Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Pomsen
Hart an der Kunststrasse, welche Leipzig mit Grimma verbindet, erhebt sich am nordöstlichen Ende eines ziemlich grossen Dorfes das hohe stattliche mit Ziergiebeln und Thürmen geschmückte alterthümliche Schloss Pomsen. Das hiesige Rittergut ist das bedeutenste des Leipziger Kreises, und sein weitumfassender, obwohl nicht beisammenliegender Sprengel könnte wohl eher eine Herrschaft genannt werden, indem er den Raum von mehr als einer Quadratmeile einnimmt. Zu dem Rittergute gehören, ausser dem Städtchen Naunhof, die Dörfer Pomsen, Grethen, Klinge, Kleinsteinberg, Seifartshain, Albrechtshain, Fuchshain, Erdmannshain, Stockheim und das vormalige Antonierkloster Eicha, welches letztere der Churfurst von Sachsen im Jahre 1525 einzog, und dem Ritter von Minkwitz für 900 Gülden verkaufte. Das Areal des Gutes Pomsen mit Naunhof und den Vorwerken Fuchshain und Eicha enthält einen Flächenraum von 2220 Aeckern, bestehend in 1100 Aeckern Feld, 220 Aeckern Wiesen, 100 Aeckern Teichen mit bedeutender Fischerei, und 800 Aeckern Waldung. Im Jahre 1847, wo der jetzige Herr Besitzer Pomsens die Bewirthschaftung der Güter selbst übernahm, wurde in Pomsen eine Dampfbrennerei erbaut, welche jährlich nicht weniger als 20–30,000 Dresdner Scheffel Kartoffeln verarbeitet, und in neuester Zeit hat die Feldwirthschaft durch umfangreiche Meliorationen und Urbarmachungen bedeutende Erweiterungen erfahren. An technischen Gewerben hat das Rittergut, ausser der Brennerei eine Brauerei, eine Mehl-, Oel- und Schneidemühle an dem nahen Flusse Parthe, eine Ziegelei beim Vorwerk Eicha und eine Mehlmühle bei Albrechtshain. Das Schloss, ein altes weitläufiges Gebäude, welches im Laufe der Jahrhunderte mancherlei Reparaturen erfuhr, wurde in den Jahren
[29] 1848 und 1849 durch einen gründlichen Umbau ungemein verschönert, auch entstand in den Jahren 1847 und 1848 ein hübscher Park. Pomsen mit Naunhof üben Gerichtsbarkeit über die Ortschaften Naunhof, Pomsen, Stockheim, Grethen, Klinge, Erdmannshain, Eicha, Albrechtshain, Kleinsteinberg, Seifartshain und Fuchshain; sowie die Collatur über die Pfarr- und Schulstellen zu Pomsen, Naunhof mit Klinge, Albrechtshain mit Erdmannshain, Seifartshain mit Fuchshain, und die Schulstellen zu Grethen und Stockheim. In früheren Zeiten hatte Pomsen das Recht der peinlichen Justizpflege, und eine Menge noch vorhandener Urkunden, sowie ein noch jetzt „der Köppberg“ genanntes Stück Feld geben hinreichende Beweise von vielen hier stattgefundenen Hinrichtungen.
In den ältesten Zeiten gehörte das Rittergut einer Familie von Pomsen, die jedoch schon im dreizehnten Jahrhundert ausgestorben war. Der letzte Spross dieses Geschlechts, Feige von Pomsen, wird als ein tapferer und mannhafter Ritter geschildert, der Schwert und Lanze ebenso rüstig zu schwingen verstand, wie den gefüllten Becher. Als Ritter von ächtem Schrot und Korn lebte er in unaufhörlicher Fehde mit seinen geistlichen Nachbarn, den Mönchen des Augustinerklosters zu Grimma, und es gehörte zu Ritter Feiges besonderen Genüssen einen dieser Augustiner zu maltraitiren. Auf der Wartburg bei Eisenach zeigt man noch jetzt eine zentnerschwere eiserne Rüstung, welche einst Feiges von Pomsen Eigenthum war, und einen Begriff giebt von der ungeheuren Grosse und Körperstärke ihres ritterlichen Trägers. – Im Jahre 1444 besass Hans Pflugk das Rittergut Pomsen, nebst den Dörfern Seifartshain, Fuchshain, Möckern, Gohlis, Lausa, Göhrens und Albrechtsdorf, und als er um das Jahr 1490 starb erbte die väterlichen Güter, mit Ausnahme des Dorfes Fuchshain, sein Sohn, Hans Pflugk, der im Jahre 1520 mit Tode abging, und vier Söhne hinterliess, von denen Johannes, Zschocher und Gohlis, Moritz Pomsen und Seifartshain, Georg Pötzschkau und Albertsdorf und Wolf Winndorf, Lausen, Göhrens und Möckern erhielten.
