Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Possendorf
zwei Stunden südlich von Dresden, zwei Stunden nördlich von Dippoldiswalde, zwei Stunden östlich von Tharandt, an der Strasse von Dresden ins Gebirge in einer weiten Schlucht gelegen, aus welcher nordwärts der Göhligberg und südwärts das Oelssergebirge nur sanft ansteigt; letzteres hat man als den Anfang des Erzgebirges zu betrachten. Der Göhlig bildet einen, aus Süden steil ansteigenden Crath, dessen Länge von Ost nach West geht, und welcher gegen Nord nur allmählig, dafür aber auch bis nach Gostriz und Leubnitz ohne Unterbrechung eine Stunde weit abfällt und sich mit seinem Fusse in das Elbthal verliert. Sehr ähnlich ist er seinem westlichen fast eben so hohen Nachbar, dem Horkenberg. Seine Meereshöhe beträgt 1140 pariser Fuss.
Seinen westlichen Abhang bedeckt ein geringer Flügel des Peissenwaldes, wovon der grösste Theil Domaine ist, und aus 300 Acker Flächenraum besteht. Unter demselben streichen die wichtigen Kalklager, weshalb in dessen Nähe mehrere Kalköfen erbaut sind, deren Nutzung wegen der Nähe der Steinkohlenwerke von Bedeutung ist. Der Grund des Peissenbaches trennt die fünf wichtigen Berge – den Göhlig-, Horken-, Kiefernberg, den kleinen und grossen Windberg.
Die Schlucht von Possendorf senkt sich allmählig zu diesem Peissengrunde herab. Die Meereshöhe des Orts beträgt zwischen 850 bis 950 pariser Fuss und seine Form ist nicht, wie man aus der Lage vermuthen könnte, lang gestreckt, sondern fast rund.
Die Lage selbst, abgesehen von den herrlichen Aussichten der umliegenden Höhen ist eben nicht angenehm, der Boden aber noch ziemlich fruchtbar zu nennen.
Die Ortsflur betrug früher nach Höhen berechnet 31¾ und wegen dieser ihrer Grösse treiben die Einwohner meist Oekonomie und Tagelöhnerei; ausserdem hat sich auch die Fabrikation von Strohgeflechten bis hierher ausgedehnt und viele der Bewohner treiben Holz-, Bretter, und Getreidehandel; aber die grösste Zahl bedeutenden Obstbau.
Das Rittergut, nördlich von der Kirche gelegen, ist meistentheils aus Bauergrundstücken gebildet, weshalb es nie mit Rittergutsgeldern belegt war. Erst im Jahre 1716 erhielt es die Schriftsässigkeit und übte beiderlei Gerichte über den Raum der geistlichen Gebäude, über den Gasthof und über die 24 vom Gute abgebauten Häuser, welche zwei Reihen ergaben und unter gleichem Dache fortlaufende Gebäude ausmachen. Das Gut ist nicht eben gross, besitzt aber eine wohl eingerichtete Wirthschaft, gute und vortreffliche Schäferei, Brauerei, Ziegelei und Kalkbrennerei und zeichnet sich durch seine schönen ringsum übersetzten Gebäude in dasiger Umgegend vorteilhaft aus.
Der Ort selbst ist sehr alt und kommt schon in den Urkunden vom 12. Jahrhundert vor.
Bis zum Jahre 1286 war Possendorf Eigenthum und Lehn der Burggrafen von Dohna. Aber im gedachten Jahre räumten diese das Lehen darüber dem Bischof von Meissen ein, welcher dasselbe über einige, von den Burggrafen an das Maternihospital in Dresden geschenkte Güter verloren hatte. Der Bischof belehnte nun den Burggrafen weder mit Bosetendorf, wie es in der darauf beziehenden Urkunde genannt wird. Später kam das Gut an die Familie von Metzradt und dann erhielt es [210] das von Trützler’sche Geschlecht, welche es bis in die dreissiger Jahre dieses Jahrhunderts besassen.
Jetzt ist Herr von Otto damit beliehen, welcher auch Collator über Kirche und Schule ist.
Die Pfarrkirche steht fast in des Dorfes Mitte und ist ein ansehnliches, geschmackvolles Gebäude mit einem der höchsten und gefälligsten Thürme in der Gegend. Das Gotteshaus wurde 1596 neu erbauet.
Die Parochie, welche zu der Leubnitzer Adjunctur der Ephorie Dresden bezirkt ist, hat einen grossen Umfang; denn sie begleitet noch 13 meist kleine Ortschaften, nämlich: Wendisch-Carsdorf, Börnichen, Willmsdorf, Quohren, Welschhuse,[VL 1] Klein-Carsdorf, Theisowiz, Gross- und Klein-Kleba, Bärenklause, Babisnau, Bröschen, Rippgen und Hähnigen.
Zum besten armer Schulkinder sind mehrere ältere Legate vorhanden, die der Pfarrer mit Zuziehung des Schullehrers vertheilt.
Dicht bei dem Rittergute steht der sehr grosse Gasthof, dessen Ertrag sehr stark, ja fast zum Sprichwort in der Gegend geworden ist, indem man sagt: es giebt nur ein Possendorf in der Welt.
Früher war dort noch ein Gleitshaus, welches durch die veränderte Gesetzgebung als solches eingegangen ist, aber bei diesem Hause steht eine Windmühle.
Der Ort besitzt auch am Göhligberge und in Süden einige Steinbrüche, und über die letztern trifft man eine reizende Uebersicht des Kreyscher-Thals, nebst den Elbgebirgen im Hintergrund.
Ungleich schöner indessen ist die Aussicht vom Göhlig oder Göhligberge und begreift den Haupttheil der Aussicht, welche man vom Hermsdorfer Berge am Wilisch geniesst, sie ist ziemlich dieselbe, die die Pennereicherhöhe darbietet.
Unaufhaltsam schweift der freudige Blick über dem ganzen weiten und herrlichen Elbthale von Pillnitz bis unter Kötschenbrode; mitten darinnen erglänzen die hohen Thürme und Paläste der Königsstadt und Fülle des Reichthums geht sichtbar von ihr auf die nächsten, durchaus wohlgebauten mit so mancher Villa prangenden Dörfer über.
Der Elbspiegel unter Dresden mit dem Schlosse Uebigau ist aber sowohl an sich, als zum grossen Ganzen eine entzückende Parthie, die demselben erst rechtes Leben und reiche Bedeutung giebt und den Blick unwiderstehlich nach den rechter Hand sich zeigenden Felsencolossen der sächsischen Schweiz drängt.
Jenseits des Stromes schwingen sich, in der mannigfaltigsten Bekleidung die Pillnitzer und Coswiger Weinberge dem Wasser entlang, selbst die Gebirge von Weinböhlau und Oberau sind deutlich zu schauen.
Hoch über alles ragt endlich im Nordost der Keulenberg empor.
Vor der neuen Gerichtsorganisation concurrirten hier verschiedene Gerichtbarkeiten.
Der grössere Theil des Dorfes gehörte ins Amt Dippoldiswalde, ein Theil ins Amt Dresden; der Dresdner Antheil gehörte dem Stadtrathe zu Dresden zu und machte einen Theil des Brückenamts aus, mit 150 Einwohnern, jetzt ist Possendorf dem Gerichtsamte Dippoldiswalde zugewiesen.
Anmerkungen der Vorlage
- ↑ handschriftliche Korrektur: Welschhufe