zur Glaubensfolter und zur Inquisition, um ihre eigenen beschränkten Grundsätze dem Lande aufzudrängen, auch sie legten die Axt an den Jugendunterricht und die Lehrfreiheit, die sie mit Recht als die größten Stützen des Fortschritts haßten und verfolgten. In Friedrich dem Großen, dem Schöpfer der preußischen Monarchie, dem Denker und dem Philosophen auf dem Throne, erblickten sie ihren größten Feind, und ihr ganzes Streben war instinctmäßig nur darauf gerichtet, seine Regierungsgrundsätze zu untergraben, sein Werk zu vernichten, sein Andenken zu beschmutzen.

In der That glückte es ihnen, wenigstens den Thronfolger für ihre Pläne zu gewinnen. Abgesehen von seiner natürlichen Hinneigung zum Mysticismus, bot ihnen schon der Widerspruch, in dem er, wie jeder Kronprinz, zu dem regierenden Könige stand, eine willkommene Handhabe. Es fiel ihnen nicht schwer, durch ihre Zwischenträgerei seine Oppositionslust zu befördern und den bereits vorhanden Zwiespalt bis zum offenen Bruche zu treiben. Eben so leicht wurde es ihnen, ihn zu ihrer Anschauung zu verführen und ein ganz entgegengesetztes Regierungssystem ihm allmählich beizubringen. Sie gebrauchten alle ihnen zu Gebote stehenden erlaubten und unerlaubten Mittel, um ihn von der Nothwendigkeit zu überzeugen, vorzugsweise auf dem religiösen Gebiete einen entschieden abweichenden Weg einzuschlagen, indem sie sein leicht zugängliches Gemüth mit den furchtbarsten Schreckbildern erfüllten; ja, die heuchlerischen Pietisten des achtzehnten Jahrhunderts verschmähten es nicht, sich mit der offenen Sünde zu verbinden und mit der berüchtigten Gräfin Lichtenau zu vereinigen, um den schwachen König zu betrügen. Diese protestantischen Jesuiten huldigten, wie ihre katholischen Vorbilder, dem verrufenen Wahlspruch: „Der Zweck heiligt die Mittel“.

Kaum hatte Friedrich Wilhelm der Zweite den Thron seines großen Verwandten bestiegen, so zeigte sich deutlich der verderbliche Einfluß der ihn umgebenden Rosenkreuzer. Die freisinnigen Institutionen seines erhabenen Vorgängers wurden nach und nach beseitigt, an die Stelle der bisherigen Toleranz trat Wöllner’s berüchtigtes Glaubensedict; frömmelnde Heuchler, gewissenlose Staatsmänner und liederliche Weiber herrschten über Preußen und führten den Staat Friedrich’s des Großen dem Ruin entgegen, aus dem er erst durch das wieder erwachte Bewußtsein des ganzen Volkes gerettet wurde.

Der Pietismus der Rosenkreuzer trägt mit die Hauptschuld an Preußens damaliger Schmach.

Die Verfinsterungspläne pietistischer Rosenkreuzer und verkappter Jesuiten fanden jedoch ein Gegengewicht an den Bestrebungen einer gleichfalls geheimen Verbindung, der sogenannten Illuminaten. An ihrer Spitze stand der sächsische Hofrath Weishaupt, früher Professor der Rechte an der Universität zu Ingolstadt in Baiern. Er selbst war in seiner Jugend ein Zögling der Jesuiten, später nach Aufhebung des Ordens jedoch ihr erbittertster Feind geworden. Aus eigener Anschauung hatte er den Druck des Pfaffenthums und der Mönchswirthschaft auf die geistige Entwickelung des Volkes kennen gelernt, weshalb er anfänglich als Lehrer der Jugend offen mit Wort und Schrift dagegen auftrat und einen aufgeklärten Kosmopolitismus zu verbreiten suchte. Bald begnügte er sich nicht mehr, blos seine Grundsätze den Studenten vom Katheder herab einzupflanzen, er stiftete einen Bund der Gleichgesinnten, wobei er sich der schon vorhandenen Formen und Zeichen der Freimaurer bediente. Weishaupt selbst behauptete: „daß der neue, von ihm gestiftete Orden keine für den Staat, die Religion und gute Sitte nachtheiligen Gesinnungen und Handlungen zum Zwecke habe, noch an den Seinigen begünstige, und daß seine ganze Bemühung nur dahin gehe, den Menschen die Verbesserung des moralischen Charakters interessant und wohlthätig zu machen, menschliche und gesellschaftliche Gesinnungen einzuflößen, boshafte Absichten zu verhindern, der bedrängten und nothleidenden Tugend gegen das Unrecht beizustehen, auf die Beförderung würdiger Personen zu denken und noch meistens verborgene Kenntnisse allgemeiner zu machen.“