Die Stammtafeln des uralten Geschlechts der Pflugke nennen einen Julius Pflugk, Bischof von Naumburg und Zeitz, der bereits zum Cardinal bestimmt war, den Glücklichen – sie erwähnen aber auch einen Moritz Pflugk mit dem Zusatze „der Unglückliche“ und dieser war der Besitzer Pomsens. Im Jahre 1534 verkaufte er das Rittergut an Nickel von Minkwitz und zog nach Leipzig, wo er als ein Freund der Wissenschaften sich namentlich mit theologischen Studien beschäftigte. In dem Knopfe des Thomasthurmes zu Leipzig befindet sich eine Schrift vom Jahre 1537, welche über das unglückliche Ende Moritz Pflugks Aufschluss giebt. Es heisst darin: „Nicht weniger hat man auch in diesen so glücklichen Zeiten Recht und Gerechtigkeit wohl gehandhabet, denn als Moritz Pflugk, der aus einem berühmten und mächtigen Geschlechte und Hause entsprossen, und ein Sohn war Hans Pflugks auf Zschocher, mit Barbara, Johann von Legmers Tochter und Christoph Weissens hiesigen Bürgers Eheweib, Ehebruch getrieben, ihren Ehemann, als er dazu gekommen, umgebracht und nach geschehener That, als der Ermordete noch in seinem Blute gelegen, bei dem Weibe geblieben, das von dem bösen Handel Wissenschaft hatte und gleichwohl die Ermordung ihres Mannes bis den anderen Tag verborgen gehalten, da ist mitten auf dem Markte eine Schaubühne aufgerichtet worden, auf dass jedermänniglich es besser sehen könne, und hat man der Nachwelt zu einem merkwürdigen Exempel Moritz Pflugken und dem Weibe, beiden die Köpfe abschlagen lassen.“ In dem Pfarrarchive zu Grosszschocher befindet sich noch jetzt eine Abschrift des Testaments, welches Moritz Pflugk, als er auf dem Rathhause zu Leipzig gefänglich gesessen, wenige Tage vor seinem Tode vor dem damaligen Bürgermeister Wolf Wiedemann und dem Gerichtsactuar am 17. October 1537 aufgesetzt und übergeben. Er bestimmt darin dem hochgelahrten Herrn Doctor Martin Luthern 530 Thaler, Herrn Philipp Melanchthon 300 Thaler, die grösste goldene Kette Jörgen, seinem Bruder; die kleine Kette mit dem Herzlein seiner Schwester der Hauptmännin zum Senftenberg; zehn Thaler dem Pfarrherrn Caspar zu Trebsen, zehn Thaler dem Pfarrhern zu Belgern, den grauen purpurreinischen Rock mit Sammet verbrämet Bennen, seinem Vetter, eine spanische Kappe mit Sammet, seinem Vetter Wolf, dem Pflugken auf Zschocher, seine Bücher irgend einem frommen Priester im Churfürstenthum, Bernhard Mutzschen seinem Jungen fünf Thaler, dem alten Nickel zu Gaschwitz zwölf Gülden, Hans Fischern, dem Frohn, einen Thaler, dem Stockmeister einen Thaler, dessen Weibe einen Thaler, den beiden Knechten, die seiner gewartet und bei ihm im Stüblein gewesen, jeglichem einen Thaler und dem Stubenheizer einen halben Thaler. Zugleich zeigt er auch an, dass der Pfarrer zu Pomsen von ihm ein Gütlein zum Geschenke erhalten, und bittet seinen Bruder Johannes: er möge Haus von Ponickau auf Pomsen ersuchen und bitten, dass er dem Pfarrherrn solches lassen wolle. Das Testament schliesst mit der Hoffnung seine Brüder und Vettern würden über diesen seinen letzten Willen keine Beschwerung wagen, da er ihnen noch genugsam hinterlassen. – Die bei dem damaligen Geldwerthe sehr bedeutenden Legate, welche der unglückliche Moritz Pflugk den Reformatoren Luther und Melanchthon aussetzte, beweisen, dass er der neuen Lehre eifrig anhing, und da zu jener Zeit Pomsen und Seifartshain längst lutherisch waren, bedachte er auch die Pfarrherren zu Trebsen und Belgern. Der Pfarrer in Belgern war der nachmals so berühmte Dr. Pfeffinger, vorher erster lutherischer Priester zu Eicha, wohin die von Herzog Georg dem Bärtigen grausam verfolgten Protestanten aus Leipzig und anderen Orten wallfahrteten um dort das Abendmahl zu geniessen. Pfeffinger starb 1572 als Superintendent zu Leipzig.
