Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Treuen
In dem Voigtländischen Kreise, im Amte Plauen, in einer waldigen Gebirgsgegend, die indess weit weniger rauh und unfruchtbar ist, als die der nahe gelegenen Städte Auerbach und Falkenstein, liegt das uralte Städtchen Treuen in einer angenehmen Lage.
in älteren Urkunden wird der Ort de Thor, Thorau, und Thurau genannt. Der erstere Name hat den Glauben erweckt, die Begründung der Stadt, oder wenigstens der Name derselben, rühre von den Deutschen her; die beiden anderen Namen deuten aber offenbar auf einen wendischen Ursprung. Ein früherer Mitbesitzer, Johannes Lupus von Herrmannsgrün, der unter den Gelehrten des Voigtlandes mehrfach genannt worden ist, hat sich sogar bemüht, seinem Gute ein noch grösseres Alterthum zu vindiciren. Er behauptete, einen Stein mit einer Inschrift gefunden zu haben, aus der er ableiten wollte, dass der Name von den Druiden herrührte; allein es lässt sich kaum bezweifeln, dass es nur Schwindelei oder Windmacherei von ihm war. Für unsere Annahme des wendischen Ursprungs spricht dagegen der Name Drewen (welcher nach dem Wendischen so viel als Wald-Ort oder Dorf bedeutet), unter welchem im Jahre 1329 Heinrich Vogt zu Plauen den Ort von König Ludwig als Reichslehen annahm. Unter dem Jahre 1723 wird er unter dem Namen Druchen als böhmisches Lehn bezeichnet. Später, 1544, wird er Trewen genannt, unter welchem Namen der Ritter Moritz von Feilitzsch, dessen Familie im Baireuthischen ansässig war, ihn erwarb.
Die Stadt Treuen zerfällt in Treuen obern Theils oder Schlosstheils und Treuen untern Theils; dieser hat indess ebenfalls ein Schloss. Der grössere Theil des Ortes gehört zu dem schriftsässigen Rittergute Treuen oberen Theils, welches seit einer langen Reihe von Jahren den Nachkommen jenes ersten Erwerbers aus der Familie von Feilitzsch gehört.
Treuen untern Theils, ebenfalls ein schriftsässiges Rittergut und lange Zeit hindurch vereint im Besitz der Familie von Feilitzsch, gehört gegenwärtig der Familie Adler, und ist es besonders dieser Theil, mit dem wir es hier zu thun haben.
Das Städtchen liegt drei Stunden ostnordöstlich von Plauen, am Treuenbache, an dem Verbindungspunkte desselben mit dem Lamnitzbache, der aus Nordosten, aus dem sogenannten Vogelwinkel, kommt. Die Entfernung Treuens ist südwestlich von Lengefeld 11/2 Stunde; von Auerbach 13/4 Stunde von Falkenstein 2 Stunden; südlich von Reichenbach, Mylau und Netzschkau 21/2 Stunde; südöstlich von Schreiersgrün und nördlich von den Perleshäusern oder Berglass in sehr geringer Entfernung, zwischen 1200 und 1300 Fuss über der Meeresfläche.
Gleich den meisten Ortschaften dieser Gegend hat seine Einwohnerzahl seit Anfang dieses Jahrhunderts bedeutend und rasch zugenommen. Im Jahre 1802 hatte es nur 216 Häuser; 1804 schon 272 mit 1500 Einwohnern und 1825 zählte es allein 480 Handwerksmeister, deren Familien über 1600 Menschen hatten. Diese bedeutende Vermehrung fand statt, ungeachtet Treuen im Jahre 1806 durch einen grossen Brand 76 Häuser verlor, wofür die Brandkasse 29,300 Thaler zahlen musste. Später wurde der Ort abermals durch einen bedeutenden Brand heimgesucht, der die Kirche und einen Theil des oberen Rittergutes einäscherte.
Die obere Mühle hat einen Waffenhammer, der früher unter Adlerschen Gerichten stand; diese sind indess nach der neueren Einrichtung an den Staat übergegangen.
Der Gasthof des Ortes ist unbedeutend, denn es führt keine Hauptstrasse durch Treuen, als die von Plauen nach Lengefeld, obgleich viele Strassen dahin auslaufen und deshalb die Frequenz ziemlich lebhaft ist.
In die Kirche, die unter die Inspection Plauen gehört, und über welche das obere Rittergut die Collatur hat, sind eine Menge meistens kleiner und zum Theil ziemlich entfernter Ortschaften eingepfarrt, und zwar: Altmannsgrün, Eich, Hartmannsgrün, Berglass, Buch, Mahnbrücke, Reimtengrün bei Auerbach (1 Stunde entfernt), Schreiersgrün, Unterlauterbach, Weissensand, Wolfpfütz und Wetzelsgrün. Dieser grossen Menge von Filialen ungeachtet hat der Ort nur einen Pfarrer und einen Schullehrer, der zugleich Cantor ist. [80] Vor der Reformation war der Schutzpatron der hiesigen Kirchfahrt der heilige Bartholomäus, dem man einen besonderen Schutz gegen Bären und Wölfe zuschrieb. Obgleich diese Thiere sich aus der Gegend gänzlich verloren haben, ist doch mit ihnen und der katholischen Religion nicht zugleich auch das Andenken an den Schutzheiligen erloschen, denn noch jetzt wird alljährlich an seinem Jahrestage hier das Kirchweihfest begangen und das Stättegeld der dabei aufgestellten Buden ist für die Kirche eine nicht zu verschmähende Einnahme.
