Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Naunhof
2½ Stunden südlich von Grossenhain gegen Moritzburg, 1⅝ Stunde westlich von Radeburg, ⅜ Stunden vom nordöstlichen Ende des Friedewaldes gelegen, am Baiersdorfer Bache in nordwestlicher Richtung hinab lang ausgestreckt.
Das Schloss, welches wir in der Abbildung sehen, ist mehr in neuerem Geschmack erbaut und wahrhaft prächtig zu nennen.
Seine Entstehung ist frühzeitig erfolgt, und hat seine eigenen Ritter gehabt, die von dem Orte dem Namen entlehnten, später mag Naunhof eine Zeit lang zu Moritzburg gehört haben.
Deshalb hatte auch das Rittergut längere Zeit der jedesmalige Moritzburger Jägermeister zum Genusse, ein Verhältniss, welches lange Zeit existirte. Daher kommt es auch, dass die Oekonomie des Guts eine vorzügliche zu nennen ist. Namentlich hat der Amtsverwalter Neitzsch sich grosse Verdienste um die Oeconomie des Gutes erworben.
Im Jahre 1800 kam das Gut an Herrn Boudré,[VL 1] worauf es an das von Egydische Geschlecht kam, bei welchem Geschlechte es sich auch jetzt noch befindet.
Zum Rittergute gehören grosse Schäfereien und grosse Teiche, wogegen unter der frühern Jurisdiction von Naunhof kein anderer Ort, als das Dorf Naunhof selbst stand.
Dagegen stellt der jedesmaligen Herrschaft von Naunhof das Collaturrecht über die dasige Kirche und Schule, und über die Nachbarkirche in Steinbach zu. Der Gottesdienst wird in beiden Kirchen wechselsweise gehalten und gemeinschaftlich besucht.
An Festtagen nur findet in jeder Kirche eine Predigt statt.
Bis Naunhof und Steinbach erstreckt sich die Moritzburger Haide, der Friedewald genannt.
Dieser in früheren Zeiten weit grössere Wald hiess sonst die Burggrafen-Haide und war das Wald- und Jagdrevier der Burggrafen zu Meissen, welches diese, nebst anderen Pertinenzien des Burggrafthums, bis zum Jahre 1429 als unmittelbares Reichslehn besassen, dann aber nebst ihren übrigen Besitzungen an den Chorfürsten abtraten.
Ein grosses Jagdschloss, wie später die Dianenburg mitten im Friedewalde erbaut wurde, hatten die Burggrafen noch nicht; aber ihre Jagden waren glänzend, die ganze benachbarte Ritterschaft mit Fräuleins und Knappen war dazu eingeladen und nahm daran Theil.
Und wenn das Signal zum Ende der Jagd gegeben, dann kam die glänzende Gesellschaft zusammen und ein Rittersmann trat hervor und lud alle Versammelte ein auf seine Burg zu einem Festgelage, wo an reicher [208] Tafel das Lob der Jägerinnen gefeiert und manch Minnelied gesungen wurde.
Doch auch Raubgesindel und Zigeunerbanden beherbergte die Burggrafenhaide und folgender Vorfall soll sich zu einer grossen Jagd zugetragen haben.
Ein Edelfräulein war von dem übrigen Jagdgefolge abgekommen und ward plötzlich von einem alten Mütterchen angesprochen, welches um eine Gabe flehte. Das Edelfräulein wies sie ab, da sie keine Börse bei sich habe.
Allein das alte Mütterchen wich nicht von der Stelle, vielmehr kamen noch mehre Männer dazu, umringten das Edelfräulein und machten Miene sie fortzuführen, wenn sie nicht gutwillig sich zu irgend einem Geschenk verstehen werde.
Jetzt blies die Geängstigte in ihr Jagdhorn, worauf von allen Seiten plötzlich Hülfe herbei eilte, so dass das Diebesgesindel vertrieben wurde. Aber noch ehe die Jagdgesellschaft auf ihre Rittersitzen wieder ankam, erfuhr man schon, dass die jüngste Schwester des Edelfräuleins von Zigeunern geraubt sei.
Aus Rache waren die Zigeuner nach dem Vorfalle im Walde sofort auf das benachbarte, ihnen wohlbekannte Ritterschloss jenes Edelfräuleins gezogen und wussten sich in dem Schlossgarten einzuschleichen, wo die Schwester mit ihrer Wärterin allein sich befand. Sofort wurde Jagd auf das ganze Diebesgesindel gemacht und der grösste Theil desselben eingefangen, aber das alte Mütterchen befand sich nicht unter den Gefangenen, ebenso wenig die Geraubte.
Nach allen Seiten wurden Kundschafter ausgeschickt, keine Spur war zu finden und schon gab man das Kind verloren.
Eines schönen Morgens reitet der Rittersmann allein durch seine Fluren und Holzungen; ein treuer Jagdhund war sein Begleiter. Plötzlich bleibt der Hund vor eine Felsenhöhle stehen und ist nicht von der Stelle zu bringen.
Der Hund läuft hinein in die Höhle, kommt wieder heraus, springt freudevoll an seinen Herrn herauf und will denselben so gleichsam bewegen, ihm in die Höhle zu folgen.
Endlich fasste der Ritter den Entschluss, selbst in die Höhle zu gehen, und Himmel, was erblicken seine Augen! An einem spärlichen Lampenlichte sitzt die alte Zigeunerin und neben ihr, mit weiblicher Arbeit beschäftigt, sein Kind, die sich ziemlich an die Alte gewöhnt zu haben schien und sie Mutter Steinbach nannte. Die Alte erzählte nun, dass sie ganz verlassen hier lebe und schon lange ihre That bereut habe. Der Ritter verzieh ihr, nahm sein Kind und zum Andenken an die glückliche Rettung des Kindes soll derselbe das Dorf Steinbach erbaut haben, welches nahe am Friedewalde und von Moritzburg 1 Stunde entfernt liegt.
Steinbach hat daher auch eine Nachbarkirche von Naunhof und die Collatur steht dem Rittergute Naunhof zu, weshalb man auch auf die Vermuthung gekommen ist, dass der Erbauer von Steinbach ein Besitzer von Naunhof war.
In der Nähe von Steinbach befinden sich mächtige Torflager und dasselbe hat auch einigen Weinbau.
In Steinbach wie in Naunhof befinden sich je eine Windmühle.
Bemerkenswerth ist auch, dass zum Rittersitze von Naunhof noch 13 Häuser und eine Ziegelhütte gehören, was zusammen der neue Anbau genannt wird.
Naunhof mit seinen 380 Einwohnern gehört jetzt zum Gerichtsamte Radeburg, Steinbach mit 319 Insassen zum Gerichtsamte Moritzburg.
Anmerkungen der Vorlage
- ↑ handschriftliche Korrektur: Boufé