Nickel von Minkwitz, welcher Pomsen von Moritz Pflugk erkaufte, besass selbiges blos bis 1536, wo es Hans von Ponickau, Churfürstlicher Amtmann und Freisasse zu Grimma, an sich brachte. Derselbe starb 1573 und hinterliess das Gut seinem Sohne Hans II., nach dessen 1613 erfolgtem Tode es Hans III. von Ponickau, Churfürstlich Sächsischer Amtshauptmann und Reichspfennigmeister, erbte und bis 1642 behielt. In diesem Jahre übernahm es sein Sohn Johann Christoph von Ponickau, nach ihm Johann Christoph II. von Ponickau, Churfürstlich Sächsischer Kammerherr und Appellationsrath, und endlich Johann Christoph III. von Ponickau, Königl. Polnischer und Churfürstlich Sächsischer Kammerherr und Geheimerath, der letzte Besitzer Pomsens aus dem Geschlechte der Ponickaus, welcher das Gut 1782 an Andreas Ludwig, Churfürstlich Sächsischen Amtsverwalter, verkaufte, alljährlich aber zweimal von Merseburg oder Dresden, wo er sich abwechselnd aufhielt, nach Pomsen kam, um daselbst zu communiciren. Andreas Ludwig starb 1791, und Pomsen kam an Carl Sigismund Emilius von Uechtritz, welcher viele [30] nützliche Verbesserungen in der Wirthschaft und an den Gebäuden vornahm, bedeutende Obstplantagen anlegte, jedoch in Folge vielfacher Unglücksfälle das Gut nur bis 1815 erhalten konnte, wo Sequestration desselben stattfand, nach deren Beendigung Pomsen mit allen dazu gehörigen Ortschaften an Herrn Johann Gottfried Dietze, königl. Sächsischen Kammercommissionsrath, gelangte, der nach zehnjährigem Besitze 1830 mit Tode abging, und die Güter seinem damals noch minorennen Sohne Herrn Johann Gottfried Dietze hinterliess, welcher seit 1847 die Bewirthschaftung und Verwaltung derselben selbst übernommen hat.
Unter den früheren Besitzern Pomsens zeichnete sich besonders der churfürstliche Amtmann zu Grimma, Hans von Ponickau, als ein geschickter und einflussreicher Staatsmann aus, der dem Churfürsten Moritz und August von Sachsen in mancherlei Aemtern diente. Er hielt sich zu Pomsen wie zu Eicha einen Schösser, welchen Titel der Gerichtsverwalter noch heut zu Tage führt. Blasius Peckenstein, der Vater des berühmten Historikers, begleitete dieses Amt von 1536 bis 1545. Bereits im funfzehnten Jahrhundert stand Pomsen unter der Lehnsherrschaft der Burggrafen von Leissnig, welche im Jahre 1490 den Ritter Hans Pflugk mit dem Gute und allem Zubehör belehnten. In der Urkunde wird Pomsen sonderbarer Weise ein Vorwerk genannt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass das Dorf in einiger kirchlichen Verbindung mit den Klöstern zu Leipzig stand, denn im Jahre 1391 wurde Albrecht, der Pleban zu Pomsen, zum Vorsteher der Leipziger Johanniskirche erwählt.
