Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Reyssig
auch Reussig und Reissig geschrieben, zerfällt eigentlich in Hinter- und Vorder-Reissig, wovon das erstere 1/8 Stunde von der Elster, 11/4 Stunde nordnordöstlich von Plauen unweit Röttis und Möschwitz auf einer coupirten Gegend; letzteres hingegen 2000 Schritte südwestlich von jenem an der alten Strasse nach Elsterberg an einem Hügel und 3/8 Stunde von der Elster entfernt liegt.
Im letztern befindet sich das neuschriftsässige Rittergut, welches vereint mit Haselbrunn landtagsfähig ist.
Diese Orte sind alle sehr alten Ursprungs und in Urkunden vom 12. Jahrhundert und noch früher kommen sie schon vor. Sie gehörten grösstentheils zu den reichen Besitzungen des Klosters zu Plauen. Die Namen in hiesiger Gegend, wie Pfaffenhaus, Pfaffenmühle, erinnern zu deutlich an die Macht dieses Klosters in Plauen. Die Stiftung erfolgte unzweifelhaft im 12. Jahrhundert und erhielt sich dieses Kloster bis zur Reformation. Zwar wurde es im Hussitenkriege hart mitgenommen, allein der Reichthum desselben war zu bedeutend, als dass es nicht bald sich hätte wieder erholen können. Erst nach der Reformation gelangten die einzelnen Besitzungen in andere Hände und in die Besitzung von Reyssig mit Haselbrunn gelangte der Stadtrath zu Plauen, welcher durch diese Acquisition einen theuren Schatz erhielt; Nutz- und Brennholz standen auf diesen Gütern in einer solchen Masse, dass auch durch die schlechteste Bewirthschaftung in früherer Zeit diese Holzungen nicht verwüstet werden konnten und jetzt in neuerer Zeit ist die dasige Forstkultur wieder eine Zierde der hiesigen Gegend.
Durch den Verkauf von Reyssig in den 30er Jahren dieses Jahrhunderts an einen gewissen Herrn Eduard Wehner, der Sohn des in Zwickau verstorbenen hochverdienten Appellationsgerichtsraths Wehner wäre beinahe ein bedeutender Theil dieser Holzungen durch ein Versehen beim Kaufabschlusse verloren gegangen, da das Rittergut Reyssig mit allen Pertinenzen ohne Ausnahme an Wehnern nach der von demselben eingereichten ersten Klage abgetreten werden sollte und nur durch Umänderung der Klage in modo probandi kam es dahin, dass der Stadtrath den Prozess gewann und die grossen Waldungen, die sogenannten Rosengräben behielt. Herr Wehner hatte dessenungeachtet aber immer noch mit diesem Kaufe ein gutes Geschäft gemacht und konnte bei einigermassen sparsamer Bewirthschaftung hier zum reichen Manne werden. Denn wenn Niemand in hiesiger Gegend eine gute Kornernte gemacht hatte, so war es Wehner, der sich nie zu beklagen hatte.
Die Felder sind für jeden Getreidebau vortrefflich zu nennen und die Wiesen geben ein vorzügliches Futter. Der jetzige Besitzer, Herr Oeconom Schneider aus Crieschwitz versteht es, was aus einem so ergiebigen Boden zu ziehen ist und hat das Gut in einen vortrefflichen Stand gesetzt.
Trotzdem, dass dasselbe beim Verkaufe heruntergekommen, hat derselbe immer noch eine Summe von 22,000 Thlrn. bezahlt, wozu er noch die Summe rechnen muss, welche er auf Ankauf besseren Viehs, auf Schiff und Geschirr verwenden musste.
Durch die Nähe von Plauen hat dieses Gut einen bedeutenden Absatz an Milch, die einen ungemeinen Nutzen gewährt.
[194] Auch bis an den Anhaltepunkt Jocketa an der Sächsisch-Bairischen Eisenbahn ist die Entfernung nur gering zu nennen und gewährt also auch in sofern zur Absetzung seiner Erzeugnisse Vortheile, die andere Güter in der Art nicht haben.
Das Herrenhaus ist nicht allzugross und steht mit einigen Veränderungen und Neubauten erst seit 1801, da das frühere ein Raub der Flammen wurde.
Die Wirthschaftsgebäude sind jetzt in gutem Zustande und Herr Schneider zieht sehr herrliches Rindvieh.
In früheren Zeiten war Reyssig ein Vergnügungsort für Plauens Bürgerstand, worauf es nach dem Jahre 1813 bei dem Entstehen neuer Vergnügungsorte in Plauen selbst in den Hintergrund trat. Erst in den 40er Jahren unseres Jahrhunderts wurde es wieder genannt und kam wieder in Aufnahme durch den in seiner Nähe in Angriff genommenen Brückenbau von Jocketa. Da sah man täglich Fusswanderungen von Jung und Alt vorüberziehen, um den grossartigen Bau dieser Brücke zu bewundern und anzustaunen. Keine Stunde der Nacht verging, wo nicht durch Reyssig Zurückfahrende von dieser Wanderung kamen.
Manch frohe Erinnerung der Jugend wird sich an diese Wanderung in späterer Zeit knüpfen. Denn nur im heitern, frohen Familienkreise wurden gewöhnlich diese Wanderungen unternommen, und wenn diese Kinder herangewachsen sein werden, werden sie gern an diese glücklichste Zeit, diese Wanderungen zurück denken. Schreiber dieses hat es selbst von eignen Kindern erlebt, wie lebhaft sie sich jener Wanderungen noch erinnern.
Es mag zwar eine spätere Zeit kommen, die reicher und genussvoller ist – da der Liebe Zaubermacht Rosen streut, so voll und duftig, dass dagegen die Rosen, welche die Kindheit schmückten, blass und matt erscheinen. Diese Zeit mag berauschender sein – wo aber ist die selige Sorglosigkeit, das tiefe, feste Vertrauen der Kindheitstage?
Unter den süssduftenden, dunkelglühenden Rosen liegen Schlangen mit giftigem Zahne, Erfahrung, Zweifel, Angst und Furcht, von dem allen des Kindes Herz nichts weiss. Und wie oft bewährt sich diese Furcht, wie kurz ist oft der himmlischsüsse Traum, wie bitter das Erwachen.
Darum wird es jedes Vaters heiligste Pflicht, jeder Mutter grösste Sorge sein, dem eignen Kinde die liebliche, sonnige Kindheit nicht zu trüben und unnütz keine Thräne zu vergiessen, damit ihm die Erinnerung an die Kindheit süss und heilig sei, dass sie sich wie ein goldener Faden durch die spätern Tage ziehe.
Doch wohin hin ich gekommen mit meiner Beschreibung von Reyssig? Man wird aber dem Schreiber dieses die kurze Abschweifung verzeihen, wenn er versichert, dass er selbst in dieser Gegend glückliche Tage seiner Jugend und selbst seines Mannesalters verlebt hat.
Wir sind auch somit zum Ende der Beschreibung von Reyssig gelangt und finden nichts Erwähnenswerthes mehr, als dass Reyssig mit Haselbrunn in die Hauptkirche zu Plauen gepfarrt sind und dass es mit seinen Bewohnern unter das Gerichtsamt Plauen gehört.[VL 1]
Anmerkungen der Vorlage
- ↑ handschriftlicher Eintrag: Solche Ausführungen werden in einem Geschichtsbuch zum Quatsch.