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Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Hermsdorf (Lausa)

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Textdaten
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Autor: M. G.
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Titel: Hermsdorf
Untertitel:
aus: Meissner Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 2, Seite 137–139
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
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Hermsdorf
(bei Lausa[VL 1])


an der Röder, 4 Stunden nördlich von Dresden an der Camenzer Strasse gelegen, besitzt ein schönes Schloss mit Park, berühmte Schäferei und Brauerei und im Westen ein Vorwerk.

Das alte Schloss ist im Jahre 1748 abgebrannt und das jetzige, im erhabenen Style erbaute, datirt sich aus jener Zeit. Dasselbe ist mit drei Thürmen geschmückt, steht aber noch in der Tiefe. In demselben befindet sich eine geschmackvoll aufgestellte Bibliothek und eine seit dem 9. November 1777 concessionirte Hauscapelle.

Der reizende, mit Wasseranlagen reichlich versehene Garten wird von einem Arm der Röder durchflossen, welche auf die mannichfaltigste Art zu Teichen und Canälen benutzt worden ist. Unter den vielen interessanten, theils englischen, theils französischen Anlagen zeichnet sich ein schöner, von alten ehrwürdigen Teichen[VL 2] rings umgebener Teich vorzüglich aus. Der verstorbene Hausmarschall von Schönberg, welcher diesen Garten im Jahre 1764 anlegte, war oft in England; daher die Anlagen, besonders die Wasserparthien, im englischen Geschmack sind, der erst durch diesen Garten in Sachsen einheimisch geworden ist.

Unsere Nachrichten über die einzelnen Besitzer des Gutes gehen blos bis zum Jahre 1500 zurück. Damals verkauften es die Herren „Gevattern“ von Carlowitz an die von Zschieren, von welchen es im Jahre 1603 der Kurfürst Christian II. erkaufte. Derselbe behielt es nicht lange und überliess es dem Grafen von Bindlauf.

Dieser verstarb im Jahre 1616 und sein Epitaphium war in der protestantischen Hofkirche an einem der mittleren Pfeiler angebracht. Mit dieses Herrn Tode, der keine Erben hinterliess, fiel das Gut Hermsdorf oder Herrmannsdorf an den Kurfürsten Johann Georg I., welcher 1630 das Schloss erbaute. Von ihm kam es auf Johann Georg II. Dieser Kurfürst überlies es an einen Freiherrn von Rechenberg, nach welchem es zwei Grafen von Flemming (Vater und Sohn) bis zum 18. Jahrhundert besessen haben. Aus des Letztern Nachlass erstand es 1756 die verwittwete Gräfin von Hoym aus dem Hause Guteborn, geb. Gräfin von Beichling. Sie lebte hier 53 Jahre, wie ihr herrliches Grabmal an der Morgenseite der Kirche zu Lausa besagt, wo sie mit ihrer Tochter, der Frau Hofmarschallin von Schönberg, unter einer steinernen Grabhütte ruht. Ihr folgte Herr Heinrich Ludwig Burggraf und Graf zu Dohna, ein sehr verdienter Mann um dasigen Ort und alle seine Unterthanen.

Dessen erste Gemahlin, eine geb. von Schönberg, liegt ebenfalls in Lausa begraben. Ihr kostbares Denkmal steht in Gestalt eines hohen steinernen Kreuzes auf einem Granitwürfel neben dem der Gräfin von Hoym. Der Burggraf und Graf zu Dohna verkaufte das Rittergut Hermsdorf an Ernst Gottlob von Heynitz, der hier das Unglück hatte, zwei junge Gemahlinnen in kurzer Zeit nach einander begraben lassen zu müssen. Die erste, eine geborne Freiin von Rechenberg, liegt in Lausa begraben neben den Gräbern eines Grafen Constantin zu Stollberg-Wernigerode und dessen Schwester Maria Fürstin Reuss-Lobenstein. Dieser Herr von Heynitz überlies endlich Hermsdorf im Jahre 1835 dem Herrn Kaufmann Jäger aus Leipzig kaufsweise, von welchem es Herr D. Schmiedel auf Zehmen bei Leipzig acquirirte. Von Letzterem hat es in neuerer Zeit der dermalige Besitzer, Herr Kammerherr Graf von Wallwitz erkauft.

Schriftsässig gehörten früher zu dem Gute Hermsdorf Wahnisdorf, auch Weinsdorf oder Wahnsdorf genannt, in einer angenehmen Gegend, welche herrliche Aussichten gewährt. In den Urkunden heisst es auch Woyansdorff und es gehörte als ein bischöfliches Lehen den Meissnischen Burggrafen. Bis zu diesem Orte reichte im Juni 1760 das verschanzte Lager des Feld-Marschall Daun.

