Ritter Staufenberg
In reicher Flur, auf waldumbüschten Höhen,
Wo stolz der Rhein begrüßt die Ortenau,
Sieht man der Burg bemooste Trümmer stehen,
Von ferne schon, auf Felsen steil und rauh:
Oft süß, wie Harfenklang – im Abendthau
Erhebt sich neu die schaurig – milde Weise,
Und Geistertritte wandeln ernst und leise.
Dort wohnte Staufenberg, ein edler Ritter,
Groß war sein Muth im Schlachtenungewitter,
Und Lanzenbrechen war ihm Spiel und Scherz.
Der Liebe Reiz auch kannt’ er, süß und bitter,
In mancher Wonn’, in manchem wilden Schmerz,
Sein Sinn allein der freien Lust gewogen.
Einst kehrt mit seiner Schaar aus Thal und Sträuchen
Der Ritter von der Jagd im dunkeln Hain,
Und als das Dörflein Nußbach sie erreichen,
Nah’ ist ein Quell, umweht von alten Eichen,
Und glänzend nun im goldnen Abendschein;
Hier weilt er oft, und läßt in Traum und Sehnen
Auf seiner Laut’ ein Minnelied ertönen.
Jetzt eine wunderschöne Jungfrau fand:
Sie schaut mit Lächeln auf die Silberwelle,
Ihr blondes Haar umschlingt ein Rosenband;
Mild ist ihr Angesicht, wie Frühlingshelle,
Er grüßt: die Maid erhebt sich aus dem Grünen
Und danket ihm mit sittig holden Mienen.
Und als mit Namen sie darauf ihn nennet,
Verwundert sich darob der Rittersmann:
Die Schöne sagt: „Mein Sitz ist neben an;
Ich seh’ Euch oft, wenn Ihr im Fluge rennet
Dem Walde nach feldab und hügelan;
Und schöpft ihr dann den Trunk am Quell der Wiesen,
Sie spricht noch mehr in himmlisch holden Tönen;
Der Liebesgöttin gleicht sie von Gestalt.
Der Ritter fühlt ein unnennbares Sehnen,
Es hält ihn fest mit zaubrischer Gewalt.
Entzückt; doch ach! die Stunde flieht zu bald;
Da geht er bei des sanften Mondes Blicke,
Und kehrt beim nächsten Abendroth zurücke.
Er setzt sich hier auf einen Felsen nieder,
Ein süßer Schauer wallt durch seine Glieder,
Und in dem Herzen brennt der Liebe Gluth.
Doch warten ist umsonst, sie kehrt nicht wieder:
Er schleicht zur Burg; ihm sinken Kraft und Muth –
Daß ihm nicht mehr erscheint die holde Maget.
Am sechsten Tag, im späten Dämmerlichte,
Harrt Staufenberg und seufzt: „Ach! wie so lang!
Will denn mein Loos, daß ich auf sie verzichte?“
Er horcht, und späht bis in des Haines Dichte.
Doch schien’s, daß aus dem Quell die Stimme drang;
Da sitzt, als nun sein Schritt zum Wasser eilet,
Die Jungfrau auf dem Stein, wo er geweilet.
Schon lächelt ihm der schönsten Träume Ziel:
Doch soll sein Fragen nichts von ihr erkunden,
Und lächelnd scherzt sie nur im Wörterspiel.
Ach! süß betäubt, zu mächtig überwunden,
Sie sinnt voll Ernst und spricht: „An dieser Stelle
Seyd morgen früh, noch vor des Tages Helle!“
Und eh’ die Stern’ entflohn auf andre Bahnen,
Erscheinet, kaum der Wonne sich bewußt,
Da steht die Reizende vor ihm, o Lust! –
Umkränzt ihr Haar von bläulichen Cyanen,
Geschmückt mit jungen Rosen ihre Brust.
Sie sieht ihn an mit unschuldvollen Blicken,
Sie winkt zum Sitz: er folgt ihr gluthbeseelet,
Faßt ihre Lilienhand und sagt dabei,
Wie stets um sie die Flamme noch ihn quälet;
Die Maid antwortet: „Eine Wasserfei
Auch Menschen lieben wir; doch redlich sei,
Wer ein Verlangen fühlt, um uns zu werben;
Sonst wird uns tiefe Qual, und ihm – Verderben.
Gern, Ritter, sah ich Euch an dieser Stelle;
Bleib’ Eure Treu’ so rein, wie meine Quelle,
Und dauernd, wie der Stahl an Eurem Schwert!
