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Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Bieberstein

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: G.
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Titel: Bieberstein
Untertitel:
aus: Meissner Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 2, Seite 41–43
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
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Bieberstein.


Am Einflusse der Bobritsch in die Mulde, eine starke Stunde südlich von der Stadt Nossen entfernt, erhebt sich auf einem steilen Felsenhange das Schloss Bieberstein. Zu ihm gehört ein doppeltes Rittergut und das Dorf Bieberstein mit einem Erbgerichte, einer Mühle, drei Bauergütern, sechs Halbhüfnern, drei Gärtnernahrungen und zweiunddreissig einzelnen Häusern. Die Einwohnerschaft besteht aus etwa dreihundertsiebzig Personen.

Ueber die Gründung von Bieberstein fehlen alle sicheren Nachrichten. Eine Tradition erzählt es habe einst in der Bobritsch eine grosse Anzahl von Biebern gehaust weshalb Jäger in die damals hier vorhandene Wildniss eindrangen und sich unter dem jetzigen Schlossberge ansiedelten. Der Umstand, dass die Kirche zu Bieberstein einen Bieber im Siegel führt, scheint allerdings für die Wahrheit eines Theiles dieser Sage zu sprechen, es ist jedoch aus verschiedenen Gründen wahrscheinlicher, dass die Ableitung des Ortsnamens von dem hier häufig vorkommenden Biebersteine abzunehmen sei, wie denn auch in den noch vorhandenen ältesten Urkunden über Schloss und Dorf Bieberstein die Benennung „zum Bieberstein“ gebraucht wird. Uebrigens lässt sich mit Gewissheit behaupten, dass Bieberstein nicht früher als im zwölften oder dreizehnten Jahrhundert entstanden, und folglich deutschen Ursprungs sei. In frühester Zeit, bis zum Jahre 1630, befanden sich hier zwei nahe beieinander liegende Schlösser, von denen jedoch jedes seine besonderen Fluren und Servituten hatte, bis Moritz von Schönberg durch Kauf beide Rittergüter vereinigte und das sogenannte Niederschloss abbrechen liess.

Bieberstein ist das Stammhaus der alten Familie der Marschälle von Bieberstein, welche als Besitzer der beiden Schlösser zuerst im vierzehnten Jahrhundert genannt werden, dieselben aber offenbar schon früher besassen. Die Biebersteine waren ein reichbegütertes Geschlecht, dessen Besitzungen hauptsächlich in der Umgegend von Freiberg und in den Lausitzen lagen. So gehörte ihnen bis zum Jahre 1551 die grosse Herrschaft Sorau. Als am 15. December 1551 Christoph von Bieberstein auf seinem Schlosse Friedland in Böhmen mit Tode abging, zog König Ferdinand die Herrschaft als ein eröffnetes Lehn an sich, indem er den Geschlechtsvettern erklärte, sie hätten im Jahre 1515 bei der damals stattfindenden Lehnsreichung die Mitbelehnschaft gebührend nachzusuchen verabsäumt. Alle Bemühungen der Biebersteine, die Herrschaft Sorau wieder an sich zu bringen waren vergeblich, indem der König sie dem Markgrafen Georg Friedrich von Brandenburg verpfändete und später dem Bischof zu Breslau Balthasar von Promnitz für 124000 Gulden verkaufte.

Auf dem oberen Schlosse zu Bieberstein starb der letzte Besitzer aus dem Geschlecht der Marschälle von Bieberstein, Christoph, im Jahre 1597, und das Gut gelangte an Dietrich von Truchsess, einen wilden jähzornigen Mann, der mit allen Nachbarn in stetem Unfrieden lebte und 1607 von seinem Leibknechte, während er ihn unverdient züchtigte, zu Krummenhennersdorf erstochen wurde. Nach ihm gehörte das obere Bieberstein Georg Friedrich von Truchsess, der 1624 starb und das Gut Moritz Heinrich von Hartitzsch hinterliess.

