Zum Inhalt springen

Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Zuschendorf

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: M. G.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Zuschendorf
Untertitel:
aus: Meissner Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 2, Seite 116–118
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: Commons = SLUB Dresden
Kurzbeschreibung:
{{{SONSTIGES}}}
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[Ξ]
[116]
Zuschendorf.


In den frühern Urkunden auch Zschuschendorf und Tzschuschendorf genannt, liegt ¾ Stunde südwestlich von Pirna an der Gebirgsstrasse nach Liebstadt und Altenberg, in dem Seidewitzthale und am südlichen Hange eines Berges, welcher in den Urkunden der Peterfactenberg genannt wird, wahrscheinlich daher, weil sich hier viele Versteinerungen in Mergelschiefer vorfinden.

Die Umgebungen von Zuschendorf sind angenehm freundlich und anmuthig. Von den Höhen hat man die schönsten Aussichten auf Pirna und die Felsen der sächsischen Schweiz. Die Thäler der Baare und Seidewitz gewähren liebliche Spatziergänge. Unter anderen gelangt man auch zur sogenannten wüsten Kirche, einer Felsenparthie in dem Seidewitzthale zwischen Zuschendorf und Nenntmannsdorf. Der Sage nach soll in grauer Vorzeit ein Einsiedler hier gelebt haben, welcher die durch das Seidewitzthal über Liebstadt nach Böhmen ziehenden Wallfahrenden beherbergte.

Zuschendorf ist sehr alten Ursprungs und ein Schloss mag schon im 11ten Jahrhundert hier erbaut gewesen sein. Doch fehlen die Nachrichten darüber, so wie die sicheren Angaben, ob es zur Dohnaschen Herrschaft gehörte, oder ein selbstständiger Rittersitz von Anbeginn gewesen ist. Der Erbauer war nicht zu ermitteln, so wie auch die ursprünglich hier existirenden Geschlechter nicht mit Bestimmtheit angegeben werden können. Die Familie von Carlowitz scheint in den früheren Jahrhunderten hier ihren Stammsitz gehabt zu haben. Im 14ten und zu Anfang des 15ten Jahrhunderts lebte hier ein von Carlowitz, welcher der Sage nach von 2 Frauen 29 Kinder hatte. Der König von Böhmen soll ihm deshalb versprochen haben, ihm, wenn er das 30ste Kind bekommen sollte, ein Gut zu schenken. Herrn von Carlowitz wurde auch wirklich das 30ste Kind geboren, aber es war ein todtgebornes. Nichtsdestoweniger hielt der König von Böhmen sein Versprechen.

Zu Anfang des 16ten Jahrhunderts besass Zuschendorf Hans von Carlowitz. Zu dieser Zeit gehörten auch 2 Majoratsgüter in Dresden als Zubehör zu Zuschendorf. Hans von Carlowitz ist auch der Erbauer des Anbaues oder Einbaues am Schlosse, während die Entstehung des älteren Theils weit über diese Zeit hinaus fällt. Der alte nach Morgen gelegene Flügel ist nämlich früher, wie man jetzt noch deutlich erkennen kann, ganz abgeschlossen gewesen und hat mit einem, mit 3 Reihen Schiessscharten versehenen niedrigen Thurme durch eine mit zur Brustwehr dienenden Mauer in Verbindung gestanden. Auf diese Mauer, zwischem dem alten Flügel und diesem Thurm, ist nun mit Benutzung desselben, der neue Flügel, wenn man nach der daselbst befindlichen Jahreszahl schliessen darf, im Jahre 1553 so eingebaut worden, dass der Thurm mit diesem unter ein Dach gekommen und nur aus der Construction der Mauern noch zu erkennen ist. In späterer Zeit, wo die 6½ Fuss starke Mauer zur Anlage eines Gartensalons durchbrochen wurde, verschwanden auch die bis dahin nur von aussen überklebten Schiessscharten aus dieser Mauer.

