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Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Dittersbach

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Textdaten
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Autor: Johann Gottlob von Quandt
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Titel: Dittersbach
Untertitel:
aus: Meissner Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 2, Seite 33–34
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
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Dittersbach
mit Rossendorf und Eschdorf.


Dittersbach und Rossendorf bildeten in alten Zeiten ein Rittergut, und wurden durch ein Ritterpferd verdient, wesshalb auch in neuerer Zeit ein Theil der Donativgelder von Rossendorf an den Besitzer von Dittersbach gezahlt und von diesem der ganze Betrag eines Ritterpferdes entrichtet wurde. In alten Schriften kommt Dittersbach unter dem Namen „Ditirsbach“ und Rossendorf unter „Rottendorf“ vor; 1348 besass dieses Ludoldus de Turgow, auch Thirko de Wylen genannt, und jenes Otto Karaz (Karras). Die Herren von Turgow oder Torgau waren ein altes, reiches Geschlecht, dessen in der Geschichte unseres Vaterlandes oft Erwähnung geschieht. Schon 1217 wird in Urkunden des Klosters Dobrilugk ein Friedrich von Turgow genannt. 1256 verkauften die Gebrüder Bodo und Dietrich von Turgow mit Erlaubniss Markgraf Heinrichs des Erlauchten einen Werder an dasselbe Kloster. In demselben Jahre werden Bodo, Friedrich, Dietherich, Heinrich und Witigo als Söhne des alten Ritters Diether von Turgow genannt. Bodo’s von Turgow erwähnt eine Urkunde von 1264 als Zeugen bei einer Bestätigung des Klosters Marienstern. Als 1298 König Albrecht zu Nürnberg einen glänzenden Reichstag hielt, verlobte sich daselbst Markgraf Heinrich von Havelland, Landsberg und Delitzsch mit Agnes, der Wittwe Landgraf Heinrichs von Hessen, und unter den Bürgen für das ausgesetzte Heirathsgut befand sich auch Ritter Dietrich von Turgow mit seinem Sohne Friedrich. Richard von Turgow war 1318 mit dem Markgrafen Waldemar im Feldlager vor Camenz. Bodo und Friedrich von Turgow waren Anhänger des falschen Markgrafen Waldemar und Hessen sich von ihm mit einigen Gütern belehnen; 1350 finden wir jedoch Bodo von Turgow zu Budissin unter Waldemars Gegnern, mit denen er selbigen für einen Betrüger erklärte. 1372 kommt Dietrich von Turgow mit Reinhard von Strele bei einer Veräusserung von Zinsen an den Abt des Klosters zu Neuzelle vor. Volczsch von Turgow besass 1445 die beiden Rittergüter Dittersbach und Rossendorf. Dieses ritterliche Geschlecht erhielt sich im Besitz von Dittersbach bis 1460 während die Herren von Rossendorf oft wechselten. Der Ritter Heinrich von Starschedel vereinte 1460 beide Güter wiederum; Eschdorf aber, welches aus zusammengekauften Bauerngütern bestand, wurde immer zum Leibgedinge der Edelfrauen bestimmt, deren Gatten Herren auf Rossendorf waren.

Im Jahre 1543 kamen die Güter Dittersbach und Rossendorf an den Churfürsten Moritz, dessen Bruder, Churfürst August, sie 1554 an den berühmten Staatsmann Dr. Hieronymus Kiesewetter (welcher die Freistelle auf der Afraschule stiftete und 1556 als Geheimrath und Kanzler starb) verlieh. Sein Sohn Christian gründete die 1751 erloschene Dittersbacher Linie derer von Kiesewetter, und starb hier im Jahre 1598. Auf die Kiesewetter folgte 1684 Alexander von Miltitz, und nun erst wurde Eschdorf zum Rittergute erhoben. Die Herren von Miltitz blieben im Besitz der drei Güter bis 1763, wo Eschdorf und Rossendorf an Johann Georg Findeisen, Dittersbach aber an einen Baron von Falkenstein gelangte. Es wechselten nunmehr die Besitzer in rascher Folge, bis Johann Gottlob von Quandt Dittersbach 1829, und Rossendorf und Eschdorf 1832, letztere von dem Finanzcommissar Maximilian Zangen erkaufte, wodurch alle drei Güter wieder in eine Hand kamen.