Er selbst schilderte die zur Aufnahme in den Orden geeignete Persönlichkeit in folgender Weise: „Wer seine Ohren nicht dem Wehklagen der Elenden, wer sein Herz nicht dem sanften Mitleid verschließt, wer dem Unglücklichen Freund und Bruder ist, wer alle Creaturen liebt, wer mit Vorsatz auch nicht den Wurm zertritt, der sich unter seinen Füßen krümmt, wer ein Herz für Liebe und Freundschaft hat, wer standhaft in Widerwärtigkeiten, unermüdet eine angefangene Sache durchzusetzen, unerschrocken in Ueberwindung von Schwierigkeiten ist, wer der Schwächeren nicht spottet, wessen Seele fühlbar für große Entwürfe ist, begierig sich über alles niedrige Interesse zu erheben und durch große Wohlthaten auszuzeichnen, wer den Müßiggang flieht, wer keine Art von Kenntniß unnütz hält, welche er zu erlangen Gelegenheit hat, aber Menschenkenntniß sein Hauptstudium sein läßt, wer, wo es um Wahrheit und Tugend zu thun ist, sich über den Beifall des großen Haufens hinwegzusetzen und seinem Herzen zu folgen Muth hat, der ist tauglich für unsere Verbindung.“

Zur Verwirklichung seiner kosmopolitischen Lehren griff auch Weishaupt ganz im Geiste seiner Zeit nach dem Reiz des Geheimnißvollen, indem er seinen Orden ebenfalls mit gewissen Graden und Formen ausstattete. Sein System zerfiel demnach in drei Hauptclassen, deren jede noch zwei Unterabtheilungen hatte. Zuerst kam die Pflanzschule, welche das „Noviziat“ und die sogenannten „Minervalen“ umfaßte. Der Candidat, welcher in den Orden aufgenommen zu werden verlangte, mußte sich hier zunächst einer Prüfung seiner moralischen und geistigen Eigenschaften unterwerfen, von deren Ausfall seine Aufnahme oder Zurückweisung abhing. Als Minervale arbeitete er gemeinschaftlich mit Anderen an seiner eigenen und der Vervollkommnung der Gesellschaft. Zu diesem Zwecke mußte er sich in ein bestimmtes literarisches Fach aufnehmen lassen und von Zeit zu Zeit dahin einschlagende Arbeiten zur Hebung und Veredlung der Menschheit den Obern einreichen. Zeigte er hinlängliche Befähigung, so wurde er zu dem „kleinen Illuminatengrade“ befördert. In diesem wurden ihm selbst einige Zöglinge zur Beaufsichtigung übergeben, über deren Fortschritte und [683] Aufführung er den genauesten Bericht erstatten mußte; außerdem erhielt er Winke und Vorschriften, wie man Menschen bilden, zum Besten leiten und regieren müsse. Wenn er einige Zeit hier gewirkt, so wurde er zu dem „großen Illuminatengrade“ zugelassen, der sich mit der sorgfältigen Ergründung des inneren und äußeren Menschen vorzugsweise beschäftigte, um auf den Grund einer sicheren Seelenkunde eine allgemeine Glückseligkeit herbeizuführen. Die Mitglieder dieser Classe waren noch verbunden, sowohl die kleinen Illuminaten, wie sich selbst sorgfältig zu beobachten, damit kein Unwürdiger sich in die höhern Grade eindränge und auch im Staate und bürgerlichen Leben stets nur der Edelste und Beste an der Spitze stehe, da die Mitglieder des Ordens untereinander die Verpflichtung hatten, sich gegenseitig zu unterstützen, beizustehen und selbst bei Besetzung von Aemtern und Stellen nach Kräften zu fördern. Aus dem Schooße des Ordens sollte eine würdige Beamtenhierarchie mit der Zeit hervorgehen und die Regierung ganz in die Hände der tugendhaften und verdienstvollen Illuminaten gegeben werden.