Doch wenn sich von Erlinen je der schnelle
Und leichte Sinn zu andern Frauen kehrt,
Und nur mein Fuß zum Zeichen noch erscheinen.“
Er ruft: „Ha! ohne dich ist mir kein Leben,
Und ewig feste Treue schwör’ ich dir!“
Sie eilt erröthend ihm ein Pfand zu geben:
Er drückt sie an die Brust mit süßem Beben
Und spricht: „Ach! welche Wonne finden wir,
Nicht mit dem Gold der Erde zu erkaufen,
Auf holder Flur in meiner Burg zu Staufen!“
Des vierten Tags die Trauung soll geschehn.
Als dieser naht, und setzt auf Flur und Thale
Der Morgen steigt herab von Purpurhöh’n
Da eilt aus dem Gemach zum hohen Saale
Recht künstlich fein, geweiht dem Minnesolde,
Und voll von Silber, Edelstein und Golde.
Bald öffnen sich des Marmorsaales Thüren:
Erlina tritt im Hochzeitsschmuck herein;
Des Quellenreichs, Undinen, blond und fein.
Schon sieht das Volk zur Burgkapelle führen
Die Glücklichen, wo, ihren Bund zu weih’n,
Der Priester harrt, und bald dem edlen Paare
Wie selig fühlt sich an Erlina’s Wangen
Der Ritter nun! Wie dünkt ihm öd’ und rauh
Die stürm’sche Lust der Welt! Sie ist vergangen,
Sein Herz schlägt nur der häuslich-milden Frau.
So wie den regen West die Blumenau:
Ein Jahr entfloh, da lacht – o süße Gabe
Des Bundes! – ihr im Schooß ein holder Knabe.
Jetzt hört man, daß dem Frankenkönig dräuet
Und daß der Held die edlen Schaaren reihet,
Der Gränze nah’, zur tapfern Gegenwehr.
Schon ordnet rings im Waffenglanz und freuet
Sich auf den Streit das sieggewohnte Heer;
Betreten kühn mit ihm des Ruhmes Pfade.
Und Staufenberg? – das rüstige Beginnen
Entflammt auch ihn zu neuer Ritterthat:
Er will zur Liebe neuen Ruhm gewinnen,
Und vor die Gattin tritt, nach langem Sinnen,
Der Rittersmann, fragt zärtlich sie um Rath,
Wie er soll thun; weil Angst und Kummer litte
Ihr Herz vielleicht, wenn er zum Kampfe ritte.
Ein Thränchen von Erlinens Angesicht;
Sie faßt sich und erwiedert: „Heil’ge Bande,
Wie unsre, tilgen Zeit und Ferne nicht.
Geliebter, eile denn zum Schutz der Lande!
Nur, bis dich gute Stern’ uns wieder schenken,
Woll’ treulich mein und deines Kinds gedenken!“
Der Ritter schwört es ihr bei Heil und Leben,
Drückt sie an’s Herz, und bald im Morgenschein
Durch heim’sche Fluren fort und über’n Rhein.
Wo Herzog Otfrieds Banner sich erheben,
Reiht er sich schnell mit seinen Kämpfern ein;
Dann eilt das Heer fernhin, auf manchen Wegen
Nicht lange drauf erschallt die hohe Kunde:
„Im Pyrenä’ngebirg war eine Schlacht,
Auf Felsenhöh’n und in des Thales Schlunde;
Bald wich, bald drang voran des Königs Macht.
Doch plötzlich ward ein heft’ger Stoß gebracht
Des Feindes Heer’, es fielen alle Schranken,
Die Heiden flohn, und Sieg umweht die Franken.“
So ist es. Doch wer brach im Schlachtgewühle
Dem tapfern Heer die Bahn zum frohen Ziele?
Vor Allen Staufenberg, der kühne Held:
Das erste Treffen lenkt’ er, und noch viele
Der Kämpfe sehn Berg, Haine, Thal und Feld,
Und glorreich schließt mit ihm der König Frieden.
Ach! süße Tön’ in Leid und Sorgen waren
Erlinen dies; schon lächelt Wiedersehn!
Bald hört man, daß der Krieger tapfre Schaaren
Doch hat vorher noch Staufenberg erfahren,
Wie Geist und wackre That den Mann erhöhn:
Der König läßt ein goldnes Schwert ihm reichen,
Und Michaels geweihte Ordenszeichen.
Will ihn, der ruhmvoll seine Schaar geführt,
Vor dem der Sarazenen Banner sanken,
Hoch ehren, wie dem Helden es gebührt,
Und möcht’ ihm gern auf würd’ge Weise danken:
Lädt er in einen Kreis erhabner Gäste
Den Rittersmann zum hohen Siegesfeste.
Wie glänzt der reiche Saal in stolzer Feier!
Wie wird beim Mahl die Freude hoch und laut!
