Ritter von Bayonne an Emma
Emma! denkst du noch der Rosenzeiten?
Da wir keines Erdenglücks uns freuten,
Als des Glückes treuer Liebenden.
Da wir noch von tausend wundersüssen
Durch das stille Hainthal wandelten;
Bis wir uns ermüdet in der Halle,
Oder an dem kleinen Wasserfalle
Bey der alten Eiche lagerten.
Mit des wonnevollsten Herzens Drang
Manch hinschmelzend Lied der Liebe mir gesungen,
Daß ich von dem Zauberklang
Deiner Silberstimme süß durchdrungen,
Und ins Paradies entzücket an der Fülle
Deines Busens Götterwonne trank,
Und der Mond aus seiner Wolkenhülle
Freundlich trat, und schien, als horcht’ er zu:
Da entglitten uns der Freudenthränen viele,
Und so selig waren Ich und Du! –
Aber ach! wie leicht, wie leicht verschwinden
Die Gebilde süsser Phantasie,
Unsre Sinnen sanft umwinden;
Und wie bald verwünschen wir die Welt,
Welcher wir ob ihren Freuden
Noch so gut sind, wenn ein Tropfen herber Leiden
Wenn des frohen Wahnes mürbe Mauer
Durch des Schicksals Wink zerfällt,
Und ein Angstgefild in Weh und Trauer
Unsern Blicken sich entgegenstellt.
Daß sich Mörder in der Freundschaft Banden küssen;
Daß der größten That Unsterblichkeit,
Nur in langsamrer Vergänglichkeit,
Modert, wie die Helden in den Krüften.
Dessen Trank uns reitzt mit zauberischen Düften,
Einen Augenblick berauschet, um die Zeit
Unsers ganzen Lebens zu vergiften.
Daß die Wohlthat zu der Dankbarkeit
Aus des eignen Abgrunds unwirthbaren Klüften:
Daß es keinen Glücklichen hier geben kann,
Wenn nicht Wahn und Zufall ihm die Augen schließen.
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Einstens wähnt’ ich auch viel Freuden zu genießen,
Da entfloh die Zeit mit Flügeln an den Füssen,
Da verträumt’ ich hochbeglückter Mann
Noch mein Wonneleben unter deinen Küssen.
Aber du, – mein Weib – ach Emma Du!
Hast die Binde mir vom Aug gerissen.
Dreißig düstre Monden trug die Zeit
In das Meer der dunklen Ewigkeit,
Seit dem letzten Tag voll Seligkeit,
Nimmersatt am Glück der Liebe mich zu weiden,
Himmeln träumend noch in deinen Armen schlief,
Als mich Friederich zum Zuge gen die Heiden
Für das heilge Grab in Palestina rief,
Quell, von meinem Himmelreich zu scheiden. –
Emma! denkst du noch der Küsse von uns beyden?
Noch der Thräne, die von meiner Wange lief?
Unterdrückend das Gefühl des Schmerzens,
Schwang ich blindbetäubt mich auf mein Roß;
Flog beym Augenblick der Ueberwindung
Mit verhülltem Haupt aus meinem Schloß,
Jagte fort im Sturme der Empfindung,
Dann erst wurd’ ich der Beklemmung wieder los,
Und des Blutes flammender Entzündung.
Lechzend sank ich an der Save Mündung
Von dem Pferde hin auf feuchtes Moos;
Und die Ruhe nahm mich auf in ihren Schooß.
Emma, dacht’ ich, wirst du wieder sehen,
Eh sich Erd und Mond um unsre Sonne drehen:
Emma’s ist kein Weichling werth.
Soll dein Nam’ in Schanden untergehen?
Zeuch, wohin man dein als Rittersmann begehrt,
Emma’s ist kein Weichling werth.
Und, Aurora, stieg empor am Himmelsbogen. –
Sprachs: und Erd und Himmel flogen
Unter über mir wie Luftgesichte fort.
Bald erreicht’ ich den bestimmten Ort,
Wo die Christenheere gleich den Meereswogen,
Ha! wie viele sahn denn auch das Grab
Unsers Heilands und die Heimath wieder?
Tausend, wieder tausend meiner Brüder
Drückte Todesnoth zu Grabe nieder,
Was das Schwert nicht fraß, das starb in Hungerswehen;
Dorrte wie des Grases Halmen ab,
Ich nur konnte nicht mit untergehen:
Gott, wie unbegreiflich dein Gericht! –
Hab auch ich mit ihnen meins vergossen,
Sank mit ihnen, starb mit ihnen nicht.
