Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Altfranken
Nur wenige Gegenden unseres Vaterlandes sind hinsichtlich ihrer Naturschönheiten mit dem Plauenschen Grunde zu vergleichen, der von der rasch dahinfliessenden Weiseritz durchströmt, von Tharand bis zum Dorfe Plauen sich dahin zieht. – Reizend für den Freund der Natur, denn das Thal bietet die herrlichsten Aussichten in sanftem, wie in wildem Style, hat dasselbe nicht weniger Interesse für den Mineralogen, da nirgends in Sachsen auf einem kleinern Raume eigenthümlichere Abwechselungen der Gesteine vorkommen, wie hier; aber auch der Gewerbsfreund findet sich vollkommen befriedigt, schaut er hinab auf die Rührigkeit der Bergleute und Ackerbauer, sowie auf die rauchenden Essen und klappernden Räder der Dampfmaschinen.
Gewaltige Sienitfelsen bilden das ungeheure Thor zum Plauenschen Grunde, an dessen Fusse eine schöne Brücke ihre weiten Bogen über die flüchtige Weiseritz streckt. Vor länger als hundert Jahren war der Eingang zum Thale oft der Schauplatz prachtvoller Hoffeste, so z. B. 1719, wo bei der Vermählung Augusts II. nicht weit von der Königsmühle ein bergmännisches Fest stattfand, welches an Glanz und Originalität seines Gleichen suchte. In einem durch Kunst hergestellten schimmernden Berge stand ein Saturnustempel zwischen zwei feuerspeienden Bergen, und von den Felsenhöhen des Thales hernieder stiegen mit Fackeln in den Händen über zwei tausend Bergleute, welche dem königlichen Brautpaare Erzstufen überreichten. Zu jener Zeit wurden im Plauenschen Grunde auch oft grosse Jagden abgehalten, bei welchen man die gehetzten Thiere, worunter sich auch Bären befanden, bisweilen von den schroffen Felsen in die Weiseritz hinabstürzte. Der höchste Berg des Plauenschen Grundes ist der Windberg.
Von diesem Berge bis nach dem Dorfe Pesterwitz hin bewahrt die Erde ungemeine Schätze, denn hier befinden sich die bedeutendsten Steinkohlenlager unseres Vaterlandes, welche einer grossen Anzahl von Menschen Beschäftigung geben. Im sechzehnten Jahrhundert wollte ein Hirt aus Pesterwitz auf dem Felde ein Feuer anzünden, und weil der Wind dasselbe nicht aufkommen liess, holte er mehrere daliegende schwarze Steine herbei, um es damit zu schützen. Mit nicht geringem Erstauen bemerkte plötzlich der Hirt, dass die Steine zu brennen anfingen, und eilte, seinen Herrn davon in Kenntniss zu setzen, welcher den hohen Werth der gefundenen Steinkohlen erkannte und so der Schöpfer des Kohlenbaues wurde.
Die Steinkohle findet man in ungeheuren Flötzen, welche durch Schichten von Gestein oder Erde getrennt über einander liegen, weshalb einzelne Gruben nur wenige Ellen tief, andere dagegen Hunderte von Ellen in den Schooss der Erde gegraben sind. Wo man schon längere Zeit Kohlen gewonnen, finden sich bisweilen in den Gruben weite Räume, gestützt von ungeheuren Pfeilern. Die Kohlenarbeiter tragen die Kleidung der Bergleute und geniessen deren Rechte; doch sind sie auch gleichen, wenn nicht noch grösseren Gefahren ausgesetzt, als jene, indem sie niemals sicher sind, von zusammenstürzenden Blöcken zerschmettert oder durch eindringende Wässer erstickt zu werden. Nicht weniger gefährlich sind die Schwaden oder Schwefeldünste und die schlagenden Wetter, welche Letztere durch Entzündung angehäufter brennbarer Luft entstehen und von dem Bergarbeiter am meisten gefürchtet werden. Um sich zu überzeugen, ob die Grube von dem brennenden Gase frei sei, werfen die Arbeiter einen brennenden Kienspahn hinab. Nicht selten stellen sich die Schwaden so rasch ein, dass die Grubenleute kaum im Stande sind, durch eilige Flucht der Gefahr zu entgehen, und oft müssen die Werke lange Zeit unbenutzt liegen, ehe man sie wieder befahren kann. Doch alle diese Gefahren rauben den Bergleuten nicht den Muth; mit dem festen Glauben an ein bestimmtes Schicksal gehen sie an ihre Arbeit und sind bei aller Armuth ein heiteres, treuherziges Völkchen.