Ferner gehörten unter die Gerichtsbarkeit von Hermsdorf die Lause, mit welcher eng zusammenhingen die Dörfer Friedersdorf, Weixdorf und Gomlitz, fast in Gestalt eines Winkelmasses, nach der Mittagsgegend aufgethan, wovon es selbst mit der Kirche den Winkel und [138] einen Theil des langen Schenkels ausmacht, an welchem weiter oben Weixdorf und Gomlitz anstösst. Den kurzen Schenkel bildet Friedersdorf; doch liegen auch nicht wenig Häuser und Güter dieser vier Dörfer unter einander vermengt. Am Ende von Friedersdorf nach der Dresdner Haide hin, sieht man den prächtigen Grossteich mit seinem Wasserspiegel bis an den Wald. Er ist kaum in ½ Stunde zu umgehen und gehört zum Rittergute Hermsdorf. Aus ihm rinnt die Lausebach hervor und durch einige Teiche an der Friedersdorfer Seite herab, mit welcher sich am Ende von Lausa ein anderes Gewässer, die Schelzbach, vereinigt, die von Weixdorf und Gomlitz kommt und durch diese Dörfer und die Lausaer Dorfteiche herunterfliesst. Beide Bäche, die bei Gewitterregen stark anlaufen, gehen dann zusammen durch ein nicht breites, aber offenes und gebogenes Wiesenthal nach Hermsdorf, welches eine kleine halbe Stunde nördlich, hinter der Feldhöhe nach Königsbrück zu, an beiden Ufern der Röder, die hier ziemlich breit und flach dahinströmt und mit einer ansehnlichen Brücke versehen ist, liegt.

Auf der Feldhöhe nach der Dresdner Haide hin befindet sich ein kleiner buschiger Hügel, der Hochberg genannt, und der oberste Theil der Feldhöhe nach Hermsdorf zu, welcher sonst der Galgenberg hiess, führt den Namen Russenberg. Auf diesem Berge huldigten im Sommer 1801 die aus der französischen Gefangenschaft zurückkehrenden Russen Colonnenweise ihrem Kaiser Alexander. In einer dazu errichteten Gitterlaube betete erst der Dresdner Gesandtschafspope und las dann den Huldigungseid ab, welchen die Soldaten nachsprachen.

Viele tausend Menschen wohnten dieser feierlichen Handlung bei. Zum Andenken derselben liess der Burggraf und Graf zu Dohna eine Pyramide mit Basreliefs von Eisen in dem Lauchhammer bei Mückenberg giessen, die jedoch bei dem ersten Gusse verunglückte.

Hermsdorf ist mit Friedersdorf, Weixdorf und Gomlitz nach Lausa eingepfarrt.

Lausa, den Namen anlangend, so scheint derselbe von Löscha herzukommen, welches im Wendischen so viel als eine Lache, Sumpf oder nasse Niederung bedeutet. Doch kann unter der Luscha ebenfalls der oben erwähnte Grossteich zu verstehen sein, aus welchem, wie schon gesagt, der Lausebach hervorrinnt. Der gemeine Mann sagt in der Lausa; auch findet sich hier der alte Familienname Leuschner, was ebenfalls darauf bezogen werden kann.

Die Kirche zu Lausa mit ihrem Kirchhofe, welche jetzt unter der Ephorie Radeberg steht, wogegen solche früher zur Ephorie Dresden gezählt ward, befindet sich am Ende des Dorfes, dicht am Wege, von dem sie durch eine hohe Kirchhofsmauer getrennt ist. Sie hat mehr ein neues Ansehen und einen an der Abendseite im Jahre 1626 erbauten massiven Thurm mit Schieferdach.

Zum Innern der Kirche führen drei Eingänge, zwei von der Mittagsseite und einer durch die Thurmhalle; letzterer[WS 1] dem Altar und der Kanzel gegenüber. Ueber dem Altar befindet sich ein Oelgemälde, das Abendmahl des Herrn vorstellend.

Die Kanzel steht über dem Altar in einem einfachen Aufsatze nach dorischer Bauart. Die Kanzel selbst, woran die vier heiligen Evangelisten vorgestellt sind, ist das Geschenk eines ehemaligen Gutsverwalters in Hermsdorf, Christian Knauth, zum Reformations-Jubiläum 1630. Um den obern Rand befinden sich einige Zeilen, welche den Wunsch enthalten, dass auf diesem Predigerstuhle das Wort Gottes immerdar lauter und rein möge verkündigt werden.

In der Kirche, von der Kanzel rechts, ist das herrschaftliche Betstübchen. Unter dem Fussboden, der gedielt und vor dem Altar getäfelt ist, mögen sich hier und im Gange hervor viele gewölbte Gräber befinden. So haben auch in der jetzigen Thurmhalle, vor ungefähr 40 Jahren, noch zwei steinerne Särge des Grafen von Flemming gestanden, welche damals mit Genehmigung der Nachkommen unter den steinernen Fussboden versenkt wurden. Ihre aus Stein gehauenen Wappen sind an der Mauer aufgestellt.

