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Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Ober-Leutersdorf

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Textdaten
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Autor: Moritz Grimmel
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Titel: Ober-Leutersdorf
Untertitel:
aus: Markgrafenthum Oberlausitz, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 3, Seite 113–115
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854–1861
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
Kurzbeschreibung:
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Ober - Leutersdorf
Ober - Leutersdorf


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Ober-Leutersdorf.


Ober-Leutersdorf, in alten Urkunden Lutgers- oder Lutgardsdorf genannt, liegt 7 Stunden von Bautzen, 3 Stunden von Zittau, in gleicher Entfernung von Löbau, 2 Stunden von Herrnhut, 1 Meile östlich von der böhmischen Stadt Rumburg.

Wir müssen hier voraus schicken, dass Ober-Leutersdorf in den sächsischen und böhmischen Antheil zerfällt. Zu dem ersteren gehört: Ober-Leutersdorf I., der Ort, dem unsere specielle Beschreibung gewidmet ist, ferner Ober-Leutersdorf II. und III., Hetzwalde mit Mittel-Leutersdorf und Neu-Mittel-Leutersdorf und der zum Dominium gehörigen Bleiche. Letzterer umfasst die Orte Nieder-Leutersdorf, Josephidorf und Neuwalde in sich.

Ober-Leutersdorf I. zählt für sich nur 51 bewohnte Gebäude mit 78 Familien-Haushaltungen und 415 Bewohnern.

Ober-Leutersdorf I. gehört jetzt zum Gerichtsamte Grossschönau, zum Bezirksgerichte Zittau, zur Amtshauptmannschaft Zittau, zum Regierungsbezirk Bautzen. Zu dem Rittergute mit dem Ort Neuwalde gehören 300 Acker Feld, 100 Acker Wiesen und 200 Acker gut bestandene Waldung; der Viehstand besteht aus 50 Stück Rindvieh, 160 Schafen und 8 Pferden.

Ein von Bergen und Höhen begrenztes herrliches Thal umgiebt die Ortschaften Ober- und Niederleutersdorf. Unmittelbar aus diesem Thale erheben sich 3 sogenannte Spitzberge, der Oderwitzer, Spitzkunnersdorfer und Warnsdorfer und gewähren die herrlichste Rundsicht nach allen Himmelsgegenden hin. Nicht minder schön sind von den ringsum befindlichen Höhen die Fernsichten nach den böhmisch-lausitzer-böhmischen-schlesischen Gebirgen und nach den Niederungen der königl. preuss. Oberlausitz und des daran stossenden Schlesiens. Umgeben von den lebendigen Fabrikörtern, wie Eubau, Alt- und Neugersdorf, Rumburg, Seifhennersdorf, Warnsdorf, Grossschönau, Spitzcunnersdorf, Ober- und Nieder-Oderwitz gehört auch Oberleutersdorf I. zu denjenigen Orten, welche sich durch regen Fabrikfleiss auszeichnen. Leinene und meist baumwollene Stoffe werden hier gearbeitet und auf den Messen zu Leipzig und Frankfurt, auf den Märkten zu Wien, Prag und Brünn vertrieben.

Aus den früheren Zeiten haben wir über den Ort nur mangelhafte Nachrichten, da im Jahre 1719 durch einen Brand in Oberleutersdorf alle darauf bezügliche Urkunden ein Raub der Flammen geworden sind. Nur soviel wird erzählt, dass, als die Bischöffe von Meissen die Stadt Zittau befehdeten, die Meissner im Jahre 1347 hier plünderten, aber von den Zittauern angegriffen und überwunden wurden.

Aller Wahrscheinlichkeit zu Folge gehörte Leutersdorf in früherer Zeit zu dem Vassallagio der Standesherrschaft Seidenberg, und noch früher stand es in einem gleichen Verhältnisse zur Herrschaft Friedland.

Erst zu Anfang des 17. Jahrhunderts scheint der Ort aus seinem früheren Verbande gekommen zu sein. Wir finden in dieser Zeit als besondere Besitzerin die Familie von Haferland. Im Jahre 1639 war noch ein gewisser Siegismund von Haferland Besitzer des Gutes, von welchem es an dessen Schwiegersohn Herrn Joachim Ernst von Kyaw, dem Sohne eines Wilrich von Kyaw auf Giessmanndorf und Friedersdorf überging, welcher mit Veronica von Haferland vermählt war. Im Jahre 1647 kaufte das Gut Hans Georg von Oberland auf Lomnitz an der Saale, [114] welcher seit 1640 mit einer Tochter des vorerwähnten Wilrichs von Kyaw vermählt war, um den Preis von 4100 Thaler indem es durch den 30jährigen Krieg fast gänzlich verwüstet war.