Oestlich, zwei Stunden von Dresden, liegt an der Stolpner Chaussee der Rossendorfer Teich, in dessen Mitte sich eine Insel befindet, auf welcher einst die Wallfahrtskapelle stand, aus deren Mitteln noch jetzt die Pfarrherren zu Weissig gewisse Einkünfte beziehen. Der heiligen Barbara, welcher diese Kapelle geweiht war, mussten die freundlichen Nixen des Teiches weichen, die vorher die Insel bewohnten und deren Andenken noch in vielen heitern Volksmährchen lebt, welche vollkommen mit den Schilderungen in Grimms nordischer Mythologie übereinstimmen. Jenseits des Sees erhebt sich ein Hügel, den der Rossendorfer Hof mit seinen vier Thürmen krönt, welcher 1840 durch den jetzigen Besitzer erbaut wurde. Ueber dem Thore zeigt sich die Inschrift: „Domus domini subjectorum refugium.“ Worte, die freilich nicht mehr zeitgemäss sind, da es jetzt keine eigentlichen Herren mehr giebt, indem Jedermann unmittelbarer Unterthan der Regierung ist. Aus den Fenstern des altertümlich geschmückten Saales, im ersten Stockwerk dieses Gebäudes, geniesst man eine überaus schöne Aussicht. – Das zum Rittergute Rossendorf gehörige Dorf zerstörte 1429 die Wuth der Hussiten. Die Lehde, welche jetzt mehreren Besitzern gehört und die „Wüstlich“ heisst, ist der Ort, wo einst das Dorf stand; das Schloss aber scheint sich noch lange erhalten zu haben und sehr umfangreich gewesen zu sein, weil hier mehrere Herren von Kiesewetter zu gleicher Zeit residirten und nach noch vorhandenen Verzeichnissen ihrer Dienerschaft einen glänzenden Hofstaat hielten. Im Jahre 1634 wurde der Rossendorfer Hof von Chursächsischen Soldaten, die Blauröcke genannt, eingeäschert.

Auf der einstigen Stätte des Rossendorfer Hofes befindet sich jetzt eine [34] Ruhebank, welche durch ihre Armlehnen als Wegweiser, links nach Dittersbach und rechts nach Eschdorf, dient. Auf der Rücklehne dieses Ruhesitzes stehen die Worte: „Wohl dem Wanderer, der sich auf die Heimath freut!“ Diesem Wegweiser gegenüber steht ein anderer, welcher die Richtung nach Radeberg angiebt, und auf der daran befindlichen Bank liest man: „Nach gethaner Arbeit ist gut ruhen!“

Eschdorf ist von hier eine halbe Stunde entfernt. Das Herrenhaus erbaute um das Jahr 1770 der Oberstlieutenant von Polenz, die Wirtschaftsgebäude aber der jetzige Besitzer. Unmittelbar bei dem Wohngebäude befindet sich ein Thiergarten, worin zahme Hirsche und Rehe gehalten werden. Nicht weit davon steht unter alten Eichen ein Zinkabguss von der Diana aus dem Hause Colonna, dessen Original das königliche Museum zu Berlin verwahrt. Pfarre und Kirche zu Eschdorf haben eine reizende Lage, und letztere ist durch ihre alterthümliche, in graue Vorzeit zurückgehende Bauart, Denkmale der Familie von Kiesewetter, von einem kunstreichen Steinmetz ausgehauen, und eine Orgel merkwürdig, weil deren Gehäuse der Bildhauer Schewe nach einer Zeichnung des Professor Semper mit grosser Kunstfertigkeit in Holz schnitzte. In halbstündiger Entfernung von Eschdorf liegt Dittersbach.

Dittersdorf mit Röhrsdorf (in alten Zeiten Rüdigsdorf genannt) bildet einen grossen Ort, der sich länger als eine Stunde hindehnt und in der Mitte nur durch die Wesnitz, über welche eine steinerne Brücke führt, getheilt wird. Die Pfarrwohnung hat eine freundliche Lage, und die einzige Merkwürdigkeit der Kirche ist eine Silbermannsche Orgel, welche neuerdings der als Musiker und Orgelspieler geschätzte Christoph Wolfgang Hilf für eines der vorzüglichsten Werke dieses Meisters erklärte.

Der Edelhof liegt in der Mitte von Dittersbach und Röhrsdorf. Das umfangreiche Schloss, welches viele Zimmer und Säle enthält, ist drei Stockwerke hoch und bildet im Grundriss die Form eines H. Auf der Hofseite stehen zwei mächtige Kastanienbäume, und zwischen den Flügeln des Schlosses, auf der Mittagseite, liegt eine mit Blumenbeeten und Orangeriebäumen geschmückte Terrasse, von welcher eine sechszehn Stufen hohe und ansehnlich breite Treppe an den Schlossteich führt, welcher sein helles Wasser aus dem kalten Bache empfängt. Von hier aus führt eine Brücke nach dem Park, der nach Osten von der Wesnitz begrenzt ist. Die Schullwitz, welche den Park durchschneidet und sich über grosse Steinblöcke brausend dahin stürzt, vereint sich hier mit der Wesnitz. Am Ende einer alten Lindenallee erblickt man die Diana von Versaille, eine colossale Statue, zu Lauchhammer in Eisen gegossen. Zur Linken dieser Allee zeigt sich die gewaltige Bildsäule der Berliner Juno von Gies in Zink gegossen, und in tiefem Gebüsch findet man die Medicäische Venus, welche sich in den Wellen der Schullwitz spiegelt. Auf einem freien Platze sehen wir den knieenden Niobiden. Am Rande einer Wiese unter hohen Bäumen ist die colossale Statue der Venus von Capua aufgestellt, und ihr gegenüber erhebt sich ein in jonischem Style erbauter Tempel. Eine offene Stelle der Büsche zeigt in kurzer Entfernung den Apollon.