Und an der Fürstentochter Seite schaut
Man Staufenberg, der Allen werth und theuer;
Ein Flüstern geht: „Nur er verdient die Braut!“
Auch spricht er gern zur schönen Adeline;
Als froh der zweite Tag in Schatten sinket,
Da tritt in sein Gemach ein Höfling ein,
Und spricht: „Ihr wünscht, o Herr, wie uns bedünket,
Der reizenden Prinzessin euch zu weih’n,
Scheint nicht dem Helden abgeneigt zu seyn.
Drum, wollet mir nur Eure Wünsche nennen,
Der Herzog wird Euch gern als Sohn erkennen!
Und Staufenberg versetzt in Gluth und Beben:
Er fühlt in sich der Ehrsucht hohes Streben
Und daß sein Herz die Liebliche begehrt;
Als des Gewissens Schauer sich erheben –
Denkt er: „Wer ew’ge Treu’ der Gattin schwört,
Wie ihm ein falsches Weib? – Gott wird es rächen!“
In wankendem Entschluß, in Noth und Thränen,
Geht ihm die schlummerlose Nacht vorbei.
Zu Otfried eilt er, als die Vögel tönen
Nach der Erhabnen stehe nur sein Sehnen,
Doch knüpf’ ihn schon das Band an eine Fey.
Der Herzog staunt ob solchen Wunderdingen
Und meint, dies werd’ ein böses Ende bringen.
Darum befragt er seinen Hofkaplan.
Der spricht: „Erlauchter Fürst, der Himmel wende
Das Unheil ab von dieses Edlen Bahn!
Nur wenn sich eine Gattin ihm verbände,
Könnt’ er des Spuks verworfne Bande lösen
Und sich befrei’n von dem Gespensterwesen.“
Der Rittersmann entschließt sich: ach! er trauet
So bald dem gleisnerischen Priesterwort!
Die neue Gluth, reißt ihn gewaltsam fort.
Als auf die Flur der dritte Abend thauet,
Sieht man verlobt am glanzerfüllten Ort
Den tapfern Staufenberg mit Adelinen;
Sie schauen soll der zwölfte Tag verbunden;
Da langt zuvor ein Knecht von Staufen an.
Der Ritter stutzt, und fragt ihn, welche Kunden
Er melden soll? Hierauf versetzt der Mann:
So schnell, daß Niemand es begreifen kann;
Dies war am Abend der Verlobungsfeier.“
„Seltsam, ruft Staufenberg, und nicht geheuer!“
Es war, – so denkt er – jener Bund geschlossen,
Wohl mir, daß sich das wahre Licht ergossen!
Und leichten Muths geht er zur Trauung hin.
Schon lacht der Mai und milde Bächlein flossen
In dem Gefild; es blüht der Hain, worin
Von Dienern und von Zofen neu belebet.
Dort, als vollbracht die kirchlichen Gebräuche,
Empfängt die Tafel rund im Rittersaal
Den Hof, auch viel der Großen aus dem Reiche,
Horch! Hörnerschall! die Braut, die göttergleiche,
Beut lächelnd ihrem Lieben den Pokal,
Er nimmt ihn, blickt empor – wird wie versteinet,
Weil – an der Wand ein Frauenfuß erscheinet.
Nur er kann sehn den niedlich-schönen Fuß;
Der schwindet nun: Der Ritter faßt sich wieder,
Trinkt rasch und murmelt: „Geh’s denn, wie es muß!“
Man will, da schon die Sonne steigt hernieder,
Doch Staufenberg? – – Man sieht, er kann nicht hehlen,
Daß plötzlich ihn geheime Schauer quälen.
Die Wagen gehn im stolzen Pomp zurücke;
Mit Knechten folgt zu Roß der Bräutigam;
Und birgt nach aller Macht den innern Gram.
Im offnen Feld erscheint die Bogenbrücke,
Und während jetzt der Zug hinüber kam,
Will durch den seichten Fluß vor seinen Knappen
Doch in der Mitte schnaubt das Roß – nicht weiter
Will es voran; nichts helfen Sporn und Hand;
Es bäumt und überschlägt sich mit dem Reiter –
Ha! dieser fällt, der Hengst entspringt an’s Land.
Und überfluthet schon den hoben Strand;
Er rauscht, die Wellen thürmen sich voll Grausen
Hochauf, der Donner hallt und Stürme sausen.
Wie läßt sich laut der Frauen Klage hören!
Ach! die Vermählte bebt in heißen Zähren –
Da sieh! mit einmal weicht der Stürme Wuth;
Neu will die Au’n der Sonne Schein verklären,
Das Wasser fällt und sanft hin wallt die Fluth;
Jedoch der Ritter ward nicht mehr gesehen.