Hierauf folgte der Priestergrad, der von dem Gedanken ausging, daß alle Lehren des Heilands die höchste Güte und Weisheit enthielten, aber nur dahin zielten, einen für die Menschheit unendlich großen und edlen Plan zu verwirklichen, der mit den Absichten der Illuminaten vollkommen Eins sei. Nach Weishaupt beabsichtigte der Erlöser nichts weiter, als die Menschen zu ihrer ursprünglichen Würde wieder zu erheben, durch weise Aufklärung die Moralität auf den höchsten Grad zu bringen, ein allgemeines Sittengesetz einzuführen, so daß Jeder ohne Zwang, aus der inneren Ueberzeugung, daß nur Tugend Glück gewähren könne, der Tugend treu bleibe, alle Menschen durch ein Bruderband aneinander zu knüpfen, alle engen Verhältnisse, welche Noth, Bedürfniß, Kampf, Verderbniß und Immoralität erzeugt haben, dadurch aufzuheben, daß er die Illuminaten aller Zeiten fähig machen wollte, sich selbst zu regieren und folglich aller künstlichen Anstalten, aller Staatsverfassungen, positiven Gesetze und dergleichen entbehren zu können.

Eine Hauptaufgabe des Illuminatcn-Priesterthums sollte noch die Förderung gemeinnütziger Wissenschaften und Kenntnisse sein; zu diesem Zwecke war ihnen die Aufsicht über alle scientifischen Arbeiten sämmtlicher Zöglinge übertragen. Die Priesterclasse jeder Provinz leitete unter dem Vorsitze eines beaufsichtigenden Decans die literarischen Arbeiten, die nach bestimmten Facultäten vertheilt waren. An der Spitze jeder Facultät stand ein Priester, der über sein Fach einen genauen Realkatalog führen und die wichtigsten Entdeckungen seiner Wissenschaft, so wie die darin sich am meisten auszeichnenden Illuminaten verzeichnen mußte. Forderte dann Jemand Aufklärung und Hülfe bei irgend einem wissenschaftlichen Unternehmen und wendete sich deshalb an den Orden, so standen ihm die Erfahrungen und Kenntnisse Aller gleichsam wie ein gemeinschaftlicher Brunnen zu Gebote, aus dem jeder Einzelne nach Bedarf schöpfen konnte, so daß nach diesem großartigen Plane Bildung und Wissen in einem vorher nie geahnten Grade fortschreiten und Verbreitung finden sollten.

Dem Priestergrade folgte endlich die höchste Stufe der sogenannten „Regenten“, welche die oberste Leitung des ganzen Ordens führten und zu denen nur die ausgezeichnetsten Mitglieder nach einer Reihe von schweren Prüfungen und mannichfachen Proben ihrer allseitigen Befähigung gelangen konnten.

Weishaupt hatte dies ganze System im Verein mit dem durch sein Buch „Ueber den Umgang mit Menschen“ bekannten Freiherrn von Knigge aus Hannover, der ebenfalls ein eifriger Illuminat war und besonders in Norddeutschland durch seine Schriften für den Orden wirkte, sorgfältig entworfen und ausgearbeitet. Er fand zahlreiche Anhänger und Freunde, selbst der Herzog Ferdinand von Braunschweig, der berühmte Held des siebenjährigen Krieges und einer der eifrigsten Freimaurer, ließ sich aufnehmen, obgleich sonst die Fürsten eigentlich von dem Orden ausgeschlossen waren.

Bald jedoch wurden die Illuminaten, ganz wie die heutigen Lichtfreunde, ein Gegenstand der Furcht für die deutschen Regierungen, und besonders in Baiern verfolgt. Ein evangelischer Prediger, Namens Lange, wurde dort zufällig vom Blitze getroffen und erschlagen. Bei Besichtigung der Leiche fanden die Behörden in den Taschen seines Rockes mehrere wichtige Papiere, welche über die geheimen Zwecke und die Mitglieder des Ordens Aufschluß gaben. Diese Entdeckung war das Signal zu einer allgemeinen Inquisition gegen die Illuminaten, ähnlich den Demagogenverfolgungen der neueren Zeit. Zunächst wurden in Ingolstadt der dortige Stadtoberrichter Fischer, der Bibliothekar Drexel und der Repetitor Duschel ihres Amtes entsetzt und ausgewiesen; fünfzehn Studenten, darunter ein Baron von Frauenburg, relegirt, der Graf Sapoli und der Marchese Constanzo pensionirt und nach Italien verbannt; der Canonicus Hertel, der Professor Bader, die Revisionsräthe Wernher und Berger und der Priester Milbiller in München mit noch vielen Andern in’s Gefängniß geworfen, auf Weishaupt’s Kopf aber ein bedeutender Preis gesetzt, nachdem man ihn zum Tode verurtheilt hatte. Zur rechten Zeit gewarnt, war er jedoch nach Gotha entflohen, wo der freisinnige Herzog ihm ein Asyl und sogar den Hofrathstitel gab.

