Romanzen aus dem Altspanischen
In strenger Uebersetzung, dem verehrten Herausgeber der Silva de romances viejos, meinem Freunde, Jakob Grimm, gewidmet.
Romanze von Frau Alda[1].
In Paris Frau Alda wohnet,
Herren Rolands Ehgemahl,
Mit ihr sind dreihundert Frauen,
Zu begleiten sie zumahl;
All’ nur schuht ein Schuh sie an,
All’ an einem Tisch sie essen,
Eines Brodes aßen all’,
Nur allein nicht die Frau Alda,
Hundert jener Gold verspannen,
Hundert weben ihr Zindaal,
Hundert rühren Saitenspiele,
Daß sich Alda freu’ daran.
Sank Frau Alda in den Schlaf,
Einen Traum hat sie geträumet,
Einen Traum der großen Qual;
Sehr erschrocken sie erwachte
Rief mit also lauter Stimme,
Daß man’s hörte in der Stadt.
Darauf sprachen ihre Frauen,
Was sie sagten, hört’s fürwahr:
Wer ist’s, der Euch Leides that? –
Einen Traum träumt’ ich, ihr Frauen,
Der mir gab sehr große Qual,
Denn ich mich auf einem Berge,
Nieder von den hohen Bergen
Einen Habicht stiegen sah,
Hinter ihm ein Adler kommet,
Der verfolget ihn sehr scharf.
Unter meinem Mantel barg,
Sehr erzürnet zieht der Adler
Dort hervor ihn mit Gewalt,
Mit den Klauen ihn entfiedert,
Drauf die Kammerfrau ihr sagte,
Wohl nun höret, was sie sprach:
Diesen Traum, Gebietrin meine,
Wohl zu lösen ich vermag:
Kommt vom andern Meeresstrand,
Jener Adler seid ihr, Herrin,
Die er nimmt sich zum Gemahl,
Und der Berg, das ist die Kirche,
Meine Kammerfrau, ist’s also,
Soll dir werden reicher Dank. –
Morgens früh am andern Tage
Brief von fern wird ihr gebracht,
Aus der Decke blutig stand:
Daß ihr Roland war gestorben
In der Schlacht von Roncesvall.
Romanze von Rosenblüthe (p. 132).
In Castillien ist ein Schloß,
Das genannt wird Felsenkühle,
Felsen heißen sie das Schloß,
Und die Quelle heißt man Kühle;
Feines Silber seine Zinnen,
Zwischen Zinn’ und Zinne steht
Aufgestellt ein Stein Saffire,
Leuchtet in der Nacht so hell,
Innen wohnt’ ein Jungfräulein,
Das sie heißen Rosenblüthe,
Sieben Grafen stehn um sie,
Und aus Lombardei drei Fürsten,
Also groß ist ihr Muthwille;
Sie dem Ruf nach, nicht dem Seh’n,
Sich in Montesin verliebte.
Da geschieht’s in einer Nacht,
Hörte sie ein Kämmerer,
Der in seiner Kammer schliefe:
Was ist dieses, Herrin mein,
Was ist dieses, Rosenblüthe,
Oder ihr seid unvernünftig? –
Wohl ich habe Liebesqual,
Bin mit nichten unvernünftig,
Aber bringt mir diesen Brief
Gebt ihn ab an Montesin,
Mir auf weiter Welt das Liebste,
Sagt ihm, daß er seh’n mich komm’,
Wenn die Ostern steh’n in Blüthe; –
Allerlindsten in Castillien,
Wäre meine Schwester nicht,
Die im Feuer möge glühen!
Und wenn mehr von mir er wollt’,
Gebe sieben Schlößer ihm –
Aller beste in Castillien.
Romanze von der Julianesa (p. 134).
Dannen Hunde, weg von dannen!
Tödte euch das böse Leid,
Donnerstags das Schwein ihr tödtet,
Freitags fresset ihr das Fleisch;
Daß durch dieses Thal ich schleich’,
Daß entschuht ich schlepp’ die Füße,
Blut mir von den Nägeln fleußt,
Daß das rohe Fleisch ich esse,
Traurig Julianesa suchend
Meines Kaisers Töchterlein,
Weil die Mohren mir’s genommen
Bei Sankt Johann’s Morgenschein,
Rosen pflückt’ und Blümelein. –
Ihn gehört hat Julianesa,
Die im Arm des Mohren weilt,
Ihrer Augen Thränen fallen
Romanze von dem weißen Kind (p. 242).