Niederbieberstein gehörte von 1560 bis 1591 Ernst Nicolaus Marschall von Bieberstein, von dem es an die reiche Freiberger Patrizierfamilie von Alnpeck gelangte. Die Alnpecke waren in der Mitte des funfzehnten Jahrhunderts aus Ungarn nach Sachsen gekommen und hatten durch glücklichen Bergbau sehr bedeutende Reichthümer erworben. Sie bekleideten in Freiberg die höchsten Aemter und waren mit vielen angesehenen Adelsgeschlechtern eng befreundet und verschwägert. Johann von Alnpeck, Gemahl der einzigen Tochter Nikol Marschalls von Bieberstein, war der erste Alnpeck auf Niederbieberstein und besass dasselbe bis 1595, wo es durch Erbschaft an Melchior von Alnpeck kam, der 1622 mit Tode abging. Er hinterliess das Gut einem Sohne, Johann von Alnpeck, der 1630 es an Moritz von Schönberg, aus dem Hause Oberschönau, verkaufte. Dieser Moritz von Schönberg kaufte von Heinrich von Hartitzsch auch das Oberschloss und vereinigte somit beide Rittergüter; das Niederschloss aber liess er abbrechen. Moritz von Schönberg hatte nur eine Tochter, die an einen Herrn von Metsch auf Kreischa vermählt, aber bei des Vaters 1651 erfolgtem Tode bereits ohne Leibes- und Lehnserben verstorben war, somit kam das vereinigte Bieberstein an Nickel von Schönberg, des vorigen Besitzers Bruder, der 1656 in der Kirche zu Bieberstein seine letzte Ruhestätte fand. In demselben Jahre gelangte das Gut an Gotthelf Friedrich von Schönberg, churfürstlicher Durchlauchten zu Sachsen, Johann Georgs II. III. IV. Geheimerath, Appellationsgerichtspräsidenten, Kammerherrn und Obersteuereinnehmer, Herrn auf Lockwitz, Tristewitz, Trebitz und Leupnitz, einen Mann, der sich um Gemeinde [42] und Kirche zu Bieberstein vielfache unvergessliche Verdienste erworben hat. Derselbe liess 1666 die alte feste Burg Oberbieberstein abbrechen und das noch jetzt stehende Schloss dafür aufbauen. Von dieser Zeit an blieb Bieberstein in ununterbrochenem Besitze der Familie von Schönberg, unter deren Gliedern namentlich Moritz und Rudolph Dietrich von Schönberg hier noch in gesegnetem Andenken gehalten werden, bis im Jahre 1807 das Gut durch Heirath an den königlich Sächsischen Amtshauptmann Johann Carl Ludwig von Schröter, Capitular des Hochstifts Wurzen und Herrn auf Zschorna, Helmsdorf u. s. w, überging, von dem es 1829 in Besitz eines Sohnes Herrn Christian Ludwig Haubold von Schröter gelangte.

Das Rittergut Bieberstein, zu welchem die Orte Bieberstein, Burkersdorf, Hohentanne, Gotthelffriedrichsgrund, Rothenfurth ein Theil von Krummenhennersdorf und Obergruna in Unterthanenverhältniss stehen, hat das Patronatsrecht über Kirche und Schule zu Bieberstein und Krummenhennersdorf, sowie über die Schule zu Rothenfurth und Hohentanne. Das Gut besizt treffliche Felder, bedeutende Waldungen, herrliche Gärten und namentlich vorzügliche Anlagen, welche der Kunstsinn des jetzigen Besitzers mit jedem Jahre erweitert und verschönt.

In kirchlicher Hinsicht stand Bieberstein vor der Reformation unter dem bischöflich Meissnischen Erzpriester zu Wilsdruff, und in jener Zeit mag das hiesige Plebanat eine ziemlich fette Pfründe gewesen sein, da sich zum Beispiel im Jahre 1344 ein edler Herr von Schönberg als deren Verwalter vorfindet – Die Kirche, über deren Erbauungszeit alle Nachrichten fehlen, scheint verschiedene Reparaturen und Veränderungen erfahren zu haben, und namentlich musste man nach einem noch vorhandenen Bauregister von 1648 damals die Kirchstühle neu herstellen, weil bei der letzten Freibergischen Belagerung die Soldaten selbige zerbrochen oder verbrannt und überhaupt in der Kirche wie auch im Dorfe vielen Unfug getrieben hatten.

Im Jahre 1676 wurde der hintere Theil der Kirche erhöht und gewölbt, die herrschaftliche Emporkirche und auf der entgegenstehenden Seite die Sakristei, mit den darüber befindlichen Ständen von Grund aus neu gebaut, die Kirche selbst inwendig renovirt und statt der bisherigen Schindeln mit einer Ziegelbedachung versehen, welchen nicht unbedeutenden Bau der Rittergutsbesitzer Gotthelf Friedrich von Schönberg grösstentheils aus eigenen Mitteln bestritt. Bei der Einweihung des verschönerten Gotteshauses fand der Baumeister Hans Stecher, Maurermeister und Constabler in Freiberg seinen unerwarteten Tod. Er wollte nämlich aus einem kleinen Geschütz einige Festschüsse thun mochte aber trotz seines Constableramtes mit demselben nicht umzugehen wissen, denn das überladene Stück schlug zurück und warf den unvorsichtigen Artilleristen zu einer Thür hinaus auf das Pflaster, wo er mit zerschmettertem Schädel aufgehoben wurde. – Drei Jahre später wurde der alte, wie das alte Register besagt „mit vielen päpstischen Greueln geschmückte Altar“ niedergerissen und der noch jetzt stehende durch den Geheimrath von Schönberg angeschafft. Verfertiger des neuen Altars war der Bildhauer Sebastian Körmser in Freiberg und Christian Gärtner ebendaher besorgte die Malerei. Zu gleicher Zeit schenkte der fromme Gutsherr der Kirche ein Positiv mit drei Registern und einem Tremulanten, wofür er zwölf Thaler bezahlte, doch war dieses Werkchen schon 1688 so wandelbar, dass man eine neue Orgel anschaffen musste, zu deren Kosten der Herr von Schönberg wiederum ein Bedeutendes beitrug. Diese Orgel wurde benutzt bis 1831, wo der Orgelbauer Pfützner in Meissen sie durch ein neues, schönes grosses Werk ersetzte, welches 1300 Thaler kostete. Die 1743 erbaute Kanzel ist ein Geschenk Moritz Friedrichs von Schönberg. – Die letzte gründliche Reparatur und Verschönerung erfuhr die Kirche im Jahre 1840.