Nach Hans von Carlowitz Tode folgten ihm im Besitz von Zuschendorf seine Söhne: Joachim, Wolf und Gotthardt von Carlowitz, deren erstere Zuschendorf, letzterer das auf dem Lindig gelegene Schloss bewohnten, wo der ältere Sitz gewesen zu sein scheint. Denn an der Stelle, wo des Heusler Müller Haus sich befindet, hat in früheren Zeiten ein festes Schloss gestanden, dessen Schlossgräben noch jetzt deutlich sichtbar sind. Dann besassen Zuschendorf Joachim von Carlowitz Söhne: Rudolph und August von Carlowitz. In deren Besitzzeit fällt der 30jährige Krieg, wo Zuschendorf fürchterlich verwüstet, zum Theil sogar eingerissen wurde. Namentlich wurde das feste Schloss mit Vorwerk auf dem Lindig mit zerstört. Die Gebrüder von Carlowitz gaben sich alle Mühe, diese Calamität zu überwinden. Sie verkauften viele Felder auf dem Lindig an Bauern in Krebs und Sedlitz, so wie an Bürger in Pirna mit Vorbehalt einzelner Rechte. Dessenungeachtet konnten sie Zuschendorf nicht behaupten und es brach 1660 Concurs aus, wo Zuschendorf von August von Carlowitz sub hasta erstanden wurde. Dieser war ein guter Wirth. Er löste von den auf dem Lindig bereits verkauften, in der Nähe des zerstörten Schlosses gelegenen Feldern wieder ein, welche von den damaligen Besitzern ihre Namen behalten haben, wie z. B. das Conrectorfeld, das Gartenfeld. Aus jener Zeit rührt vermuthlich auch die am Schlosse eingemauerte Denktafel her mit der Ueberschrift:

Nach diesem Gut hat Mancher getracht;
Gott es am rechten Erben gebracht Anno 1665.

Im Jahre 1670 vererbte August von Carlowitz Zuschendorf an seine Söhne: Adolph, Anshelm und Wolf Heinrich.

Durch einen Vergleich der beiden Brüder ging später das Gut an den Oberstwachtmeister Adolph Anshelm allein über. – Ein churfürstliches Rescript d. d. Wien den 16. Juli 1695 erklärte Zuschendorf als ein freies Erbgut und am 17. Juli desselben Jahres kaufte es der Generallieutenant und Ober-Commandant von Dresden Bruno Christoph von Birkholz, welcher Zehista und Liebstadt besass. Beim Kaufe war die merkwürdige Bestimmung gestellt worden, dass der auf dem Lindig vergrabene Schatz vom Kaufe ausgeschlossen sein sollte. Diese Bedingung wurde durch eine spätere Erhöhung des Kaufgeldes wieder aufgehoben, aber Niemand weiss, ob je dieser vermeintliche Schatz gehoben worden ist.

Im Besitz folgte von Birkholzens Sohn, der sächs. Kammerherr Johann Georg von Birkholz, welcher es 1706 an Magdalena Sibylla Gräfin von Teuben, verw. Freyfrau von Miltitz verkaufte, die zugleich Besitzerin des Gutes Krebs war.

Frau von Miltitz verkaufte Zuschendorf, so wie auch Krebs, an ihren Schwiegersohn, den Erbschenken des Erzherzogthums Steuermark und Kammerherrn [117] Adolph, Wilhelm, Grafen von Stubenberg, Letzterer aber wieder im Jahre 1715 an den Landjägermeister Georg Heinrich von Carlowitz, Excellenz und Erbritter des röm. Reichs, welcher am 29. Juni feierlich gehuldigt wurde – seine Gemahlin war eine geborne von Einsiedel, und sie besassen mit Zuschendorf noch Ober-Rabenstein und Podelwitz. Am 25sten Februar 1730 verkaufte er Zuschendorf an den Churfürstl. Secretarius Johann George Stöckel, welcher es wieder an den Rittmeister, nachherigen Kreis-Commissarius, Heinrich von Bünau abtrat. Dieser legte im Jahre 1740 vermöge Vertrags mit den betheiligten Grundstücksbesitzern eine Wasserleitung aus den Seidewitzer Wiesen bis auf das Rittergut an, da vorher und bis zu dieser Zeit nur ein Brunnen daselbst vorhanden war. Heinrich von Bünau war mit der Tochter Henriette Hedwig des Rudolph von Bünau auf Weesenstein vermählt und unterhielt einen förmlichen Hofstaat. In diese Zeit fällt auch die in Zuschendorf errichtete Expedition des Meissner Kreis-Commissariats.