Ungeachtet dieser Verfolgungen verbreitete sich der Illuminatenorden mehr und mehr durch ganz Deutschland, Oesterreich, selbst in Italien; besonders in Venedig, in Frankreich und Amerika fand er zahlreiche Freunde und Anhänger. Aus seinem Schooße entwickelte sich hauptsächlich auf Anregung des Buchhändlers Joachim Göschen in Leipzig eine neue Verbindung, die unter dem Namen „deutsche Union“ besonders in Preußen große Fortschritte machte und dieselbe Tendenz verfolgte. Vorzugsweise war jedoch das „aufgeklärte Berlin“ ein geeigneter Boden für die Illuminaten; hier galten der bekannte Buchhändler Nicolai, der Freund des unsterblichen Lessing, der königliche Bibliothekar Biester und der Director des Friedrich-Werder’schen Gymnasiums, Gedicke, als die Hauptvertreter einer liberaleren Richtung. In der von ihnen herausgegebenen „Berliner Monatsschrift“ lehrten sie freilich einen nach unsern jetzigen Begriffen flachen Rationalismus, dem sich aber das Verdienst nicht absprechen läßt, manches religiöse und sociale Vorurtheil nicht ohne Erfolg bekämpft zu haben.

Zwischen Illuminaten und Rosenkreuzern herrschte natürlich damals dieselbe Feindschaft, wie zwischen den heutigen Lichtfreunden und Pietisten. Beide ließen es nicht an mehr oder minder gerechten Beschuldigungen fehlen. Die Aufklärer warfen ihren Gegnern vor, daß sie nichts Anderes, als die Verdummung des Volkes, die Knechtung der Geister, die Unterdrückung der Wissenschaft und eine allgemeine Verfinsterung bezweckten; ja, sie gingen in ihren Beschuldigungen, und, wie es scheint, nicht ohne Grund, so weit, ihnen geradezu katholische Tendenzen und ein geheimes Einverständniß mit den allgemein verpönten Jesuiten beizulegen, was besonders der bekannte Prinzenerzieher Leuchsering, den Goethe vielfach erwähnt, zu beweisen suchte.

Dagegen klagten die damaligen Pietisten, ebenso wie noch heute, über die Verderblichkeit der Aufklärung, welche dem Volke jeden Glauben raube, die Stützen des Staates untergrabe, eine freche Zügellosigkeit herbeiführe, jede Sittlichkeit zerstöre und schließlich eine allgemeine Anarchie zur Folge haben müsse.

Die mannichfachen und nicht unbedeutenden Kämpfe der Rosenkreuzer und Illuminaten dauerten bis zu der Thronbesteigung Friedrich Wilhelm des Dritten fort, der mit dem Pietismus eines Wöllner und Bischofswerder nichts zu schaffen hatte, obwohl er innerlich fromm und auch christlich gläubig war. Seiner gesunden, wenn auch prosaischen Natur widerstrebte alle mystische Schwärmerei und Ueberschwänglichkeit. Auch die Illuminaten wurden durch die gewaltigen Ereignisse und hauptsächlich durch die französische Revolution beseitigt, die zum Theil von dem gleichen Streben nach Freiheit ausging, aber die unpraktischen Träume deutscher Schwärmer sehr praktisch statt durch Wort und Schrift mit Beil und Schwert den Despoten und den Völkern aufnöthigte. Es war eine neue Weltepoche, eine neue Zeit gekommen, der wir zum Theil noch angehören, aber auch in ihr wiederholt sich täglich noch der alte Kampf zwischen Licht und Finsterniß, zwischen Pietismus und Aufklärung, zwischen Glaubenszwang und Gewissensfreiheit. Nur unter andern Namen sehen wir die alten Parteien wiederkehren, aber zugleich erfüllt uns die tröstliche Ueberzeugung immer mehr und mehr, daß die Lüge und Heuchelei unterliegen, daß stets der Wahrheit und der Freiheit der Sieg bleiben muß. [1]



  1. Ausführlichere Mittheilungen über beide Orden finden die Leser in dem binnen Kurzem erscheinenden Roman: „Rosenkreuzer und Illuminaten von Max Ring.“
    D. Red.