Das Vermögen der Kirche zu Bieberstein besteht aus ungefähr 800 Thalern, und ausserdem hat man seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts eine sogenannte Holzkasse gegründet, welche zur Zeit mehr als 200 Thaler enthält, deren Zinsen der jedesmalige Pfarrer erhebt. Ausserdem besitzt die Kirche ein Legat von 500 Thalern, welches 1784 Frau Johanne Christiane von Gersdorf auf Rattwitz und Niederreichenbach zum Besten der Armen des Biebersteiner Kirchspiels gründete. Ein anderes Legat von 300 Thalern bestimmte Sabine Elisabeth von Schönberg zum Besten der Kirche und ihrer Diener, so dass erstere die eine Hälfte der Jahreszinsen empfängt, die zweite Hälfte aber zu gleichen Theilen dem Pfarrer und Schullehrer gehört. Der vormalige Pfarrer Lahode legirte 1796 ein Capital von 100 Thalern, dessen Zinsen die Parochialarmen geniessen, und eine zweite Summe von gleicher Höhe überliess der Domdechant und Geheimerath von Gersdorf der Kirche, mit der Bestimmung, dass selbige die Zinsen erhalten möge. Ein Schönberg’sches Legat von 50 Thalern, ist zur Bekleidung des Altars und Taufsteins bestimmt und 10 Thaler schenkte 1814 der zu Hohentanne verstorbene Amtsverwalter Rechenberg, deren jährliche Zinsen der Schullehrer in Bieberstein erhält – Die Schule zu Bieberstein, in welche Burkersdorf und Gotthelffriedrichsgrund eingeschult sind, wird von 173 Kindern besucht.

Eingepfarrt in hiesige Kirche sind die Dörfer Burkersdorf, Hohentanne und Gotthelffriedrichsgrund. Ersteres hat 278 Einwohner und ausser einem zum Rittergute Bieberstein gehörigen Vorwerke vier Bauergüter, fünf Halbhüfner, fünf Gartennahrungen und achtundzwanzig einzelne [43] Häuser. Hohentanne hat seinen Namen von einer in der Mitte des Dorfes gestandenen uralten Tanne erhalten, die indessen seit länger als Menschengedenken nicht mehr vorhanden ist. In diesem Dorfe, welches gegen funfhundert Einwohner zählt, befindet sich ein bedeutendes Erbgericht, eine Mühle, elf Bauergüter, zwei Halbhüfner, vier Viertelhüfner, acht Gartennahrungsbesitzer und achtundzwanzig einzelne Häuser. Vor Zeiten wurden vom Erbgerichte sieben Gartennahrungen abgebaut, und da dieselben in einiger Entfernung vom Orte an einem Teiche liegen, führen sie den Namen „Hohentanne am Teich oder die Teichhäuser“. Hohentanne hat eine eigene Schule mit achtzig Kindern und ein 1836 neu erbautes geräumiges Schulhaus. – Gotthelffriedrichsgrund ist eine Schöpfung des mehrfach erwähnten Rittergutsbesitzers Gotthelf Friedrich von Schönberg auf Bieberstein, der um das Jahr 1666 das Dorf auf herrschaftlichem Grund und Boden erbaute und ihm seinen Namen gab. Es zählt etwa hundertsechszig Einwohner und siebenundzwanzig Häuser mit etwas Feld und Gärten. – Die Einwohner der Parochie sind, mit Ausnahme der Feldbauer einiger Handwerker und der Tagelöhner, grösstentheils Bergleute, die in den nahen Erzgruben ihren Verdienst finden. Auch in hiesiger Parochie giebt es einige, obgleich weniger ergiebige Gruben, nämlich „Gott vertrauter Daniel Erbstolln in Hohentanne, Radegrube, Fundgrube in Burkersdorf, Berg Zion Erbstolln in Burkersdorf und Dresdner-Freiberger Gesellschafts-Erbstolln in Hohentanne.

G.