Nach dem im Jahre 1758 erfolgten Ableben des Heinrich von Bünau mit Hinterlassung vieler unmündiger Kinder konnte das Gut nicht für das Erbe erhalten werden und wurde im Jahre 1760 an den Churfürstl. Mühleninspector Johann Christian Böhme verkauft. Böhme wurde aber erst im Jahre 1775 damit belehnt, nachdem bis dahin Dr. Bauer seinen Namen zum Besitz geliehen hatte. Nach dem Tode des Inspector Böhme kam Zuschendorf an seine Wittwe Johanna Rebecke und deren Sohn, Dr. Johann Christian Böhme, welcher durch Vergleich 1798 es allein im Besitz nahm. Im Jahre 1821 starb Dr. Böhme und durch testamentarische Bestimmung folgte im Besitze von Zuschendorf Herr Senator D. Wilhelm Anton Heinrich Dittmar. Letzterer starb am 9. Juli 1826 auf einer zum Vergnügen unternommenen Reise zu Ludwigsburg erst 36 Jahr alt. Zuschendorf erbte seine Mutter, die verw. Cammer-Commissionsräthin Dittmar und nach deren in dem folgenden Jahre erfolgten Tode seine Schwester Johanna Sophie, Wittwe des Bürgermeister Dr. Schulz in Dresden, welche es im Jahre 1832 an ihren Sohn, Dr. Karl Heinrich Schulz, dem schon seit dem Jahre 1827 die Bewirthschaftung übertragen war, verkaufte. Von diesem erbte das Gut dessen Herrn Bruder und Schwester und der jetzige Pachter ist der Sohn des Herrn Dr. Hedenus aus Dresden, der Ehemann der Anna Schulz.

In den letzten Jahren erhielt das Rittergut durch Erweiterung des Hofes und Neubau sämmtlicher Scheunen und der Schäferei ein ganz anderes Ansehen: Feldwege wurden angelegt und der Lindigberg durch eine Brücke mit Zuschendorf verbunden.

Die Kirche, welche sehr wenig Vermögen besitzt, hat einen verhältnissmässigen Thurm, ist klein, doch hell und nett. Der Ortsgeistliche ist der jedesmalige Diaconus von Dohna.

Früher gehörte Zuschendorf zur Dohnaischen Kirche. Der im Jahre 1512 in Zuschendorf verstorbene Ewald von Carlowitz liegt in Dohna begraben und erhielt von seinem Sohn, Nicolaus von Carlowitz, Bischoff zu Meissen ein Epitaphium. Der 1578 verstorbene Hans von Carlowitz liegt ebenfalls in Dohna begraben. Dieser Hans von Carlowitz trug 1559 beim Consistorium darauf an, dass ihm ein Geistlicher von Dohna alle Sonntage und in den Fasten auch Donnerstags eine Frühpredigt in seiner Behausung halten solle und versprach eine Kirche zu bauen für sich und sein Hofgesinde, bestimmte ein Capital von 300 Fl. für die Geistlichen, welche die Zinsen davon heute noch erhalten. Unter der Kirche befindet sich eine von Carlowitzische Familien-Gruft, in welche 4 Kinder von Hans von Carlowitz ruhen. Diese Gruft ist 1680 erweitert, neu hergestellt und durch Elisabeth von Carlowitz geb. von Liebenau eingeweiht, welche unter dem Fenster des Thurmes, nach dem Wasser zu beigesetzt worden. Im Jahre 1709 erhielt auch die Kirchengemeinde einen besondern Begräbnissplatz, wohin jetzt auch seit dem Jahre 1733 die Eingepfarrten ihre Leichen begraben.

