Auch bis an den Anhaltepunkt Jocketa an der Sächsisch-Bairischen Eisenbahn ist die Entfernung nur gering zu nennen und gewährt also auch in sofern zur Absetzung seiner Erzeugnisse Vortheile, die andere Güter in der Art nicht haben.
Das Herrenhaus ist nicht allzugross und steht mit einigen Veränderungen und Neubauten erst seit 1801, da das frühere ein Raub der Flammen wurde.
Die Wirthschaftsgebäude sind jetzt in gutem Zustande und Herr Schneider zieht sehr herrliches Rindvieh.
In früheren Zeiten war Reyssig ein Vergnügungsort für Plauens Bürgerstand, worauf es nach dem Jahre 1813 bei dem Entstehen neuer Vergnügungsorte in Plauen selbst in den Hintergrund trat. Erst in den 40er Jahren unseres Jahrhunderts wurde es wieder genannt und kam wieder in Aufnahme durch den in seiner Nähe in Angriff genommenen Brückenbau von Jocketa. Da sah man täglich Fusswanderungen von Jung und Alt vorüberziehen, um den grossartigen Bau dieser Brücke zu bewundern und anzustaunen. Keine Stunde der Nacht verging, wo nicht durch Reyssig Zurückfahrende von dieser Wanderung kamen.
Manch frohe Erinnerung der Jugend wird sich an diese Wanderung in späterer Zeit knüpfen. Denn nur im heitern, frohen Familienkreise wurden gewöhnlich diese Wanderungen unternommen, und wenn diese Kinder herangewachsen sein werden, werden sie gern an diese glücklichste Zeit, diese Wanderungen zurück denken. Schreiber dieses hat es selbst von eignen Kindern erlebt, wie lebhaft sie sich jener Wanderungen noch erinnern.
Es mag zwar eine spätere Zeit kommen, die reicher und genussvoller ist – da der Liebe Zaubermacht Rosen streut, so voll und duftig, dass dagegen die Rosen, welche die Kindheit schmückten, blass und matt erscheinen. Diese Zeit mag berauschender sein – wo aber ist die selige Sorglosigkeit, das tiefe, feste Vertrauen der Kindheitstage?
Unter den süssduftenden, dunkelglühenden Rosen liegen Schlangen mit giftigem Zahne, Erfahrung, Zweifel, Angst und Furcht, von dem allen des Kindes Herz nichts weiss. Und wie oft bewährt sich diese Furcht, wie kurz ist oft der himmlischsüsse Traum, wie bitter das Erwachen.
Darum wird es jedes Vaters heiligste Pflicht, jeder Mutter grösste Sorge sein, dem eignen Kinde die liebliche, sonnige Kindheit nicht zu trüben und unnütz keine Thräne zu vergiessen, damit ihm die Erinnerung an die Kindheit süss und heilig sei, dass sie sich wie ein goldener Faden durch die spätern Tage ziehe.
Doch wohin hin ich gekommen mit meiner Beschreibung von Reyssig? Man wird aber dem Schreiber dieses die kurze Abschweifung verzeihen, wenn er versichert, dass er selbst in dieser Gegend glückliche Tage seiner Jugend und selbst seines Mannesalters verlebt hat.
Wir sind auch somit zum Ende der Beschreibung von Reyssig gelangt und finden nichts Erwähnenswerthes mehr, als dass Reyssig mit Haselbrunn in die Hauptkirche zu Plauen gepfarrt sind und dass es mit seinen Bewohnern unter das Gerichtsamt Plauen gehört.[VL 1]
Anmerkungen der Vorlage
- ↑ handschriftlicher Eintrag: Solche Ausführungen werden in einem Geschichtsbuch zum Quatsch.
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen V. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1859, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_V.djvu/293&oldid=- (Version vom 7.1.2017)