Weiße bist du, Herrin meine,
Mehr noch als der Sonnenstrahl,
Mag ich schlafen ohne Waffen,
Ohne Furcht in dieser Nacht;
Sieben unentwaffnet war,
Davon meine Haut nun schwärzer
Als die Kohl’, die ausgebrannt. –
Schlaft die Nacht, o Herre! schlafet
Denn der Graf ist ausgezogen
Auf Leon’s Gebirg zur Jagd;
Tödte Wuth ihm seine Hunde,
Tödten Adler seinen Falk,
Schleif’ sein Rappe ihn hinab! –
Während beid’ sich so befanden,
Kehrte wieder ihr Gemahl:
Sag’, was machst du, Kind so weißes,
Herr, ich kämme meine Haare,
Kämme sie in großer Qual,
Ließt mich doch mir ganz alleine,
Auf die Berg’ für Euch ihr fahrt. –
War nichts Anders als Verrath,
Wessen ist das Roß dort unten,
Dessen Wiehern ich vernahm? –
Herr, es hörte meinem Vater,
Wessen sind denn jene Waffen,
Welche stehn in Hauses Gang? –
Herr sie hörten meinem Bruder,
Schickt sie Euch am heut’gen Tag –
Welche ich von hier gewahr’? –
Nehmt sie, Graf, die Lanze nehmet,
Ihr durch sie mich sterben laßt,
Denn ich diesen Tod verdiene
Romanze vom Grafen Arnaldos und dem Seemann (p. 244).
Wer erfuhr solch Abentheuer
Auf des Meeres Wellenschlag,
Als erfuhr der Graf Arnaldos
Morgens früh an Sankt Johann?
Ging er jagen eine Jagd,
Sah ein Ruderschiff sich nahen,
Das zu kommen sucht an’s Land,
Seegel führte es von Seiden,
Seemann, der das Schiff beherrschet,
Sagend kam er einen Sang,
Der das Meer zur Ruhe brachte,
Der die Winde schweigen macht,
Steigen macht zur Höh’ hinan,
Der die Vögel aus der Höhe
Bringt zur Ruhe auf den Mast:
Schifflein du, o Schifflein meines,
Wahr dich vor der Welt Gefahren
Auf des Meeres Wellenschlag,
Vor der Enge von Gibraltar,
Vor Almeriens flachem Sand,
Und vor Flanderns böser Bank,
Und dem Golfe von Leone,
Die da bringen oft Gefahr! –
Sprach hierauf der Graf Arnaldos,
Seemann, o bei Gott! ich bitte,
Sage jezt mir jenen Sang –
Ihm der Seemann d’rauf erwiedert,
Diese Antwort er ihm gab:
Der mit mir auch theilt die Fahrt.
Romanze vom Jungfräulein (Infantina) (p. 259).
Auf die Jagd geht aus der Ritter,
Auf die Jagd, wie er es pflag,
Seine Hunde sind ihm müde,
Ihm verloren war der Falk;
Wunderhoch die Eiche war,
Auf sehr hohem Aste sitzen
Er ein Jungfräulein gewahrt’,
Haare ihres Hauptes deckten
Nicht erschrecken sollst du, Ritter!
Haben nicht so große Angst,
Tochter bin des guten Königs
Und der Kön’gin von Castillia[2];
Mich in einer Amme Arm
Daß ich sieben Jahre wandre
Ganz allein auf diesem Wall.
Heut’ die sieben Jahre enden,
Fleh’ ich dich bei Gott, o Ritter!
Führe mich mit dir hindann,
Wenn du wolltest, als Gemahlin,
Wenn nicht so, als Freundin dann. –
Bis auf Bald, noch heut am Tag,
Gehen will ich Rath zu hohlen
Einer Mutter, die ich hab’ –
Antwort gab ihm das Jungfräulein,
O dem Ritter geh es übel,
Der das Jungfräulein verlaßt. –
Er geht hin sich Rath zu hohlen,
Und sie bleibet auf dem Wall,
Er nehm’ sie zur Freundin an.