Noch müssen wir einer hübschen Sage erwähnen, die am Schlosse zu Pomsen haftet, und auf die Familie der Ponickaus Bezug hat. Es war nämlich im Jahre 1685, wo Johann Christophs II. von Ponickau Gemahlin kürzlich eines Kindleins genesen, in stiller Nacht sammt dem Neugebornen im Wochenzimmer ruhte, als sie plötzlich durch ein leises Geräusch erwachte und von dem ungeheuren Ofen her ein kleines kaum spannenlanges Männlein auf sich zukommen sah, welches vor dem Bette stehen bleibend, sich tief verbeugte, und die Edelfrau in wohlgesetzter Rede um Erlaubniss bat, in ihrem Wochenzimmer das Hochzeitsfest eines Zwergenpärchens feiern zu dürfen. Die ebenso erstaunte wie neugierige Frau von Ponickau gab dem Männlein freundlich die erbetene Erlaubniss, und alsbald erschien eine wohlgeputzte Gesellschaft der kleinen Leute, das winzige Brautpaar an der Spitze, welche in aller Stille und anständiger Heiterkeit ihr Mahl einnahmen und darauf ein Tänzchen machten. Nachdem das Fest vorüber war trat dass erstgenannte Männlein wiederum vor die Edelfrau und überreichte ihr zwei Brödchen und einen kleinen Goldreif, mit der Aufforderung, sie solle dieses Geschenk der kleinen Geschöpfe wohl verwahren, denn so lange dasselbe im Besitze der Familie Ponikau auf Pomsen sich befände, würde diese blühen und mächtig sein. Als die Edelfrau ihrem Gemahle die Rede des Zwerges mitgetheilt und die Geschenke desselben eingehändigt hatte, liess der Schlossherr das Ringlein sammt den Brödchen in den Schlossthurm einmauern, und hielt nunmehr das verhängnissvolle Geschenk für ewig gesichert. Da schlug bei einem heftigen Gewitter im Jahre 1726 ein zündender Blitzstrahl in den Schlossthurm und die Flammen verzehrten mit demselben auch die Geschenke des Zwerges, ohne jedoch das Schlossgebäude zu beschädigen. Der damalige Pfarrer zu Pomsen M. Steinhäuser, sagt am Schlusse der im Kirchenbuche niedergeschriebenen Erzählung dieses unglücklichen Ereignisses: „was hierauf erfolgt ist leider nicht unbekannt, und will damit höchst wahrscheinlich die Befürchtung aussprechen, der Verlust der Zwergengabe werde den Untergang der Ponickaus auf Pomsen nach sich ziehen. Die Rede des Zwerges ging in Erfüllung, das reiche Geschlecht kam in seinen Vermögensverhältnissen von jener Zeit an zurück, und musste endlich, wie schon erzählt, im Jahre 1782 das Rittergut Pomsen veräussern, nachdem es fast 250 Jahre lang im Besitze der Familie gewesen war.
Die Kirche zu Pomsen, ein altes durch spätere Bauveränderungen erweitertes Gebäude, besitzt einen vortrefflich gearbeiteten sandsteinernen Altar und mehrere schön ausgeführte Denkmäler der Familie Ponikau. In dem Erbbegräbnisse, welches sich unter der Kirche befindet, stehen vierundzwanzig zinnerne Särge. – In der Parochie Pomsen befinden sich zwei Schulen mit Kirchendienst, eine zu Pomsen und die andere in dem Filialdorfe Grosssteinberg, in welcher zusammen etwa zweihundert Kinder unterrichtet werden. Das Areal des Dorfes Pomsen besteht aus 1049 Ackern, 38 □ Ruthen, mit 22385,86 Steuereinheiten. Ausser der Kirche und Schule enthält das Dorf einen Gasthof, eine Feldmeisterei, acht Pferdnergüter, siebzehn Hintersässergüter, dreizehn Gärtnergüter, zwei Häusler mit Grundstücken, eine Schmiede und achtundvierzig Häuslernahrungen, ein Gemeindehaus mit Bäckerei und ein mit Legaten ausgestattetes Armenhospital. Das Dorf zählt gegen 750 Einwohner.