Die ersten urkundlichen Nachrichten über den hiesigen Kohlenbergbau findet man in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, wo Churfürst Moritz (1542) einen Hans Bienert das Recht ertheilte, zwischen Plauen und Tharand im Bezirke einer Quadratmeile den Kohlenbau in Gemeinschaft mit einer Anzahl Theilhabender zu betreiben, doch ging der Bau nicht gut von Statten. Dreissig Jahre später hatte der Besitzer des Rittergutes zu Kohlsdorf, Georg Brendel, ohne Erlaubniss den alten Bergbau wieder aufgenommen, wurde aber vom Bergamte zu Freiberg deshalb zur Rede gesetzt und musste sich verpflichten, ordentlich zu muthen, über die Einnahme Register zu führen, dem Landesherren die zehnte Tonne zu stürzen und den Freiberger Bergschmieden den Vorkauf zu lassen. – In einem der Kohlenwerke brannte ein Kohlenflötz länger als fünfzig Jahre und einmal ging das Feuer sogar zu Tage aus und konnte nur mit unsäglicher Anstrengung gedämpft werden. Man hat schon seit vielen Jahren die Kohlen rings um das brennende Lager abgearbeitet und an dieses eine Lehmmauer geschlagen. Die Entzündung soll durch Nachlässigkeit eines Arbeiters entstanden sein.
Auf der linken Höhe des Thales erhebt sich das prachtvolle Schloss Altfranken, Eigenthum des Herrn Grafen von Luckner, mit seinen stattlichen Zinnen, hochüberragt von einem Wartthurme, auf dessen Plateau eine aufgehisste Flagge flattert. Umgeben von den reizendsten Gartenanlagen, schaut das kolossale burgartige Gebäu weit hinaus in die herrliche Gegend, die ein unbeschreibliches Panorama vor dem Auge des Beschauers aufrollt. Das Dorf, welches zum Schlosse gehört, stand vor dem Jahre 1655 unter dem Prokuraturamte Meissen, 1468 theils unter dem bischöflichen Amte Priessnitz, theils unter dem Amte Dresden, und enthält bei vierzehn Hufen 254 Einwohner. Im Jahre 1787 wurde Altfranken ein neuschriftsässiges, jedoch nicht landtagsfähiges Rittergut.
Ueber die Gründung Altfrankens herrscht völliges Dunkel, doch ist es, nach seinem Namen zu urtheilen, ohne Zweifel deutschen Ursprungs. Bis zum Jahre 1787 gehörte der Ort zu Pesterwitz, dem alten Buistrizzi oder Bustrici, welches schon im Jahre 1068 als Burgwarte vorkommt. Noch jetzt befindet sich auf den Fluren des Dorfes ein Hügel, mit dem Namen Burgwartberg, wo [21] wahrscheinlich die alte fränkische Zwingburg stand, welche Kaiser Heinrich I., nebst einer Anzahl anderer Kastelle längs der Elbe zum Schutze der deutschen Colonien und Inzaumhaltang der besiegten Slaven erbaute. Nach Errichtung der Burgwarte Bustrici entstand auch bald das Dorf Pesterwitz, welches in der Folge eines von den fünf Küchengütern des Bischofs von Meissen wurde, jedoch nach einem Uebereinkommen des Papstes und der Sächsischen Fürsten Ernst und Albrecht vom Jahre 1485, jedes Mal dem Bischof verliehen werden musste. Zur Zeit des Hussitenkrieges gehörte Pesterwitz dem Ritter Johann von Maltitz, und der Ort wurde gleich Altfranken, Zauckerode und anderen naheliegenden Ortschaften, von den wilden Böhmen gänzlich zerstört. Im siebzehnten Jahrhundert besass das Gut der Berghauptmann Christian Reichbrod, der unter dem Beinamen „von Schwendendorf“ in den Adelsstand erhoben wurde. Bei dessen Familie verblieb Pesterwitz bis zum Jahre 1744, wo es ein Herr von Nimpsch besass, dessen Nachkommen selbiges 1820 an den Baron von Thümen verkauften.
Altfranken ist, nebst Niederpesterwitz, Neunimpsch, Potschappel, Rossthal, Saalhausen und Zauckerode in die Kirche zu Pesterwitz eingepfarrt, über deren Gründung alle Nachrichten fehlen. Das Thürmchen, welches sich auf dem Dache des Gotteshauses befand und seit 1518 gestanden hatte, wurde im Jahre 1662 abgebrochen und das noch jetzt vorhandene erbaut. Eine Hauptreparatur erfuhr die Kirche im Jahre 1756, und als 1804 der Thurm von einem Blitzstrahle getroffen wurde, musste abermals eine solche vorgenommen werden. Die gesammte Kirchfahrt Pesterwitz besteht aus etwa 2000 Einwohnern und 300 schulpflichtigen Kindern.