Fiel in Sklavenketten der Barbaren,
Wo man alles mir nur nicht das Leben nahm,
Brach die Ketten mit des Tods Gefahren
Sollte nicht entkommen, und entkam;
Hatte Flutentod für Sklaventod zu wagen,
Warf mich in den Ozean und schwamm
Flog im Sturm seit sieben grausen Tagen,
Ward gen Nord, Ost, Süd und West geschlagen,
Krümmt’ und kümmerte mich hin in Todesklagen:
„Sterben! sterben! stöhnt’ ich aus erstorbnem Mund.
Eine Wooge kömmt im Wirbelsturm daher,
Faßt und dreht mich, um an Klippen im zerrißnen Meer
Die vom Abgrund mir entgegen ragen,
Meinen Schädel in Splitter zu schlagen. –
wirft mit mir die Wooge hin ans Land.
Ah, ich kam zurück vom Grabesrand,
Um auf einem Eiland zu verderben;
Doch umsonst, hier sollt’ ich noch nicht sterben.
Das an Bord mich nahm, erreicht’ ich Spaniens Küsten;
Froh erblickten wir das erste Land der Christen;
Als Torgosas Ufer unsre Nachen küßten.
Sprangen wir ans Ufer, ich verschwand;
Trieb mich hungernd durch Navarras Wüsten
Und nach langen jammervollen Fristen
Kam ich schmachtend, sterbend in das Land,
Wo ich Leben sog an meiner Mutter Brüsten.
Meinen Blick mit dicken Finsternissen:
Eilend wankt’ ich auf den ungewissen
Pfaden hin mit vorgestreckter Hand;
Rang mich durch von Ast und Dorn gerissen,
Und den kalten Nachtthau durstig trank.
Aechzend lag ich zwischen Tod und Leben,
Und noch sterbend, Emma, dacht’ ich dein.
Plötzlich wird es lauter in den Wüsteneyen
Mir ins Ohr, die Nacht verschlingt ein Fackelschein;
Ich ermanne mich mein Haupt empor zu heben
Moruan, mein Feind, von Reisigen umgeben,
Steht vor mir. „Was!“ ruft er, „soll das seyn?
Deine Seele scheint am Thor des Tods zu schweben.“
Sprachs im Spott, „drum helf ich ihr hinein.“ –
Flüche hatt’ ich auf den starren Lippen,
Doch der Bube stieß sein Schwert mir durch die Rippen.
Und ich starb in Todesohnmacht hin.
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Meines Jammers Kelch war noch nicht ausgetrunken,
Ha! drum bin ich zur Verwesung nicht gesunken.
Von des Grabes Schauerschlaf erwacht’ ich, fand
Der die Todeswunde mir verband. –
Schwer entrang ich mich der Ewigkeiten Schwelle.
Plötzlich warf von sich der Greis das Mönchsgewand,
Und mein guter alter Treuhold stand
Weinend drückt’ er mir die Hand.
Werde stumpf Empfindung! fleuch Verstand!
Eine Nachricht fuhr aus Treuholds Kehle,
Wie ein Wetterschlag in meine Seele.
Tausend Feindesschwerter konnten mich nicht tödten,
Brechen sollt’ ich halbverkümmert meine Ketten,
Mich mit Todsgefahr vom Sklaventode retten,
Stürzen in des Meeres Schlund hinab,
Schmachtend sollt’ ich, reif zur Sterbestunde
Meine Heimath, und nach einer Todeswunde
Dieses Leben wieder sehn,
Um in Schmerzen der Verzweiflung zu vergehn.
Den ein Gottverlaßner Pfaff verwegen
Ueber dieses Band am Altar sprach,
Trift des Himmels Fluch. In Moruans Armen, ach!
Nimmer möglich, daß dieß Weib die Treue brach,
Aber wenn es möglich – wenn es wirklich ist,
Moruans Weib! drey Tage hast du Frist.
Zwar fast stürz’ ich unter meines Schicksals Schlägen,
Doch mein wacher Grimm, der jede Nerv’ durchpocht
daß sich stürmisch meine Pulse regen,
Flügelt mich empor: In ganz Guyenne tönt
Schon mein Nahme, meiner Rache Fackel lodert,
Wer als Freund mich Heinrich von Bayonne kennt,
Wem nicht jeder Keim von Ehr’ im Busen modert,
Wird erscheinen, wenn mein Ruf ihn fodert.
Als Verderber komm’ ich dann mit Speer und Wehr,
Euer Todesengel schreitet vor mir her,
Deinen Buhlen, dich an seinem Leichnam ketten,
Dann hinab mit dir und ihm hinab
In ein ödes nie besuchtes Grab,
Das verirrte Wandrer nur betreten.
Dein geschändetes Gedächtniß wie dein Leib. –
Doch für deine Seele will ich beten.