Als zurück der Ritter kehrte,
Nimmermehr den Wall er fand,
Sah sie, wie man fort sie führte,
Hier der Ritter, der sie schaute,
Auf den Boden niedersank,
Als er wieder zu sich kommen,
Diese Worte er da sprach:
Der verdient sehr große Straf’,
Seyn werd’ ich mir selbst der Richter,
Selbst das Urtheil ich erlaß:
Händ und Füß’ man ab mir schneide,
Ich erhob mich früh am Tage,
Morgens früh an Sankt Johann,
Sah wohl eine Jungfrau stehen
Ganz zunächst am Meeresstrand,
Aus allein auf Schilfrohr spannt,
Während sich die Tücher trocknen,
Sagt die Jungfrau einen Sang:
„Wo mein Herzlieb, wo mein Herzlieb,
Strand herauf und Strand hinunter
Sagend ging sie einen Sang,
Goldnen Kamm in ihren Händen
Durch zu kämmen sich das Haar:
Daß dich Gott vor Unglück wahr’,
Ob mein Herzlieb du erblicktest,
Ob du’s dort vorbeigehn sah’st?
Dorthin Ritter Garzia gehet
Auf der Mauer einen Gang,
Eine Hand hält goldne Pfeile,
Bogen hält die andre Hand;
Führet eifrig mit ihm Zank:
Mich von kindauf zog der König,
Mich zum Mann hat Gott gemacht,
Gab ein Streitroß mir und Waffen,
Er auch gab mir Frau Marien
Zur Genossin, zum Gemahl,
Gab mir hundert junge Frauen
Zu begleiten sie zumahl,
Daß ich Haus mit ihr dort halt’,
Gab mir hundert starke Ritter
Zu des Schlosses Schirm und Wacht;
Er versah mir es mit Weine,
Er versah’s mit süssem Wasser,
Dessen kein’s im Schloß es gab;
Mir umringten es die Mohren
Früh am Tage Sankt Johann,
Lassen nicht vom Lagern ab,
Sterben ich die Meinen sehe,
Weil nichts mehr zu geben hab’,
Stell sie, wie sie sind, bewaffnet
Daß die Mohren glauben mögen,
Fertig seyen sie zum Kampf;
In dem Schlosse von Urenja
Ist Nichts als ein Brod noch da,
Meinem Weib, wie geht es dann?
Ess’ ich selbst es, ich Armsel’ger,
Dann die Mein’gen führen Klag’. –
Aus dem Brod macht er vier Stücke,
Zu des Königs Füßen fallet
Eines jener Stück’ hinab;
Alla zürnt auf meine Mohren,
Alla ihnen zürnen mag,
Sie das Königszelt versah’n! –
Die Trompete heißt er stoßen,
Gleich sein Lager schlagen ab.
Frische Quelle, frische Quelle,
Frische Quelle, liebevoll,
Wohin alle Vöglein gehen
Sich daraus zu schöpfen Trost,
Nicht jedoch die Turteltaube,
Wittwe nun und schmerzenvoll. -
Eben dort vorbei ein schelmisch
Nachtigallen-Männchen flog,
Seine Worte, die es sagte,
Die sind des Verrathes voll:
Wenn du wohl es möchtest, Herrin,
Wär’ ich gleich dein Diener schon. -
Fort, entweiche, Feind! von hinnen,
Böß und falsch und trugesvoll,
Denn auf Wieß’, wo Blumen stehen,
Noch auf grünem Ast ich wohn’;
Denn wo Wasser hell ich finde,
Trink ich nur getrübt es doch,
Denn nicht Gatten will ich haben,
Daß ich Kindlein nicht bekomm’,
Will mich nicht mit ihnen freuen,
Will noch minder ein’gen Trost,
Laß mich traurig, Feind so böser,
Falsch und böß und trugesvoll,
Denn ich mag nicht seyn dein Liebchen,
Deine Gattin wen’ger noch!