Zum Reformationsfest 1830 wurde der zweite Gottesacker, ausserhalb des Dorfes am Wege nach Hermsdorf, geweiht, nachdem er erweitert und mit Mauern und Thor versehen worden war, an dessen Pfeilern die Worte zu lesen sind: „Ich lebe und ihr sollt auch leben.“ Er ist mit einer Reihe Kastanienbäume überschattet und sollen hier die Todten nie wieder ausgegraben werden.

Der Pfarrhof stösst an die Morgenseite des hiesigen Kirchhofs an und besteht aus einem Wohnhause, kleinem Backhause, Stallgebäude und Scheunen, wovon die drei ersteren mit Ziegeln, die letzteren mit [139] Stroh gedeckt sind. Davor liegt der Gemüse- und Obstgarten und ausserhalb der Mauer ein Teich mit einer kleinen Insel, zu welcher ein Brückensteg führt.

Der erste bekannte Geistliche nach den Zeiten der Reformation war Theodor Schuhmann, welcher einen in der Mittagsseite der Kirche angebrachten, aufrecht stehenden Leichenstein hat, worauf er in Lebensgrösse und priesterlichem Ornate zu sehen ist.

Der achte Geistliche war ein gewisser M. Karg in[WS 2] den Jahren 1768–1787. In diese Zeit fällt die Begründung der Schloss-Capelle zu Hermsdorf durch die Gräfin von Hoym. Deren Bildniss befindet sich noch in einem Pavillon des Schlossgartens zu Hermsdorf. Und nach einer Uebereinkunft zwischen dem Herrn Burggrafen zu Dohna und den dermaligen Pastor wird seit dieser Zeit am letzten Abend des Jahres in derselben Gottesdienst und Predigt gehalten, welches selbst nach des Grafen Wegzuge und nach seinem Absterben so geblieben ist.

In der Kirchfahrt Lausa besteht nur eine Schule, die dermalen 230 Kinder zählt. Das Schulgeld des Schullehrers ist auf 360 Thlr. festgesetzt, ohne das Einkommen, was er als Küster, Kirchner und Organist hat.

In dem Kirchdorfe Lausa ist ein Brau- und Schenkgut, eine Mühle, eine Schmiedewerkstatt und ein Chausseehaus.

In Hermsdorf befindet sich ausser dem Schlosse noch eine Papierfabrik, eine ansehnliche Mühle, ein Gasthof, eine Schmiede und eine Weissbäckerei.

Hermsdorf ist auch der Sitz einer Zweigbibelgesellschaft.

Die Einwohner treiben ausser dem Ackerbau auch die Weberei.

Hermsdorf gehört jetzt mit seinen 52 bewohnten Gebäuden, 73 Familienhaushaltungen und 360 Einwohner zum Gerichtsamt Radeberg, zum Bezirksgericht- zur Amtshauptmannnschaft- zum Regierungsbezirke Dresden.

Zu dem oben erwähnten Wahnsdorf, welches früher unter die Gerichte zu Hermsdorf gehörte, dagegen aber nach Reichenberg eingepfarrt ist, gehören die Königl. Winzerhäuser bei dem selbst im Auslande berühmten Spitzhause und die beiden Weinbergsgrundstücke Graue Presse und Pfeife, welches letztere eine romantische Lage über einer ziemlich senkrechten Bergeswand des Lössnitzgrundes hat. Die von Wahnsdorf in den Lössnitzgrund führenden Wege bilden sehr angenehme Parthien, müssen jedoch mit Vorsicht befahren werden, da vor einigen Jahren erst ein Dresdener Lohnkutscher, der eine Herrschaft nach dem Spitzhause gefahren hatte, auf einem derselben mit dem leeren Wagen verunglückte.

Von dem sogenannten Spitzhaus, einem Königl. Berghaus auf der Höhe der Königl. Weinberge, erblickt man: im Mittelpunkte die Residenz in ihrer ganzen Ausdehnung – über dieselbe hinaus die Loschwitzer Weinberge, den Lilienstein und Königstein nebst einem grossen Theile der sächsischen Schweiz – den Elbstrom in einer Länge von mehreren Stunden – jenseits derselben eine reichangebaute, mit vielen Dörfern besäete Landschaft, die namentlich zur Zeit der Baumblüthe ein liebliches Bild gewährt – diesseits der Elbe das breite mit Dörfern geschmückte Thal, welches von der Chaussee nach Meissen und von der Eisenbahn durchschnitten wird und nahe unter und neben sich die Weinberge der Ober- und Nieder-Lössnitz sammt den Königl. Weinbergen, Hof-Lössnitz genannt.

M. G.     



Anmerkungen der Vorlage

  1. handschriftliche Korrektur: Dresden
  2. handschriftliche Korrektur: Eichen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: letzerer
  2. Vorlage: ln