Gleicher Zeit befand sich die Familie von Haferland noch in einem kleinen Besitze von Leutersdorf, was wohl das jetzt sogenannte Freigut Oberleutersdorf III. umfasst haben mag.

Im Jahre 1688 verkaufte Johann Georg von Oberland, Rittmeister in der chursächs. Armee, das Gut Oberleutersdorf seinem jüngsten Sohne, dem Obristwachtmeister Heinrich Eberhardt von Oberland, welcher bereits im Dienste der sächsischen Hilfstruppen an dem Feldzuge der Venetianer in Dalmatien und Morea Theil genommen hatte. Nach dessen Tode kam das Gut in den Besitz seines jüngsten Sohnes, des Obristlieutenant Eberhardt Gottlob Ehrenfried von Oberland. Letzterer verkaufte im Jahre 1735 nicht nur 2 Antheile von Oberleutersdorf, das sogenannte Haferlandische Freigut und das durch Einziehung einiger Bauergüter entstandene Dominium, welches jetzt den Namen Oberleutersdorf II. führt an Gottfried Hüttig, sondern auch das Vorwerk Mittel-Leutersdorf ebenfalls mit Gerechtsamen eines Rittergutes versehen, an Gottlob Schöbel.

Seit dieser Zeit zerfällt der Sächs. Antheil in Oberleutersdorf I., Oberleutersdorf II. mit Hetzwalde, Oberleutersdorf III. und Mittel-Leutersdorf mit Neu-Mittel-Leutersdorf.

Nach dem Tode des Obristlieutenant von Oberland im Jahre 1757 wurde dessen Bruder, Herr Kammerherr Adolph Ferdinand von Oberland, Besitzer des Gutes Oberleutersdorf I. Derselbe starb 1775 und ihm folgte seine einzige Tochter verehel. Frau Henriette Caroline Amalie von Nostitz, deren Gemahl Herr Gottlob Ehrenreich von Nostitz aus dem Hause Weigsdorf war. Frau von Nostitz verkaufte nach ihres Herrn Gemahls Tode im Jahre 1776 das Gut an Gottfried Glathe auf Niederzodel: An denselben Glathe, welcher in der Nacht vom 31. Juli bis zum 1. August des Jahres 1800 das Unglück hatte, durch gewaltsamen Einbruch der Räuberbande eines gewissen Karreseck aus Prag seines grossen baaren Geldes und anderer werthvoller Gegenstände beraubt zu werden. Die Bande wurde später durch ein sächs. Dragonerregiment aufgehoben, die Betheiligten an dem Raube eingezogen und zur verdienten Strafe gezogen, von der entwendeten Summe selbst ist aber nur sehr wenig wieder erlangt worden. Zur Karreseckschen Bande gehörten selbst Unterthanen der Gemeinden von Leutersdorf. Nach Glathes im Jahre 1810 erfolgtem Ableben übernahm dessen einzige Tochter, die verehel. Gottliebe Tugendreich Pohl, deren Gemahl Gottlieb Pohl Besitzer von Oberleutersdorf II. war, das väterliche Gut und hinterliess solches bei ihrem im Jahre 1823 erfolgten Ableben ihrem minorennen Sohne, Johann Gottfried Leberecht Pohl. Der Vormund dieses Pohls, Herr Pastor Noack, erbaute ein neues, schönes, herrliches, herrschaftliches Wohnhaus, wie es jetzt in der Abbildung zu sehen ist. Das in modernem Style erbaute Schloss liegt in dem untern Theile des Dorfes an dem geräumigen Marktplatze, das ehemalige Wirthschaftshaus so wie die ansehnlichen Wirthschaftsgebäude des Rittergutes schliessen sich dem an.

Im Jahre 1830 wurde Pohl majorenn und übernahm Oberleutersdorf I., wobei derselbe feierlich von seinen Gerichtsuntergebenen gehuldigt wurde.

Der jetzige Besitzer aber ist Herr Moritz Hermann. Der jedesmalige Besitzer von Oberleutersdorf I. ist auch Collator der Kirche.

Die Kirche der Parochie, von welcher die Sage geht, dass früher die Landesgrenze mitten durch dieselbe gegangen sei, liegt hart an der sächsisch-böhm. Landesgrenze, ist ein durch mehrmalige Erweiterung äusserlich wie innerlich in unregelmässigem Style gehaltenes Gebäude. Ursprünglich stand hier blos eine Kapelle, und war filia von Spitzcunnersdorf. Diese Verbindung wurde jedoch im Jahre 1576 aufgelöst und filia von Eubau, deren Pfarrer jedesmal am 3. Sonntage Predigt und Communion zu Leutersdorf hielt. Erst im Jahre 1647 wurde Leutersdorf durch Vermittlung des Herrn Georg von Oberland eine selbstständige Kirche, welche ihren eigenen Pfarrer erhielt.