In Treuen, sowie in dem benachbarten Lengefeld, welches damals Filial von Treuen war, fand die Reformation schon 1519 Eingang. Als letzter katholischer Pfarrer wird der Pastor Rosenfeld genannt, und als erster protestantischer Martin Gassar. Ob indess der Religionswechsel auf friedlichem oder kriegerischem Wege erfolgte, vermögen wir nicht anzugeben, und ebensowenig, wann die Trennung der Gemeinde Lengefeld von der hiesigen stattfand; indess noch bis zu der neuesten Zeit hatten dortige Häuser Pfarrzinsen nach Treuen zu zahlen.
Die Flur Treuens ist weit gedehnt, indess vielfältig getheilt und deshalb nicht so gross, als es ihrem Umfange nach scheinen sollte. Die Hauptnahrung der Einwohner besteht in Weberei, besonders von Musselin, Kattun und baumwollenen Hals - und Taschentüchern. Die Weberinnung zählt an dritthalbhundert Meister; indess ist auch das Böttcherhandwerk sehr stark vertreten. – Der Bergbau, der nach Leonhardi in früheren Zeiten von den Bewohnern Treuens getrieben wurde, ist schon längst gänzlich erloschen, so dass sich jetzt wohl schwerlich eine Spur davon finden dürfte.
Wie bereits erwähnt, machten die beiden Rittergüter in früheren Zeiten nur eins aus. Die von Hermannsgrün verkauften es gegen 1500 an den Reichsritter Jobst von Feilitzsch auf Kürbitz und Tobertitz, den treuen Begleiter Friedrichs des Weisen auf dem Kreuzzuge nach dem gelobten Lande, der 1511 starb. Dessen Sohn Moritz, ebenfalls Reichsritter, gehörte zu der nächsten Umgebung des Kurfürsten Moritz bei dessen Belehnung mit der Kurwürde, war aber dennoch der Hauptanstifter des Aufruhrs, der 1551 zu Hof gegen den Kurfürsten ausbrach. Dessen Enkel stifteten die Ober- und Unter-Treuensche Linie des Geschlechtes von Feilitzsch; die erstgenannte starb schon nach kurzer Zeit aus, und deren Besitzungen kamen an den Kirbitzer Zweig, bei welchem das Gut ungetrennt bis Anfang dieses Jahrhunderts blieb, wo Herr Adler den untern Theil erkaufte. Zu diesem Gute gehören ausser dem Antheil an der Stadt noch Antheile von Altmannsgrün und Schreiersgrün, so wie von den einzelnen Perleshäusern (Berglass) und Mahnbrück und die Reuthanhäuser. Der Sprengel zählt etwa 1500 Köpfe.
Noch ist zu erwähnen, dass Treuen untern Theils ebenso wie das obern Theils eine eigene nicht unbedeutende Schäferei besitzt, sowie dass Werksteinbrüche vorhanden sind, die sich bis in den ansehnlichen Wald hinein erstrecken, in dem der sogenannte Muttergottesstein liegt. Im Westen von Treuen erstreckt sich der Thosfeller und im Westen der Treuener Wald auf ziemlich bedeutende Ausdehnung.
Das Treuener Wasser, auch der Treuener Bach genannt, ist das stärkste Nebenwasser der Trieb; in diese ergiesst es sich eine halbe Stunde südwestlich von der Stadt entfernt. Die Quelle des Treuener Wassers bildet sich am Abhange des Falkensteiner Gebirgszuges in Neustädtel zwischen Treuen und Schöneck; dann fliesst der Bach nordwestlich nach Dorfstadt, Reimtengrün und Rebelgrün, darauf westlich an Schreiersgrün vorbei und erreicht so Treuen nach einem vierstündigen Laufe, auf welchem er in einem freundlichen Thale sechs oder sieben Mühlen, zwei Sägemühlen, einen Hammer und noch andre Triebwerke in Bewegung setzt; denn obgleich er nur wenig Zufluss hat, ist seine Triebkraft durch starkes Gefälle sehr bedeutend. In einer Urkunde von 1122 wird dies Wasser die Thurau genannt, und es ist daher als wahrscheinlich angenommen worden, dass dies auch der erste Name der Stadt Treuen gewesen sei. Eigenthümlich ist es, dass das Wasser zwischen der Rebelsgrüner und der Schreiersgrüner Mühle den Namen Eselsbach führt, der sich bis in die neueste Zeit erhalten hat, obgleich für den Ursprung desselben nicht einmal die Tradition einen Grund angiebt. Wahrscheinlich ist dieser darin zu suchen, dass in älteren Zeiten ein Esel, mag es nun ein vierbeiniger oder ein zweibeiniger gewesen sein, in dem Bache seinen Tod gefunden und ihn so getauft hat.
In den ältesten Zeiten bildete dieser Bach zum Theil die Grenze des Gaues Dobenau.