Tritt man aus dem Parke auf ein von Wald umkränztes Feld, so erblickt man ein Schweizerhaus, in welchem alljährlich den Schulkindern, über drei hundert an der Zahl, ein Johannisfest und den Dienstleuten der drei Höfe ein Erndtefest gegeben wird; im Winter dient dieser grosse Saal den Schulkindern zum Turnplatz. Von hier in ein anmuthiges Thal hinabsteigend, bietet eine daselbst befindliche gothische Kapelle Ruhesitze dar, von denen das Auge über reizende Wiesenflächen hinschweift. Unmittelbar neben der Kapelle ist eine geologische Merkwürdigkeit zu beachten, indem hier die scharf abschneidende Scheidung des Sandsteingebirges vom Syenit stattfindet.

Der Weg zieht sich jetzt nach dem Hochwalde, wo unter einer Gruppe ehrwürdiger Eichen dem König Anton ein Denkmal errichtet ist. An dem Piedestal der Büste sind die Worte eingegraben: „Nicht um die Krone, dein Volk zu beglücken wurdest du König!“ Von hier aus geht der Weg bergaufwärts durch eine Höhle nach der Schönhöhe, einem Berge, der diesen Namen schon seit langen Jahren führt. Das hier stehende Gebäude ist nach den Rissen des Professor Thürmer in altflorentiner Style aufgeführt. Der Saal des Parterres wurde vom Professor Peschel in Fresco ausgemalt und die Bilder stellen Scenen aus Romanzen von Göthe dar. Von dem Thurme des castellartigen Baues geniesst der Beschauer eine allseitige Aussicht. Nach Osten hin erhebt sich der vier Meilen entfernte Falkenberg, südlich überschaut man die Landschaft in weitester Ausdehnung, begrenzt von der Lausche und den Böhmischen Gebirgen, unter denen über alle der Rosenberg sich erhebt. Die feinsten Orte am südlichen Horizont sind Altenberg und Frauenstein. Nach Westen ist die Aussicht durch den Porsberg und die Hochebene, auf welcher Schönfeld liegt, beschränkt; nur einige Thurmspitzen der Meissner Gegend ragen hervor. Das Berghaus bei Ohorn ist der fernste Punkt nach Norden. Wenn die Ausdehnung des Horizonts überrascht, so unterhält zugleich die Betrachtung des Mittelgrundes, wo die Felsen von Stolpen, Königstein und Lilienstein bedeutende Massen darbieten, und das Auge bei den Dörfern und Städten, worunter sich Pirna auszeichnet, mit Lust verweilt. In diese Mannigfaltigkeit von Gegenständen ist, wie ein Silberfaden, die Elbe eingewebt.

Steigt man auf der östlichen Seite des Berges in den tiefen Wesnitzgrund hinab, so begegnet man wiederum diesem starken Bache, der schäumend unter einem hohen Gewölbe von Linden und weitausgreifenden Fichten dahin rauscht. Der Pfad windet sich zwischen grossen Felsblöcken hindurch und führt nach einem zweiten Eingange zum Park, in dessen Nähe die vom Professor Rietschel modellirte Statue einer Nymphe bemerkenswerth ist.

In Dittersbach findet alljährlich am Sonntage nach Bartholomäi ein Jahrmarkt Statt, welcher einer der lebhaftesten in der Umgegend ist. In früherer Zeit, ehe die Maschinenspinnerei und das Verfälschen der Leinwand durch Baumwolle um sich griff, war das Garnbleichen ein Haupterwerbszweig der Häusler in Dittersbach und Röhrsdorf, welcher durch die trefflichen Eigenschaften des hiesigen Wassers sehr befördert wurde. Zu der bis jetzt noch bestehenden Gerichtsbarkeit gehören die Dörfer Rossendorf, Eschdorf, Rosinendörfchen, Dittersbach, Kleinelbersdorf, Röhrsdorf und Zeschnig mit einer Bevölkerung von etwa zweitausend Seelen. Der Flächenraum der herrschaftlichen Besitzungen beträgt im Ganzen 969 Acker und 152 □ Ruthen.

J. G. v. Quandt.