Dieses Alles wurde mittelst Vorbeschieds bei dem Oberamte zu Bautzen mit dem Stadtrathe zu Zittau und der Herrschaft zu Spitzcunnersdorf ausgeglichen und festgestellt.

Der Sohn des Georg von Oberland, der Obristwachtmeister von Oberland liess nach seiner Rückkehr von Morea die Kirche erweitern und führte eine neue Liturgie des Gottesdienstes ein, so z. B. liess derselbe unter den Drangsalen des Schwedenkrieges die Kirchengemeinde das Vater Unser vor der Consecration des Brodes und Weines beim heiligen Mahle auf den Knieen beten, eine Anordnung, die seit 1706 zur Gewohnheit geblieben ist. In gleichem verdankt ihm das Anschlagen [115] der Glocken während des Gebetes des Vater Unser auf der Kanzel seine Einführung. Um der Sabbathentweihung und Verachtung des heiligen Abendmahls entgegen zu treten, befahl er den Kirchvätern die sorgfältigste Aufsicht an und bestimmte, dass jedem Hause, aus welchem ohne triftigen Grund nicht wenigstens eine erwachsene Person dem Gottesdienste beigewohnt habe, eine Strafe von zwei, im Wiederholungsfalle aber von vier Groschen auferlegt werden solle. Das Arbeiten an Sonn- und Festtagen wurde gänzlich und bei harten Strafen untersagt, sowie vorzüglich von diesem Herrn auch darauf gedrungen wurde, dass die Kinder fleissig die Schule besuchten; die Aeltern, die nicht darauf sahen, ermahnte derselbe ernstlich und erklärte ihnen eindringlich, wie dieses die beste Erbschaft wäre, die sie ihren Kindern hinterlassen könnten.

Demselben Herrn von Oberland wurde auch noch ein Mal im Jahre 1727 sein jus patronatus von der Frau von Kanitz und deren Gemahl auf Spitzcunnersdorf streitig gemacht und über ihn bei dem churfürstl. Sächs. Amte Görlitz Beschwerde geführt. Das nach Gehör der Partheien und erstattetem Bericht eingegangene Rescript lautete jedoch wörtlich folgender Maassen:

Friedrich August, König und Churferst:

Vnsser Rath, Lieber Getreuer, Uns ist geziemend vorgetragen worden, was ihr wegen des Kirchenlehns zu Oberleutersdorf und derer über Ersatzung dasiger vakanter Pfarrstelle zwischen Christian Tugendreich von Kanitz und dem Major Heinrich Ehrhardt von Oberland und dessen Sohne entstandenen Differenzien unterm 18. August unterthänigst berichtet. Wie wir nun denen von beiden Theilen eingewandten Appellationen zu deferiren Bedenken getragen:

Also begehren wir gnädigst, ihr wollet die Appellanten dessen bescheiden, den von Oberland bei der Possess in Ersatzung der vakanten Pfarrstelle gebührend schützen, im übrigen aber, wo die von Kanitz Gegentheilen Anspruchs zu erlassen, nicht gemeinet, die Sache zu rechtlicher Ausführung zu verweisen. An dem geschieht unser Wille und Meinung und wir seynd euch mit Gnaden gewogen.
Geben zu Dresden den 17. September 1728.      
L. A. von Seebach.
Erasmus Leopold von Gersdorf.

Die Ausführung des vermeintlichen Rechts wurde nicht unternommen, da der unglückliche Ausgang des Prozesses mit Gewissheit vorauszusehen war und Oberleutersdorf I. behielt bis auf die neuesten Zeiten sein jus patronatus.

Das Innere der Kirche bietet ausser einer ihrer Bedeutung nach räthselhaften Inschrift am Chore: Kaiser Ferdinand, renovirt 1623 etwas denkwürdiges nicht. Drei Gemälde, den letzten der Herren von Oberland und zwei Pfarrer Hermann sind nicht ohne Werth.

Das Kirchenvermögen, durch Vermächtnisse der Oberlandschen Familie immer vermehrt, ist nicht unbedeutend, sowie die Kirche selbst von ihren Gerichtsherrschaften reiche Geschenke an Altarbekleidung u. s. w. erhielt.

M. G.