In derselben ruht auch der Mühleninspector Böhme vor dem Altare, so wie seine Tochter Johanna Rebecke Freyfrau von Wiedemann.

Noch eine herrschaftliche Gruft befindet sich neben dem Gottesacker, welche von Dr. Böhme erbaut worden ist, welcher hier ruht und von seinem Nachfolger eine Gedächtnisstafel erhalten hat.

Dem Andenken Dr. Dittmar ist in der Kirche eine Gedächtnisstafel errichtet. Es ist dieses Denkmal von seiner Gattin und die letzte Arbeit des Bildhauer Kühne in Dresden, der bald darauf starb. Auch auf der Wiese bei der Mühle in Zuschendorf befindet sich ein Denkstein, welchen die Schwester dem Bruder setzen lies.

Vom Jahre 1812 an ist Zuschendorf oft von grossen Unglücksfällen heimgesucht worden.

Am 15. Juli 1812 verwüstete ein Hagel sämmtliche Feldfrüchte, so dass an eine Erndte nicht zu denken war: der fruchtbare Boden war, wie schon ein Mal im Jahre 1778 von den Höhen in die Thäler gespült worden. Im folgenden Jahre wüthete das Kriegsgetümmel schrecklich in Zuschendorf. Sämmtliches Vieh ohne Ausnahme und das Wirthschaftsgeräthe wurden von den Kriegsvölkern geraubt. Die Feldfrüchte blieben ungeerndet auf den Feldern, wo Lager aufgeschlagen waren, zu welchen die Thüren und Böden und Fenster der Häuser von den Soldaten verwendet wurden; auf dem Lindig wurden Kühe und Schaafe heerdenweise geschlachtet. Franzosen, Russen, Oestreicher wechselten in Besitz und was die einen zubereitet hatten, verzehrten oft die andern. Die zu Zuschendorf gehörende Köttwitzmühle wurde von den Soldaten, weil der Müller Eschke den Dieb nicht nachweisen konnte, welcher von einem Packwagen eine Kette gestohlen hatte, niedergebrannt. Die Rittergutsgebäude standen von allen Bewohnern leer. Erst Dr. Dittmar machte die herrschaftlichen Gebäude wieder bewohnbar und unternahm vieles zur Wiederherstellung und Verschönerung, namentlich legte er den Grund zur Obstpflanzung am Lindig, welche jetzt über 5000 Obst- und Kirschbäume enthält und baute noch im Jahre 1821 ein neues Meiereigebäude. In demselben Jahre gewann Zuschendorf, durch welches bisher ein kaum 5 Fuss breiter, zum Theil tief in Felsen eingegleisster, zum Theil grundloser Weg geführt hatte, durch Erbauung der jetzt durch dasselbe führenden, zum Theil sogar gepflasterten Kunststrasse und einer Brücke über die Seidewitz. Dieser Bau wurde auf Kosten des Staats mit einem Beitrag des Besitzers des Gutes ausgeführt. Letzterer verschönerte den Bau durch Erweiterung der Durchfahrt zwischen dem Schlosse und der Kirche, indem der Kirchgang früher, auf einen Pfeiler [118] ruhend, den Weg sehr verengte, und die Gemeinde setzte im Jahre 1823 die, den Einsturz drohende Schule auf ihre Kosten und mit Hülfe einer ihr bewilligten Collecte neu auf und Dr. Dittmar lies auch noch die Kirche ausbessern.

Zum Kirchen- und Schulbezirke gehören ausser dem Rittergute und Dorfe Zuschendorf mit Lindig, noch das Lindigvorwerk, dem Major Serre von Maxen gehörig, so wie ein bei Zuschendorf gelegenes Haus von Zehista.

Zuschendorf gehört jetzt zum Gerichtsamt Pirna, zum Bezirksgericht Pirna, zur Amtshauptmannschaft Pirna, zum Regierungsbezirk Dresden und zählt 28 bewohnte Gebäude mit 47 Familienhaushaltungen und 189 Einwohnern.

(M. G.)